Düstere Aufmärsche und derbe Parolen - diese Assoziation drängt sich zuerst auf, wenn es um Rechtsextremismus geht. Doch die Szene hat längst auch ein unauffälligeres Auftreten gefunden: Immer häufiger versuchen rechte Gruppen, unter dem Deckmantel scheinbar harmloser Themen wie Umwelt- und Tierschutz die Gesellschaft zu unterwandern. Ihre wahren Ziele sind dabei nicht immer offensichtlich.
«Naturschutz ist Heimatschutz», heißt es im Parteiprogramm der NPD. Unter der Rubrik «Landwirtschaft und Naturschutz» kritisiert die Partei unter anderem
Gentechnik, die industrialisierte Landwirtschaft und den Vorrang der Wirtschaft vor dem Umweltschutz. Was auf den ersten Blick nach grünen Forderungen aussieht, dient jedoch als Deckmantel für die fremdenfeindliche Ideologie, meinen Experten.
Eine Studie der Heinrich-Böll-Stiftung von 2012 erklärt, wie die Vereinnahmung von Umweltschutz-Themen durch die Rechten funktioniert: «Rechtsextremisten übertragen wirkliche oder vermeintliche Erkenntnisse aus der Naturbeobachtung linear auf menschliche Gesellschaften.» Wenn also von der Verdrängung einheimischer Arten durch die Invasion fremder Spezies die Rede ist, übertragen Rechtsradikale den Prozess oft ohne Zwischenschritte auf die Bevölkerungsstruktur. «Nach diesem Muster versucht auch die NPD heute, scheinrationale Begründungen für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu finden», erläutert die Studie weiter.
«Für Leute, die nicht mit dem Thema vertraut sind, ist das nur schwer zu durchschauen», erklärt Stefanie Lotz, Sprecherin des Umweltministeriums in Rheinland-Pfalz. Ende 2012 sei deshalb die Informationsbroschüre «Naturschutz gegen Rechtsextremismus - eine Argumentationshilfe» erschienen. Diese macht deutlich: Was in NPD- und DVU-Programmen unter den Parolen «Naturschutz ist Heimatschutz», «Deutsche Landschaften sind Kulturlandschaften» und «Ressourcennutzung» läuft, verhüllt lediglich die rechten Thesen von Fremdenhass, Totalitarismus und einer Blut- und Bodenpolitik, die noch aus dem Dritten Reich stammt.
Mit dem Informationsangebot will das Ministerium nach eigenen Angaben Naturschützer und Biolandwirte gegen die Beeinflussung von rechts wappnen. Anlass dazu hätten auch Berichte aus anderen Bundesländern gegeben. Vor allem in Mecklenburg-Vorpommern hatten Rechtsradikale in der Vergangenheit im wahrsten Sinne des Wortes Land gewonnen: Medien berichteten Anfang 2012 darüber, wie braune Öko-Siedler dort Bauernhäuser günstig aufkauften, um unter dem Deckmantel der Bio-Landwirtschaft Gemeinden und Vereine zu unterwandern.
Bundesweite Anbauverbände haben auf diesen Trend reagiert: 2012 änderte Bioland seine Satzung, um Bauern mit rechter Gesinnung aus dem Verband ausschließen zu können. Der Bio-Anbauverband Demeter will nach eigenen Angaben ähnliche Änderungen im April auf den Weg bringen. «Das war eine präventive Maßnahme», sagt Bioland-Sprecher Gerald Wehde in Mainz. «Wir haben noch keinen ausgeschlossen.» Trotzdem habe der Verband seine Erfahrungen mit der rechten Szene gemacht: «Was wir schon gehabt haben, sind Anfeindungen per E-Mail. Kunden, die sagen, wir kaufen nichts mehr bei euch», erklärt Wehde.
2011 zählte der Verfassungsschutz bundesweit 22.400 Rechtsextreme. Dass sie ihre Gesinnung nicht immer offen zur Schau tragen, geht auch aus dem jüngsten Verfassungsschutzbericht für Rheinland-Pfalz hervor: Die NPD versuche, durch seriöses Auftreten und Engagement in scheinbar unpolitischen Gremien - wie etwa Elternbeiräten - ihr Gedankengut im bürgerlichen Lager zu etablieren, heißt es dort. «Durch dieses Vorgehen soll Akzeptanz gewonnen werden, um langfristig zu einem Stück "Normalität" in der Gesellschaft zu werden.» (dpa)