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08.07.2018 | 08:30 | Relikt aus der Nachkriegszeit 
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Raus aus den Direktzahlungen!

Berlin - Die SPD-Bundestagsfraktion will ein Ende der EU-Direktzahlungen. In einem Positionspapier spricht sich die Bundestagsfraktion für einen schrittweisen Ausstieg aus den flächengebundenen Beihilfen bis 2027 aus.

Direktzahlungen Ausstieg bis 2027
(c) SPD
Begründet wird dies mit dem Grundsatz, dass öffentliches Steuergeld nur noch für öffentliche Leistungen gewährt werden solle. „Die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben ist kein Grund für eine öffentliche Förderung“, heißt es in dem Papier. Besonders gefördert werden müssten stattdessen der Aufbau geschlossener Nährstoffkreisläufe, artenreicher Kulturlandschaften, fruchtbarer Böden sowie der Beitrag zu mehr Klimaschutz.

Gerechtfertigt seien Steuermittel ferner für den Umbau der Tierhaltung. Die Förderung sei an den Kriterien für das geplante staatliche Tierwohllabel auszurichten. Schließlich spricht sich die SPD-Fraktion für die Förderung gleichwertiger Lebensbedingungen in ländlichen Räumen aus. Ziele seien die Gestaltung des demografischen Wandels sowie der Erhalt der sozialen und technischen Infrastruktur.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Matthias Miersch mahnte am Donnerstag (5.7.) in der Haushaltsdebatte des Bundestages ein einheitliches Vorgehen der Bundesregierung in puncto Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) an. Miersch sieht insbesondere Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gefordert, für eine zielgenauere Verwendung der GAP-Mittel einzutreten. Dazu sei es erforderlich, sich mit dem Bundesumweltministerium abzustimmen.

„Relikt aus der Nachkriegszeit“

Die SPD hält ihrem Papier zufolge ein Umsteuern für überfällig und beruft sich auch auf entsprechende Forderungen aus der Agrarwissenschaft. Die derzeitige EU-Agrarförderung wird als „Relikt aus der Nachkriegszeit“ kritisiert. Ziele eines neuen Anreizsystems sind für die Fraktion ein „faires Einkommen“ für die Landwirte und eine Honorierung ihrer Leistungen für die Gesellschaft, der Schutz der Umwelt durch ressourcenschonendes Bewirtschaften, eine artgerechte Tierhaltung sowie die Unterstützung des ländlichen Raums.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich in den anstehenden Reformverhandlungen für ambitionierte Vorgaben einzusetzen, die diesen Zielen gerecht werden. In einem zweiten Schritt wollen die Sozialdemokraten für eine ehrgeizige nationale Umsetzung kämpfen.

Unsere Ziele für die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020

Es gilt derGrundsatz: öffentliches Steuergeld nur für öffentliche Leistungen!


Wir müssen die aktuelle Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union nutzen, um das von den Agrarwissenschaftler*innen seit Jahrzehnten geforderte Umsteuern in der Agrarpolitik jetzt umzusetzen.

Auch die Bürgerinnen und Bürger sehen zunehmend das Problem, dass die Landwirtschaft in Europa durch Fehlanreize geprägt ist. Das derzeitige Subventionssystem ist ein Relikt aus der Nachkriegszeit, das sich überlebt hat. Die Landwirtschaft wird heute vor allem über die bewirtschaftete Fläche vom Steuerzahler*innen gefördert. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob die Art der Bewirtschaftung nachhaltig und der Umgang mit Tieren artgerecht ist. Mittels der Subventionspolitik müssen wir ein anderes Anreizsystem aufbauen.

Folgende Punkte gilt es bei der anstehenden Reform von Beginn an mitzudenken:

1. Landwirte sollen ein faires Einkommen erhalten, ihre Leistung für die Gesellschaft muss honoriert werden.

2. Unsere Umwelt muss durch ressourcenschonendes Bewirtschaften geschützt werden.

3. Eine artgerechte Tierhaltung ist zu fördern.

4. Wir wollen die Förderung des ländlichen Raums mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik verstärken. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, sich in den anstehenden Verhandlungen auf EU-Ebene für ambitionierte Vorgaben einzusetzen, die diesen Zielen gerecht werden. In einem zweiten Schritt werden wir für eine ehrgeizige nationale Umsetzung kämpfen.

1. Kein Steuergeld für Grundbesitz

Der Besitz von landwirtschaftlicher Fläche ist kein Grund für eine öffentliche Förderung. Landwirte*innen sollen von ihrer Arbeit leben können. Ihre hochwertigen Produkte sollen fair bezahlt werden. Leistungen für die Gesellschaft, die nicht vom Markt honoriert werden, müssen zielgerichtet und nachvollziehbar vergütet werden. Dabei gilt der Grundsatz: öffentliches Steuergeld nur für öffentliche Leistungen. Bis zum Jahr 2027 wollen wir schrittweise aus den flächengebundenen Direktzahlungen aussteigen, die leistungsunabhängig sind.

2. Schutz von Wasser, Boden und Luft finanzieren

Die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben ist kein Grund für eine öffentliche Förderung. Sauberes Wasser, gesunde Böden und reine Luft sind unsere Lebens- und die Wirtschaftsgrundlage der Landwirt*innen. Deshalb wollen wir den Aufbau geschlossener Nährstoffkreisläufe, artenreicher Kulturlandschaften, fruchtbarer Böden und den Beitrag zu mehr Klimaschutz besonders fördern. Zudem setzen wir uns für eine effiziente Nutzung und deutliche Reduktion aller chemischen Pflanzenschutzmittel ein. Alle Chancen, die der digitale und technische Fortschritt bietet, wollen wir nutzen, damit eine effektive Umsetzung gewährleistet wird.

3. Steuermittel für den Umbau der Tierhaltung

Die derzeitige Tierhaltung wird von weiten Teilen der Gesellschaft nicht akzeptiert. Die gesamte Verarbeitungskette steht in der Kritik. Mit der Einführung eines nationalen Tierwohllabels werden die Kriterien für die Tierhaltung festgelegt. Wir wollen die Förderung an diesen Kriterien ausrichten, damit wir schnell eine Verbesserung für Tiere erreichen. Die Arbeitsbedingungen in der verarbeitenden Industrie werden wir verbessern. Wir wollen gute soziale Rahmenbedingungen und die Gewährleistung von Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schaffen als Grundlage für faire Arbeit, für Tier- und Verbraucherschutz.

4. Förderung gleichwertiger Lebensbedingungen in ländlichen Räumen

Wir wollen den sozialen Zusammenhalt stärken, den demografischen Wandel gestalten und den Erhalt der sozialen und technischen Infrastruktur in ländlichen Räumen gewährleisten. Wir wollen Wertschöpfungsketten gerade für kleine Verarbeitungsstrukturen und das klassische Lebensmittelhandwerk im ländlichen Raum stärken, damit weiterhin qualitativ hochwertige Lebensmittel in Vielfalt und Breite hergestellt werden. Den Generationswechsel in der Landwirtschaft wollen wir durch eine besondere Förderung von Junglandwirt*innen unterstützen.
AgE
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Kommentare 
Streuobstwiesler schrieb am 08.07.2018 23:10 Uhrzustimmen(22) widersprechen(21)
Die Gedanken sind gut, nur wollen wird nicht reichen. Wenn es nur Absichtserklärungen sind können Sie getrost darauf verzichten. Entweder Sie setzen es auch um oder sparen Sie sich die Zeit, die Sie benötigen, um derlei Papiere zu erarbeiten. Ich stimme inhaltlich in allen Punkten völlig zu.
Momentan geht es schon wieder darum, dass jedes Bundesland sein bisheriges Budget weiterhin voll zugeteilt bekommt und dann selber wieder die Agrarindustrie fördern kann. Genau das brauchen wir nicht. Der Ökonom, der sich morgens auf die Zugmaschine setzt und den ganzen Tag nur fährt, der braucht nicht dafür auch noch belohnt zu werden. Förderung braucht derjenige, der kleine Parzellen bearbeitet und damit für die Allgemeinheit eine Leistung erbringt, in Form von Artenvielfalt, Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft mit überschaubaren Tierbestandsgrößen, welche artgerecht gehalten u n d gefüttert werden, der die bäuerliche Kreislaufwirtschaft betreibt und das alte Wissen erhält und weitergibt, der am besten ökologisch wirtschaftet oder zumindest nur ein Mindestmaß an Chemie einsetzt, der so wenig Energie wie nötig braucht und nach Möglichkeit selber welche produziert - aber nicht über NawaRo-Anlagen - der auf kurze Wege achtet (Regionalität), der bereit ist, auf dem eigenen Hof zu vermarkten und der das auch darf. Es nützt nichts, wenn er in der Bürokratie ersäuft. Gentechnik gehört auf dem Agrarsektor sofort ersatzlos verboten, Antibiotika, Spritzmittel und Kunstdünger so verteuert, dass es sich nicht lohnt, sie einzusetzen. Solche Ansätze müssen wieder gefördert werden, dann wird die Überschussproduktion von selber weniger und die Bauern haben wieder eine Daseinsberechtigung und Existenzgrundlage, hier in Europa und auch in Übersee. Dann kann auch ins Auge gefasst werden, die Ausgleichszahlungen zu streichen, denn dann kann sich der Bauer sein Leben wieder selber lebenswert gestalten und die Industriellen sollen zusehen, wo sie bleiben.
agricola pro agricolas schrieb am 08.07.2018 11:17 Uhrzustimmen(30) widersprechen(19)
FAKTENCHECK:

In vorderster Priorität erhalten die Bauern Agrarsubventionen, damit eine Absicherung der jeweiligen Flächeneigentümer im Hinblick auf die alljährlichen Entschädigungsleistungen seitens der Bewirtschafter gewährleistet bleiben.

Insbesondere auf unsere Großgrundbesitzer (Kirchen-/Staatseigentum u.a. unserer christlichen Glaubensgemeinschaften, Kommunen, Länder, Bund) ist dahingehend das Hauptaugenmerk gerichtet, welche riesige Flächenareale vorhalten.

Zwischenzeitlich partizipiert sich fernerhin noch höchst effizient und nicht weniger gierig jene Spezies, die raffsüchtig ausgefuchst sowieso hinlänglich Kapital AN der LW generiert.

In der gesellschaftlichen Mediation wird immer wieder das „tumbe Bäuerlein“ als blumige Metapher -ja schon nahezu als Schimpfwort missbraucht- für die mannigfaltigen Problemfelder bemüht. Sämtliche Themenbereiche entspringen kausal in der medialen Darstellung aus der landwirtschaftlichen Urproduktion und münden mit fatalem Alleinstellungsmerkmal genau da auch wieder. In einer solchen kaum mehr an Scheinheiligkeit zu übertreffenden Debatte hält jeder Bauer rund um die Uhr seinen Kopf hin und alle hämmern darauf auch bereitwillig ein.

Ist in das Bewusstsein von IHNEN allen realiter immer noch nicht vorgedrungen, dass für die derzeitig in Bewirtschaftung stehende LN in Deutschland kaum mehr 50.000 Betriebe ausreichen, um vernünftig bewirtschaften zu können!?

Das entspricht dem Status quo, alles andere ist ablenkender Sermon.

Wie ernst sind meine Worte zu nehmen?

NUN - Die aktuell landesweite Trockenheit, die nicht auf Deutschland begrenzt ist, mündet in ein einzigartiges betriebswirtschaftliches Chaos auf nicht wenigen Höfen. Nicht nur auf unseren Wäldern und Feldern droht höchste Brandgefahr.

Und an Impertinenz kaum mehr zu überbieten, bestehen die öffenlichkeitswirksamen blumigen medialen BEMÜHUNGEN(!!!) unserer berufsständischen Vertretung einzig in der verbalen Beruhigungspille in Richtung Verbraucher, dass die Ernährungssicherheit durchgängig gewährleistet sei und man auch mit keinem Anstieg der Lebensmittelpreise rechnen müsse. Bei einer solchen geistigen Diarrhoe dreht es jedem betroffenen Bauern einfach nur noch den Magen um, mittlerweile so regelmäßig, dass nur noch bitteres Magensekret hochkommt.

Die fatalen ökonomischen Konsequenzen müssen wir als fette Kröte allerdings, zusätzlich zu unseren ohnedies enormen psychischen Belastungen derzeit, obendrein aber schlucken:

Für das WENIGE NICHTS(!!!) wird auch noch BEWUSSTER ERNTEDRUCK erzeugt, der zielgerichtet dahin mündet, dass dieses NICHTS auch noch PERVERS WENIG KOSTET!!!

Man muss kein ausgezeichneter Agrarökonom sein, um sich die heraus resultierenden Szenarien ausmalen zu können, welche katastrophalen Wechselspielchen auf unseren Höfen daraus erwachsen.

Die Gesichter in der Politik sind individuell jederzeit problemlos austauschbar, auch innerhalb der jeweiligen Ministerien. Wer war nochmal Christian Schmidt? - Ach, ja stimmt, der Alleingänger in der damaligen "Glyphosat-Entscheidung". Danach CUT: Schmidt ist heute Geschichte und wir Bauern um nicht ein Problem ärmer!!!
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