In der traditionellen Fragestunde des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten (
VDAJ) vor der Internationalen Grünen Woche (
IGW) äußerte Klöckner zwar teilweise Verständnis für die von einigen Ländern vorgebrachte Kritik an der geplanten Neuregelung; es gelte jedoch, die Folgen eines möglichen Scheiterns zu bedenken.
„Wir stehen am Ende eines juristischen Prozesses“, erklärte die Ministerin. Sollte die Europäische Kommission zu dem Ergebnis gelangen, dass Deutschland die geforderten strengeren Anforderungen nicht umsetze, drohe eine Verurteilung in einem Zweitverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (
EuGH) mit empfindlichen Geldbußen von mehr als 800.000 Euro am Tag. Jeder könne sich ausmalen, was das neben den finanziellen Folgen für den Bundeshaushalt, für das Image der Landwirtschaft und die weitere
Diskussion über deren Zukunft bedeute.
Klöckner rief die Länder dazu auf, ihre Nitratmessstellennetze zu überprüfen und vergleichbare Bedingungen zu schaffen. „Wir brauchen mehr Transparenz und Plausibilität in der Ausweisung der Roten Gebiete“, betonte die CDU-Politikerin. Dafür sei eine stärkere Binnendifferenzierung unverzichtbar.
Viel zu pauschale AusweisungZuvor hatte auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV),
Joachim Rukwied eine viel zu pauschale Ausweisung der Roten Gebiete kritisiert und die Länder zum Handeln aufgerufen.
Rukwied erinnerte daran, dass der
Bauernverband seine Kritik an den geplanten neuen Düngeregeln seit mehr als einem Jahr vorbringe. Die Lösung sieht er gleichwohl nicht in einer fortgesetzten Konfrontation.
„Wir brauchen einen Kompromiss“, betonte der DBV-Präsident. Kritisch zum Verordnungsentwurf äußerten sich neben dem rheinland-pfälzischen FDP-Landwirtschaftsminister Dr. Volker Wissing auch seine Amtskolleginnen aus Bayern und Niedersachsen, CSU-Ministerin Michaela Kaniber und Barbara Otte-Kinast von der CDU. Aller Voraussicht nach wird sich der
Agrarausschuss des Bundesrates am 14. Februar mit der Vorlage befassen, die zuvor vom Kabinett beschlossen werden muss. Die Entscheidung über die
Düngeverordnung soll in der Bundesratssitzung am 3. April 2020 fallen.
Keine Planungssicherheit„Die Düngeverordnung in ihrer jetzigen Form ist nicht praxistauglich“, erklärte Wissing am Dienstag vergangener Woche (14.1.) am Rande des Pfälzer Weinbautages in Neustadt an der Weinstraße und kündigte an, der Novelle im
Bundesrat die Zustimmung zu verweigern. Er warf der Bundesregierung vor, sie gefährde mit ihren Plänen die Existenz der Bäuerinnen und Bauern.
„Wer den ländlichen Raum stärken möchte, der sollte den Landwirten nicht ihre Existenzgrundlage entziehen“, betonte der FDP-Politiker und beklagte fehlende Planungssicherheit: „Kein Landwirt weiß, wie er im Frühjahr düngen soll.“
Unabhängig davon brachten die Liberalen einen Antrag in den
Bundestag ein, in dem ein
Moratorium in den Beratungen über die Düngeverordnung sowie das Agrarpaket gefordert wird. Der agrarpolitische Sprecher der Liberalen im Bundestag, Dr. Gero Hocker , warf der Bundesregierung vor, mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf den zugesagten „ergebnisoffenen Agrardialog“ zu untergraben.
„Ein solcher Dialogprozess wird unglaubwürdig, wenn er als reines Ablenkungsmanöver missbraucht wird“, so Hocker. Die FDP fordere „ein echtes Moratorium“. Nur so könnten gemeinsam mit den Landwirten sachlich fundierte Lösungen entwickelt werden.
Sachkenntnis der Bauern ernst nehmenBayerns
Agrarministerin Kaniber drohte ebenfalls mit einer Ablehnung der Novelle, sollten nicht praxisgerechte und für die Landwirtschaft tragfähige Lösungen erreicht werden. Die CSU-Politikerin erwartet, „dass mit dem nötigen Nachdruck und Verhandlungsgeschick der Bund und die EU noch Möglichkeiten für Verbesserungen bei der Düngeverordnung finden werden“.
Die Sachkenntnis der Bauern müsse ernst genommen werden. Einige der vorgesehenen Maßnahmen widersprächen jeder guten fachlichen Praxis, ohne dass sie sich positiv auf den Umwelt- und
Wasserschutz auswirkten. Zuvor hatte sich bereits der Vorstand der CSU-Landtagsfraktion für eine Korrektur des Verordnungsentwurfs ausgesprochen. Die Vorlage sei sowohl aus pflanzenbaulicher als auch aus ökologischer Sicht „in Teilen nicht ausgewogen“.
Nicht im praktischen Vollzug umsetzbarÄnderungen am Referentenentwurf fordert auch die niedersächsische Landesregierung. Die geplanten Änderungen an der Düngeverordnung seien „zum Teil nicht zielgenau, kontrollierbar oder im praktischen Vollzug umsetzbar“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von
Landwirtschaftsministerium und Umweltministerium in Hannover. Im Einzelnen verlangen die beiden Häuser eine Verpflichtung für die
Betriebe, den bei ihnen anfallenden
Wirtschaftsdünger zu dokumentieren.
Mit der bislang vorgesehenen Streichung des Nährstoffvergleichs fehle ein wichtiges Instrument für ein landesweites Monitoring der Emissionssituation. Erforderlich sei daneben eine stärkere Verwirklichung des Verursacherprinzips bei der Ausweisung Roter Gebiete. Dafür müsse es möglich sein, Daten zur Abgrenzung der Gebietskulissen auf Gemeindeebene zu verwenden, oder sogar solche, die auf Betriebsebene der jeweiligen Landwirte gewonnen würden.
Zudem wird verlangt,
Dauergrünland von der Pflicht zur Düngereduzierung um 20 % auszunehmen. Schließlich müssten Verfahren für eine trinkwasserschutzfördernde Bewirtschaftung besser gestellt werden.
Differenziertes Vorgehen zwingend erforderlichDer Deutsche Bauernverband bekräftigte seine Forderung nach einer Überprüfung des Nitratmessstellennetzes und einer genauen Abgrenzung sensibler Gebiete im Rahmen des Düngerechts. Die präzise und regional differenzierte Darstellung der Grundwasserqualität sei sowohl das Fundament einer zielgerichteten Düngepolitik als auch „ein wichtiger Baustein für dieAkzeptanz des Gewässerschutzes in der Landwirtschaft“, betonte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken in einem Schreiben an die Amtschefs der Länder. Darin bezeichnet Krüsken ein differenziertes Vorgehen bei der Umsetzung verschärfter Düngeauflagen als „zwingend erforderlich“.
Keinesfalls kollidiere dies mit europäischen Vorgaben, sondern werde von der
EU-Kommission sogar angeregt und unterstützt. Im Rahmen der anstehenden Novelle der Düngeverordnung seien die Länder gefordert, anstelle der „roten Grundwasserkörper“ die Einzugsgebiete der „roten Messstellen“ als Maßstab und Grundlage für weiterführende Regelungen der Düngung heranzuziehen
Konzertiertes Messstellen-Überprüfungsprogramm notwendig Alternativ würde laut Krüsken eine verpflichtende Binnendifferenzierung im Rahmen der Düngeverordnung zu einer angemessenen Fokussierung der Maßnahmen führen. Ein Verzicht auf eine Binnendifferenzierung, wie er von einigen Ländern gefordert werde, würde seiner Auffassung nach nicht nur zu einer Übermaßregelung führen, sondern auch zu Lasten der Genauigkeit beim
Grundwasserschutz gehen.
Der Generalsekretär appellierte an die Amtschefs, ein „konzertiertes Messstellen-Überprüfungsprogramm“ auf den Weg zu bringen. Zum einen müsse das Messnetz breiter und repräsentativer werden. Zum anderen gebe es Informationen, dass in vielen Regionen die Zahl der nutzbaren Messstellen weitaus größer sei als im aktuell genutzten Messnetz. Fachliche Argumente und öffentlicher Druck Die Landesbauernverbände äußerten zum Teil scharfe Kritik an der Düngepolitik der Bundesregierung.
Der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV),
Walter Heidl, bezeichnete die Vorschläge der Bundesregierung als inakzeptabel. „Nötig ist jetzt beides: fachliche Argumente und öffentlicher Druck“, so Heidl. Gemeinsam werde man sich „mit allen Mitteln gegen die praxisfernen Vorschläge zur Wehr setzen“.
Auch die Präsidenten des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (
WLV) und des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV),
Johannes Röring und Bernhard Conzen, mahnten deutliche Korrekturen an. Für Röring sind die Düngevorschläge „vielleicht gut gemeint, aber nicht gut gemacht“.
Kernforderungen seien ein Verzicht auf eine Unterdüngung von Pflanzen in nitratsensiblen Gebieten, keine Einschränkungen für die Düngung in nicht nitratbelasteten Gebieten, die Streichung des Verbots der Düngung von Zwischenfrüchten in nitratbelasteten Gebieten, keine Restriktionen bei der Düngung entlang von Gewässern in Hanglagen sowie Zurückhaltung bei der Einführung neuer Dokumentationspflichten.
Kein ÄnderungsbedarfDer Präsident vom
Landvolk Niedersachsen, Albert Schulte to Brinke , hält eine erneute Verschärfung zu diesem Zeitpunkt für nicht angebracht, nachdem die erst 2017 novellierte Düngeverordnung bereits zu einer erheblichen Reduzierung der früheren Überschüsse in der Stickstoffbilanz geführt habe.
Das Landvolk lehnt wesentliche Teile des Referentenentwurfs ebenso ab wie der Bauern- und Winzerverband (BWV) Rheinland-Nassau. BWV-Präsident Michael Horper begrüßte zugleich die Aufforderung von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner an die rheinland-pfälzische Landesregierung, das Messstellennetz zu aktualisieren sowie repräsentativer und verursacherbezogener zu gestalten.
Zeitgemäße Techniken statt pauschale RestriktionenDer Deutsche
Raiffeisenverband (
DRV) zeigt sich in seiner Stellungnahme unzufrieden mit den vorgesehenen pauschalen Restriktionen bei der Düngung wie beispielsweise einer 20-prozentigen Unterdüngung in den Roten Gebieten. Diese Regelung stehe im Widerspruch zur guten fachlichen Praxis im
Pflanzenbau, ohne dass hiermit zusätzliche positive Auswirkungen auf den Umwelt- und Wasserschutz zu erwarten seien.
Daneben wendet sich der Raiffeisenverband unter anderem gegen ein Einarbeitungsgebot für Ammoniumnitrat-Harnstoff-Lösung-(AHL)-Dünger sowie ein generelles Verbot der Andüngung von Zwischenfrüchten in Roten Gebieten. Gefordert werden unter anderem eine Bagatellschwelle für Mikronährstoffdünger, praxisgerechte Aufzeichnungsfristen sowie Ausnahmenregelungen für das Ausbringen von Ernterückständen. Statt auf pauschale Restriktionen müsse die Bundesregierung auf zeitgemäße Techniken setzen.