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17.05.2013 | 15:33 | Umweltpolitik 

Peter Altmaier: Bilanz nach einem Jahr als Umweltminister

Berlin - Gespräche über Peter Altmaier fangen bisweilen so an: «Er ist ein netter Kerl.» Dann folgt häufig ein «Aber».

Peter Altmaier
Peter Altmaier (c) deutscher bundestag-lichtblick-achim melde
Ein Spitzenpolitiker, der öfter mit dem CDU-Bundesumweltminister zu tun hat, berichtet von ziemlich in die Höhe wachsenden Aktenstapeln auf Altmaiers Schreibtisch, die kaum noch Platz zum Arbeiten ließen. Der Schreibtisch lasse auf die Arbeitsweise schließen: Altmaier agiere chaotisch. In der Unionsfraktion wird betont, dass er einen guten Job mache und anders als sein Vorgänger alle bei der Gestaltung der Energiewende einbinde. Er habe halt eine Sisyphos-Aufgabe übernommen.

Für den Saarländer ist ein Traum in Erfüllung gegangen, als er vor einem Jahr plötzlich den Anruf Angela Merkels erhielt. Er dachte nicht lange nach. Am 16. Mai entließ die Kanzlerin in einem kühlen Auftritt Norbert Röttgen. Offizielle Begründung: Sie traute ihm nach dem Wahldebakel als CDU-Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen nicht mehr die Durchsetzung der Energiewende zu. Röttgen sitzt jetzt in den hinteren Reihen des Bundestags, er schweigt öffentlich zum Rauswurf. Er hatte nach Fukushima den Atomausstieg bis 2022 vorangetrieben und gegen Widerstände bei Union und FDP die Energiewende ausgerufen.

Nachfolger Altmaier ist ein launiger Hansdampf in allen Gassen. Ein im Berliner Politikbetrieb erfrischend anderer Typ. Allein bei über 50 Neujahrsempfängen hat er in diesem Jahr für die Energiewende geworben. Und in der ZDF-«heute show» preist er sich mit seiner Körperfülle schon mal als Musterbeispiel eines Energiespeichers an. Sein wichtigster Kommunikationskanal ist Twitter, weil dies den direkten Austausch ermögliche. Über 41.000 folgen ihm dort schon.

Die Opposition sieht viel heiße Luft und spricht von einer «miserablen Bilanz». In einer Aktuellen Stunde des Bundestags betonte der SPD-Politiker Ulrich Kelber am Donnerstag: «Netter Typ, bunte Show, praktisch keine Ergebnisse». Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn warf Altmaier vor: «Die Sache interessiert Sie nicht». Erstmals seit Jahren seien sogar die Kohlendioxid-Emissionen wieder gestiegen.

Besonders ein Projekt des Schnitzelfreundes ist in sich zusammengefallen wie ein Soufflé, in das man sticht. Seine im stillen Kämmerlein entworfene Strompreisbremse wurde nach Widerstand nicht nur von SPD und Grünen vom Bundeskanzleramt lautlos beerdigt. Zum kommunikativen Desaster geriet seine Warnung vor Kosten von bis zu einer Billion Euro bei der Energiewende. Bei Twitter schimpfte Altmaier wüst über eine Studie, die seine Rechnung auseinandernahm.

Umweltverbände werfen ihm vor, mit Horrorzahlen die Akzeptanz der Energiewende zu gefährden. Eine große Kostenreform bei der Förderung erneuerbarer Energien wurde auf die Zeit nach der Wahl vertagt. Allerdings ist Altmaier auch ein Stück weit machtlos, immer wieder scheitern Vorhaben am Länder-Widerstand. Und dann ist da noch eine regierungsinterne Blockade, die den 54-Jährigen ausbremst. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) will partout keine Reform des CO2-Verschmutzungsrechtehandels - auch wenn der Preisverfall der Emissionsrechte klimaschädlichen Kohlestrom lukrativ macht.

Altmaier hat viele Bälle in die Luft geworfen, aber ein Jongleur mit zu vielen Bällen kann leicht die Kontrolle verlieren. Fast wöchentlich hat er neue Ideen ventiliert. Darunter die bisher nicht vollzogene Gründung eines Clubs der Energiewendestaaten. Oder eine 5-Prozent-Verzinsung für Bürger, die den Netzausbau mitbezahlen. Er selbst listet zum Jubiläum jede Menge Erfolge auf, etwa die Einigung auf eine schnellere Bergung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle aus der maroden Asse. Aber auch: «Wir haben eine Frauenausstellung durchgeführt».

Zwei große Baustellen hat er erfolgreich angegangen. Die teure, über den Strompreis zu zahlende Solarförderung wird bei 52.000 Megawatt installierter Leistung auslaufen, je nach Zubau gibt es automatische Förderkürzungen. Das Ausbautempo hat sich verlangsamt. Und er einigte er sich mit den Ländern auf eine bundesweite Suche nach einem Atommüll-Endlager. Es hapert aber noch an Details, das Gesetz dazu ist also noch längst nicht in trockenen Tüchern.

Altmaier würde gerne weitermachen. Doch das ginge wohl nur mit einer Neuauflage von Schwarz-Gelb. Denn in einer großen Koalition dürfte die SPD das in seiner Bedeutung stark gewachsene Ressort beanspruchen - und erst recht die Grünen bei Schwarz-Grün. Er führt seine schwierige Ausgangslage auch auf seine Vorgänger zurück. Auch an Seitenhieben gegen seinen früheren Freund Röttgen spart er nicht - er habe wenig brauchbare Konzepte in den Aktenschränken gefunden.

Altmaier sorgt sich schon, ob er die vielen Freunde im Internet behält, wenn er nicht mehr im Amt sein sollte. «Frag mich manchmal, wer mir noch folgt, wenn ich mal nicht mehr Minister bin? Bis dass der Tweet Euch scheidet», twitterte er vor wenigen Tagen. (dpa)
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