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25.11.2021 | 19:23 | Personalquerelen  

Tauziehen ums grüne Regierungsteam

Berlin - Wegen anhaltender Personaldiskussionen verzögert sich die Urabstimmung der Grünen über Koalitionsvertrag und Regierungsmannschaft um einen Tag.

Grünes Regierungsteam
Geschlossen und hoch diszipliniert: So haben sich die Grünen in den letzten Jahren präsentiert. Ausgerechnet auf den letzten Metern zur Regierungsbeteiligung verheddert sich die Partei. (c) Bündnis 90 - Die Grünen
«Ein bisschen müsst ihr noch warten», sagte Grünen-Chef Robert Habeck am Donnerstag in Berlin bei einem sogenannten Bund-Länder-Forum. Bei der Veranstaltung warben Parteiführung und Unterhändler für den mit SPD und FDP ausgehandelten Koalitionsvertrag, über den nun die 125.000 Parteimitglieder abstimmen sollen - und zwar anders als geplant nicht schon am Donnerstag, sondern erst am Freitag.

Die Veranstaltung im Berliner Westhafen, wo am Tag zuvor die Ampel-Parteien ihren Koalitionsvertrag vorgestellt hatten, sollte eigentlich den Startschuss geben für die zehntägige Urabstimmung. Doch das Personaltableau vor allem zur Besetzung grüner Kabinettsposten war nicht rechtzeitig fertig. Wegen Personalquerelen sollte es erst am Donnerstagabend nach der Veranstaltung festgezurrt werden.

Zu hören ist, dass linker Flügel und Realos, einander unter den Parteichefs Habeck und Annalena Baerbock bisher weitgehend in Einigkeit verbunden, in den Haaren liegen. Denn die so heiß ersehnte Rolle als Regierungspartei bringt ein Problem, vor dem die Grünen viele Jahre gar nicht standen: Die Aufteilung eines überschaubaren Kuchens an Regierungsämtern.

Das Auswärtige Amt sollen die Grünen besetzen, das neue Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Familienministerium, das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz sowie das Agrarressort, dazu dürfen sie noch den Staatsminister für Kultur und Medien stellen. Nun verstolpern die gern so staatstragend auftretenden Grünen den Start in die neue Rolle als Regierungspartei.

Der linke Flügel wehrt sich gegen die geplante Besetzung eines Kabinettspostens mit dem Realo Cem Özdemir, die am Ende den linken Fraktionschef Anton Hofreiter das erhoffte Ministeramt kosten könnte. Dass Hofreiter ins Kabinett einziehen würde, galt lange als sicher.

Doch nun steht das in Frage - am eloquenten Ex-Parteichef Özdemir, mit 40 Prozent in seinem Stuttgarter Wahlkreis bundesweit grüner Erststimmenkönig bei der Bundestagswahl, komme man nicht vorbei, argumentieren seine Unterstützer. Zumal er einer der wenigen Spitzen-Grünen mit Migrationshintergrund ist.

Der baden-württembergische Finanzminiter Danyal Bayaz wurde auf Twitter deutlich: «Ich kann mir kein Kabinett mit grüner Beteiligung vorstellen, in dem Cem Özdemir nicht dabei ist. Und ich denke: so geht es den allermeisten in diesem Land.»

Die Grünen müssen traditionell mindestens zwei mehr oder weniger verbindliche Quoten miteinander vereinbaren: Die Ausgewogenheit beider Flügel und die gleiche Repräsentanz von Frauen und Männern. Deshalb ist schwer vorstellbar, dass Hofreiter und Özdemir beide ins Kabinett ziehen.

Dann wären von fünf Ministerposten mindestens drei mit Männern besetzt - schwer vorstellbar in einer Partei, bei der die Vorfahrt für Frauen so tief in den Statuten verankert ist. Baerbock und Habeck sind beide Realos. Es bräuchte also mutmaßlich linke Frauen. Das Problem war, da Habeck und Baerbock von Anfang an als gesetzt galten, absehbar.

Baerbock kam in ihrer Rede, die inhaltlich sehr von ihrer absehbaren neuen Rolle als Außenministerin geprägt war («Außenpolitik ist immer Weltinnenpolitik»), auf das Zerwürfnis zu sprechen. Wer Veränderung und mehr als den kleinsten gemeinsamen Nenner wolle, müsse über den eigenen Schatten springen, sagte sie zum Koalitionsvertrag.

«Und ehrlich gesagt haben wir das vor vier Jahren auch in unserer Partei angelegt» - vor knapp vier Jahren übernahmen Baerbock und Habeck gemeinsam die Führung der Grünen. Damals habe man deutlich gemacht: «Das ist erst der Anfang. Wagen wir etwas Neues. Denken wir nicht nur in unseren parteipolitischen Strukturen, in Flügellogiken, in dem «Wenn der Eine was gibt, dann gebe ich auch was».»

Hofreiter selbst ließ sich am Donnerstag bei seinem Redebeitrag nichts anmerken. Er machte sich gewohnt leidenschaftlich für ehrgeizigeren Umwelt- und Klimaschutz stark - vielleicht klang bei diesem Fokus auf das Lebensthema des studierten Biologen aus Bayern ein wenig trotzige Entschlossenheit mit. Hofreiter warnte vor dem Artensterben als «zweiter großer ökologischer Krise».

«Manche meinen, da geht es nur um ein paar Kaulquappen, um ein paar Schmetterlinge.Nein, da geht es um die Grundlagen unseres eigenen Lebens», betonte Hofreiter. Das gelte es mit der gleichen Entschlossenheit anzugehen wie die Klimakrise. Der Koalitionsvertrag lege die Grundlagen dafür.

Habeck sagte in seiner Rede zur Stimmung zum Ende der Ampel-Koalitionsverhandlungen: «Euphorie, Glück, Begeisterung, das habe ich nirgendwo festgestellt.» Die Corona-Pandemie habe das Land im Griff, die Lage sei dramatisch. «Wir starten möglicherweise diese Regierung in der schwersten Gesundheitskrise, die Deutschland je hatte.» Habeck sprach von «Aufbruchsmut und kämpferischer Stimmung». Er meinte die Pandemie.
dpa
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