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10.06.2022 | 00:44 | Ampel-Koalition 

Streit um mögliches Aus für Verbrenner-Autos

Berlin / Stuttgart - In der Ampel-Koalition gibt es Krach um die Haltung zu einem möglichen Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 auf EU-Ebene.

Verbrennerfahrzeuge
Nach dem Willen des EU-Parlaments soll es künftig keine Neuwagen mit Verbrennermotor mehr geben. Deutschland und andere Länder müssen sich positionieren. In Berlin prallen die Ansichten aufeinander. (c) proplanta
Verkehrsminister Volker Wissing und Finanzminister Christian Lindner (beide FDP) lehnten ein Verbot am Donnerstag in Berlin ab. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums stellte hingegen fest: «Die Bundesregierung unterstützt vollumfänglich den Vorschlag der Kommission und des Europäischen Parlaments, ab 2035 neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge nur noch mit Nullemissionsantrieben zuzulassen.» Offen ist nun, wie Deutschland auf EU-Ebene abstimmen wird.

Die Politik müsse die Weichen stellen, um die eigenen Klimaziele glaubhaft erreichen zu können, so der Sprecher von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne). In einem dekarbonisierten Energiesystem sei die direkte Nutzung von erneuerbarem Strom in E-Antrieben im Regelfall mit Abstand am effizientesten und wirtschaftlichsten. Auch die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» zitierte aus der Ministeriumsstellungnahme.

Das EU-Parlament will den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbieten. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Mittwoch in Straßburg dafür, dass Hersteller ab Mitte des nächsten Jahrzehnts nur noch Autos und Transporter auf den Markt bringen dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen. Bevor eine solche Regelung in Kraft treten kann, muss aber das Parlament noch mit den EU-Staaten darüber verhandeln.

Wissing sagte, die Entscheidung des EU-Parlaments zum Verbrennungsmotor «findet nicht unsere Zustimmung». Das Aus bedeute für die Bürgerinnen und Bürger einen harten Schritt. Am Verbrenner hingen viele Arbeitsplätze. «Wir wollen, dass auch nach 2035 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor neu zugelassen werden können, wenn diese nachweisbar nur mit E-Fuels betankbar sind», sagte Wissing. «Eine Zulassung von klimaneutralen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor entspricht dem wichtigen Prinzip der Technologieoffenheit.»

Lindner sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Beschluss des Europäischen Parlaments widerspreche dem Geist des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP. «Wir wollten ausdrücklich eine Zukunftsoption für klimafreundliche Flüssigkraftstoffe in neuen Verbrennungsmotoren.» Deshalb müsse die gesamte Bundesregierung nun «Änderungen für Technologieoffenheit anstreben». Sonst sei eine Zustimmung Deutschlands nicht vorstellbar.

Die Abgeordneten des EU-Parlaments sprachen sich dafür aus, dass klimafreundliche synthetische Kraftstoffe nicht positiv auf die neuen CO2-Flottengrenzwerte angerechnet werden sollen. Mit diesen könnte ein klassischer Verbrenner klimaneutral betrieben werden. Kritiker befürchten jedoch, dass es von dem «grünen» Kraftstoff schon zu wenig für Luft- und Schifffahrt gibt, die weniger leicht als Autos oder Transporter elektrisch betrieben werden können.

Umweltministerin Lemke hatte sich im März in Brüssel im Namen der Bundesregierung ausdrücklich hinter die im vergangenen Jahr verschärften Klimaziele der EU-Kommission gestellt. Das bedeute, mit Verbrennermotoren bei Pkw und Transportern bis 2035 abzuschließen, sagte sie bereits damals.

Zudem hatte sie erklärt: «Mit E-Fuels betriebene Verbrennungsmotoren sind nach 2035 nur außerhalb der CO2-Flottengrenzwerte eine Option.» Diese besagen, wie viel CO2 die von Herstellern neu gebauten Autos und Transporter ausstoßen dürfen.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte: «Je früher wir in Europa den Umstieg schaffen und uns aus der Abhängigkeit teurer fossiler Energie lösen, desto besser stehen wir im globalen Wettbewerb da.» Es gebe im Koalitionsvertrag die klare Vereinbarung, auf europäischer Ebene zu unterstützen, dass ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden dürfen: «Für Deutschland muss dies entsprechend früher gelten.»

Die SPD nannte ein Verbrennerverbot 2035 zwar «herausfordernd», wie Fraktionsvize Detlef Müller sagte. «Aber es ist umsetzbar.» Anders die CSU. Ihr Bundestags-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnte: «Dem Verbrenner-Motor in Europa die Zukunftsperspektive zu nehmen, ist ein schwerer Fehler.»

Kritik kam auch vom Verband der Automobilindustrie. Präsidentin Hildegard Müller sprach von einer Entscheidung des EU-Parlaments «gegen die Bürger, gegen den Markt, gegen Innovation und gegen moderne Technologien». Der ARD sagte sie zudem, synthetische Kraftstoffe seien wichtig, damit die Autos, die bereits im Markt sind, weniger klimaschädlich betrieben werden könnten.

Die großen Automobilhersteller VW und Mercedes-Benz zeigten sich hingegen aufgeschlossen. Es sei ein «ambitioniertes, aber erreichbares Ziel» formuliert worden, hieß es bei VW. «Die Wende zur Elektromobilität ist unumkehrbar. Sie ist die ökologisch, technologisch und wirtschaftlich einzig sinnvolle Möglichkeit, um Verbrennungsmotoren schnellstmöglich zu ersetzen.»

Der Autohersteller Mercedes-Benz begrüßte grundsätzlich das Votum der EU-Abgeordneten: «Bis 2030 sind wir bereit, überall dort vollelektrisch zu werden, wo es die Marktbedingungen zulassen», sagte der Leiter des Bereichs Außenbeziehungen, Eckart von Klaeden.

Umweltorganisationen begrüßten das Votum des EU-Parlaments zumeist. So sagte BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg, der Verbrennungsmotor sei ein Auslaufmodell, das müsse nun allen Beteiligten klar sein. Der Deutschen Umwelthilfe geht die Maßnahme nicht weit genug, sie fordert ein Verbrenner-Aus schon ab 2030.
dpa
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