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13.12.2018 | 14:47 | Klimagipfel 

Scharfe Kritik an deutscher Klimapolitik

Kattowitz - Das langwierige Gezerre um den Kohleausstieg und das verpasste Klimaschutz-Ziel machen Deutschland beim UN-Klimagipfel zur Zielscheibe für Umweltschützer.

Klimakonferenz Kattowitz
Deutschland macht auf der Weltklimakonferenz in Polen eine Finanzzusage nach der anderen. Die Bundesregierung sieht sich als Mentor armer Staaten, die unter der Erderwärmung am meisten leiden. Doch Umweltschützer geben ihr trotzdem schlechte Noten. (c) Miriam Böttner - fotolia.com
Die Bundesrepublik könne keine treibende Rolle spielen, weil die Glaubwürdigkeit nicht mehr so groß sei, sagte Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan der Deutschen Presse-Agentur im polnischen Kattowitz (Katowice). «Es ist keine gute Klimakonferenz für Deutschland.» Auf dem Gipfel, der Freitag enden soll, beraten Vertreter aus fast 200 Staaten darüber, wie die Erderwärmung auf maximal zwei Grad begrenzt werden kann. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) verteidigte am Mittwoch ihre Klimapolitik und warnte vor Protesten wie die der «Gelbwesten» in Frankreich, wenn die Politik nach dem Kohleausstieg den Kumpeln keine Perspektiven aufzeige.

Lob für Deutschland gab es in Kattowitz sogar von der UN, weil es Geld für Klimaschutz in Entwicklungsländern gibt. Dies erkannte auch Christiane Averbeck von der Klima-Allianz an. Aber die Verleihung des Negativ-Preises «Fossil des Tages» vergangenen Freitag auf der Konferenz ist aus ihrer Sicht trotzdem gerechtfertigt. «Deutschland kam mit leeren Händen», sagte sie. Es fehle ein Kompromiss für den Ausstieg aus der klimaschädlichen Stromproduktion aus Kohle und ein Plan, das Klimaschutz-Ziel 2020 möglichst bald zu schaffen. Seit zehn Jahren tue sich beim Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) im Verkehr nichts.

Die Bundesregierung machte am Mittwoch die dritte Finanzzusage anlässlich der Klimakonferenz. Weitere 68 Millionen Euro sollen in ein Programm fließen, dass Entwicklungsländer beim Erstellen und bei der Umsetzung ihrer Klimaschutzpläne hilft. 1,5 Milliarden will Deutschland für den Grünen Klimafonds zahlen, 70 Millionen für die Anpassung armer Länder an Wetterextreme wie Hitze, Dürre oder Starkregen, die als Folge des Klimawandels häufiger werden.

Es gehe in Kattowitz nicht nur ums Geld, sagte Ann-Kathrin Schneider von der Umweltschutz-Organisation BUND. «Die erneuten finanziellen Zusagen wirken eher wie eine Verlegenheitsgeste, um vom Zögern der Bundesregierung beim Kohleausstieg abzulenken.» Michael Schäfer vom WWF sagte, Deutschland habe eine «gespaltene Persönlichkeit» im Kampf gegen die Erderwärmung: «In Kattowitz streitet sie engagiert für ein gutes Regelwerk für das Paris-Abkommen, gleichzeitig bekämpft Deutschland in der EU wie Polen und Ungarn ambitionierte Klimaschutz-Maßnahmen und Ziele.»

Schulze dagegen verteidigte das mühsame Ringen um Klimaschutz und Kohleausstieg in Deutschland. «Wer glaubt, man könne Klimaschutz-Maßnahmen einfach so durchdrücken, ohne Rücksicht auf Verluste, der wird die Akzeptanz in der Bevölkerung schneller verlieren, als man Klimaschutz buchstabieren kann», sagte sie. Wenn sich die Menschen dann wie Frankreich gelbe Westen anzögen und es riesige Proteste gebe, sei der Sache auch nicht gedient. In den Verhandlungen in Polen sei Deutschland «sehr, sehr anerkannt» und gelte Deutschland als Brückenbauer etwa zwischen den vom Klimawandel besonders bedrohten Staaten und Hardlinern am Verhandlungstisch.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres hob die deutschen Finanzzusagen als «gutes Zeichen» hervor. Er hoffe, dass andere sich dazu inspirieren ließen, das gleiche zu tun. Guterres mahnte das Plenum der Verhandler, darunter viele Staats- und Regierungschefs, an einem Strang zu ziehen und Kompromisse einzugehen. «Das bedeutet, Opfer zu bringen, aber wird uns allen gemeinsam nutzen», sagte er.

Bei den zweiwöchigen Verhandlungen geht um drei große Themen: Erstens um Regeln für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, das zum Ziel hat, die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Das Regelwerk soll sicherstellen, dass Staaten ihre Pläne und Fortschritte im Klimaschutz vergleichbar und transparent darstellen, um Vertrauen zu schaffen. Zweitens um Finanzhilfen der reichen Staaten für die ärmeren. Drittens pochen Klimaschützer auf klare Zusagen der Staaten, dass sie im Jahr 2020 ehrgeizigere Klimaschutz-Ziele vorlegen.

Viele Fragen sind noch heftig umstritten. Ein Beispiel: Länder, die unter den Folgen des Klimawandels besonders leiden, wollen Schäden und Verluste im Regelwerk an prominenter Stelle sichtbar machen. Dadurch werde die Verantwortung der Länder mit großem Treibhausgas-Ausstoß sichtbarer, sagte Sabine Minninger von Brot für die Welt. Andere Staaten, darunter Deutschland, sehen das Thema Verluste und Schäden als Unterpunkt des Bereichs Klimaanpassung.

Umstritten ist auch, wie im Abschlusspapier mit dem vielbeachteten Bericht des Klimarats zu den Risiken und Chancen einer Erderwärmung von 1,5 Grad umgegangen werden soll. Harjeet Singh von der Organisation ActionAid sagte, die EU müsse eine Führungsrolle übernehmen, halte sich aber zurück. «Kein Problem ist gelöst. Wir stehen genau da, wo wir vor ein paar Tagen auch standen.»
dpa
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