Gemäß des am Dienstag vorletzter Woche (27.12.) beschlossenen und bereits am Tag darauf im Staatsanzeiger veröffentlichten Gesetzesdekrets wird die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel wie Brot, Milch, Käse, Obst, Gemüse oder Getreide ab dem 1. Januar 2023 für sechs Monate von bisher 4 % auf 0 % gesenkt.
Für pflanzliche Öle und Teigwaren wird der Mehrwertsteuersatz von 10 % auf 5 % halbiert. Sollte aber die Kerninflation, also die
Teuerungsrate ohne Energie und Lebensmittel, im März unter 5,5 % sinken, wird die Entlastung bereits zum 1. Mai 2023 aufgehoben. Im November lag die Kerninflation bei 6,3 %.
Regierungschef Pedro Sánchez begründete die Maßnahme bei einer Pressekonferenz mit den besonders bei
Lebensmitteln zu beobachtenden Preissteigerungen. Grundnahrungsmittel wie Mehl, Butter und Zucker hätten sich im Vergleich zum Vorjahr um fast 40 % verteuert.
Klargestellt wird in dem Dekret, dass die Senkung des Steuersatzes „in vollem Umfang“ den Verbrauchern zugutekommen müsse. Es wird angekündigt, dass es ein System zur
Überwachung der Preisentwicklung geben werde, unabhängig von den Maßnahmen, die die Nationale Kommission für Märkte und Wettbewerb (CNMC) durchführe.
Weitergabe zugesagt
Landwirtschaftsminister Luis Planas betonte, die Regierung werde darauf achten, dass die
Ernährungsindustrie und der Handel die Steuersenkung nicht zur Erhöhung ihrer Gewinnspannen nutzten. Der Agrar- und Ernährungssektor und der Vertrieb hätten zugesagt, die Steuerersparnis an die Verbraucher weiterzugeben.
„Wir vertrauen auf das Wort des Sektors, aber wir werden wachsam sein, um sicherzustellen, dass dies der Fall ist“, so Planas. Neben der Mehrwertsteuersenkung beschloss die Regierung bei ihrer letzten Sitzung in diesem Jahr außerdem, den einkommensschwächsten Familien eine Unterstützung von 200 Euro zu gewähren. Voraussetzung für den Erhalt dieser Einmalzahlung ist ein Bruttoeinkommen von weniger als 27.000 Euro.
Mit den jüngsten Beschlüssen erhöhen sich die Gesamtkosten der Maßnahmen, die die Regierung von Premierminister Sánchez in diesem Jahr ergriffen hat, um den Spaniern bei der Bewältigung der stark gestiegenen Energie- und Lebensmittelkosten zu helfen, auf schätzungsweise rund 45 Mrd Euro.
Viel Arbeit für den Handel
Die Senkung der Mehrwertsteuer stieß im Handel auf ein geteiltes Echo. Grundsätzlich wurde die Maßnahme begrüßt, jedoch die Kurzfristigkeit des Inkrafttretens beklagt. Die Mehrwertsteuersenkung stelle eine erhebliche Herausforderung für die Supermärkte dar, hieß es seitens Branchenvertretern. Es wurde darauf verwiesen, dass die Preise für tausende von Produkten in insgesamt rund 20.000 Geschäften geändert werden müssten.
„Viele Menschen werden in der Silvesternacht arbeiten müssen“, so ein Mitarbeiter einer Supermarktkette. Derweil fühlen sich die Hersteller und Anbieter von Fleisch und Fisch sowie Joghurt und Honig diskriminiert, da für diese Produkte die Mehrwertsteuer nicht gesenkt worden ist.
Der Arbeitgeberverband der
Fleischwirtschaft (Anafric) beklagte, dass die lokalen Geschäfte einschließlich Metzgereien und Feinkostläden am meisten unter der Krise zu leiden hätten. Es werde immer weniger gekauft, „weil sich die Familien kein Fleisch mehr leisten können“. Die Steuersenkung hätte deshalb für alle
Lebensmittel gelten müssen.
Warnung vor Gesundheitsfolgen
Zusammen mit weiteren Verbänden der Agrar- und
Ernährungswirtschaft, darunter der große
Bauernverband COAG und der Verband der Milchindustrie (INLAC), verwies Anafric außerdem auf den Stellenwert von Fleisch, Joghurt und Honig in der mediterranen Ernährung. Nur wenn die Abgaben auch auf diese Produkte gesenkt würden, könnten sich die Familien „gesund, vielfältig und ausgewogen“ ernähren.
Auch der Generalsekretär des spanischen Fischereiverbandes (Cepesca), Javier Garat, warnte vor Veränderungen der Ernährungsweise infolge der Steuersenkung. Ein Rückgang des Verzehrs von Fischereiprodukten habe Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung. Außerdem monierte Garat, dass die Regierung nicht erkenne, dass Fisch ein Grundnahrungsmittel sei, das tierisches Eiweiß mit dem kleinsten Kohlenstofffußabdruck liefere.
Teuerung von gut 15 Prozent
Im vergangenen Monat mussten die Spanier für Lebensmittel im
Schnitt 15,3 % mehr zahlen als im November 2021. Damit fiel die Teuerungsrate bei den Nahrungsgütern mehr als doppelt so hoch aus wie die allgemeine Inflationsrate, die sich auf „nur“ 6,8 % belief. Besonders stark legten die Preise für Milch mit 38 % und Eier mit 27 % zu.
Teigwaren verteuerten sich um 21,5 %, Kartoffeln und Käse um jeweils fast 20 %. Weniger stark fielen die Aufschläge bei Brot mit 14,9 % und für Gemüse ohne Tiefkühlware mit 14 % sowie für Frischobst mit 9 % aus.