Auch in der Politik ist derzeit fast nichts wie sonst - das Coronavirus wirbelt alles durcheinander. Und dabei muss Politik doch gerade jetzt funktionieren, Orientierung geben. Und Politiker sollten Vorbild sein, wenn sie schon verlangen, dass alle Abstand halten und zu Hause bleiben. Wie läuft es so?
Zum Start einen Blick ins
Kanzleramt: Da spricht Kanzlerin Angela Merkel (
CDU) nun mit Regierungschef-Kollegen über Videoschalte. Wenn sie ans Rednerpult tritt, dürfen Journalisten dabei sein, aber die Stühle stehen weit auseinander. Auch die Minister sitzen während der Kabinettssitzungen nicht mehr Seit' an Seit', sondern halten Abstand. Jedenfalls während der Sitzung.
Im
Bundestag ist auch wenig los. Besucher dürfen nicht mehr kommen, die Reichstagskuppel ist dicht. In Kantinen reichen Mitarbeiter das Besteck mit Gummihandschuhen. Abgeordnete und Mitarbeiter sind größtenteils im Homeoffice - es gab unter ihnen schon mehrere Corona-Fälle.
Auf Arbeiten von zu Hause sei das Parlament aber nicht gut vorbereitet, kritisierte Grünen-Politiker Jürgen Trittin - es fehlten Programme für Telefon- und Videokonferenzen, Mitarbeiter der Verwaltung könnten von draußen ihre Mails nicht lesen. Trotz aller Abstandsregeln soll der
Bundestag nun nochmals in größerer Runde tagen. Um eine Notfallregelung in Schuldenbremse zu ziehen, müssen nämlich mindestens 355 der 709 Abgeordneten da sein.
Unter deutschen Politikern gab es schon mehrere Corona-Fälle - darunter der Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir oder Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Karoline Preisler von der FDP in Mecklenburg-Vorpommern berichtet per
Twitter über ihren Krankheitsverlauf und wie es zu Hause läuft. Auch ohne Corona-Befund geben manche Einblick in ihr Zuhause. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) schrieb, er sei mit einer «heftigen Erkältung» aufgewacht - mit einem Foto vom Laptop auf dem sonnigen Balkon.
In den
Ministerien läuft viel über Video- und Telefonschalten - und die sonst langen Terminlisten sind ziemlich leer. Geplante Beschlüsse schiebt das Kabinett teils auf. Akute Krisenbewältigung hat Vorrang.
Die
Parteien versuchen, den
Betrieb virtuell am Laufen zu halten. Beispiel Grüne: Parteimanager Michael Kellner, der für Videoschalten nun ein Grünen-Schild an der Wohnzimmerwand hängen hat, gibt Einblicke in den neuen Alltag. Gremien und AGs tagen digital, auch in den Kreisverbänden, auch mal mit 100 Leuten. Ein «Webinar» - ein Seminar im Netz - soll die ganze Partei an Online-Arbeit heranführen.
Selbst Großveranstaltungen zum neuen Grundsatzprogramm werden ins Internet verlegt. Als Problem sieht Kellner Wahlen, die ließen sich rechtlich noch nicht online durchführen - und bald ist es zum Beispiel Zeit, Listen für die
Bundestagswahl aufzustellen.
Im
Bundesrat haben die Ausschüsse in den vergangenen Tagen ihre Themen schriftlich besprochen - Sitzungen vor Ort gab es keine. Der
Bundesrat wird gebraucht, um wie geplant innerhalb von einer Woche ein Paket mit Notmaßnahmen in der Corona-Krise auf den Weg zu bringen. Dafür reicht es aber nach Angaben einer Sprecherin theoretisch, wenn jede Landesregierung einen Vertreter schickt.
Apropos Bundesrat - natürlich ist auch in den
Bundesländern die Politik im Corona-Betrieb. CSU-Chef Markus Söder, Ministerpräsident in
Bayern, besteht demonstrativ auf «Abstand, bitte». In seiner Jackentasche hat er eigenes Desinfektionsmittel, mit der er gerne und wiederholt großzügig seine Hände einschmiert. Mit dem Händeschütteln ist es vorbei - Söder winkt gerne aus der Ferne. Söder präsentiert sich in der Corona-Krise unter den Landeschefs als Vorreiter, ist etwa mit Ausgangsbeschränkungen vorgeprescht.
Kritik gab es aber ausgerechnet nach einem Besuch von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstag in München - denn der twitterte ein Bild, auf dem 25 Teilnehmer einer Sitzung sich ganz offensichtlich nicht an Abstandsregeln hielten. Und während einer - dünn besetzten - Landtagssitzung entging aufmerksamen Beobachtern nicht, dass viele Redner am Pult die Hände alle auf dieselbe Stelle legten - und sich dann ins Gesicht fassten.
In
Brandenburg tagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (
SPD) mit seiner und der
Berliner Landesregierung extra im großen Saal der Staatskanzlei. Danach wurde bekannt, dass Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) auf einer Veranstaltung mit dem israelischen Botschafter Jeremy Issacharoff war, der positiv auf das Virus getestet wurde. Müllers Test war aber negativ - auch die Brandenburger waren erleichtert. Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher nimmt für sich in Anspruch, den «Ellenbogengruß» in der Brandenburger Landesregierung eingeführt zu haben.
In
Rheinland-Pfalz wählte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in der Staatskanzlei den großen «Festsaal», um die teilweise Schließung von Läden, Restaurants, Sportplätzen und anderen Orten anzukündigen.
In
Hessen will die Regierung grundsätzlich keine Pressekonferenzen mit Vor-Ort-Präsenz mehr veranstalten - das soll nun virtuell passieren.
Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) in
Nordrhein-Westfalen tagt mit seinem Kabinett per Videoschalte, der Landtag in Düsseldorf ist gähnend leer. Zur Sondersitzung am Dienstag dürfen Fraktion nur ein Drittel ihrer Abgeordneten schicken.