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20.06.2021 | 10:30 | Neuausrichtung 

Überfällige Modernisierung beim Bauernverband Baden-Württemberg

Fellbach - Die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der Verbandsarbeit hat der Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg (LBV), Marco Eberle, betont. Dafür seien Zeit und Ausdauer notwendig, und es werde kein Sprint- sondern ein Langstreckenlauf sein, erklärte Eberle auf der digital ausgerichteten 30. Mitgliederversammlung am Dienstag voriger Woche (15.6.) in Fellbach.

Verbandsarbeit
(c) proplanta
Die Digitalisierung der Verbandsarbeit müsse dabei als Chance ergriffen und verstetigt werden. Infolge dieser „überfälligen Modernisierung“ müssen laut dem LBV-Hauptgeschäftsführer Strukturen und Prozesse hinterfragt werden. Mit der fortschreitenden Digitalisierung könnten sich öfter und intensiver ausgetauscht, ein besserer Informationsstand bei Mitgliedern, aber auch Mitarbeitern erreicht und eine argumentativ bessere und schnellere Aufstellung erlangt werden. Insbesondere die junge Generation erwarte schnellere Antworten und direktere Informationen und Knowhow, so Eberle.

LBV-Präsident Joachim Rukwied erklärte, dass sowohl die Kommunikation mit der Politik als auch die interne Kommunikation ausgebaut werden müssten. Er sicherte zu, die Mitglieder intensiver einbinden zu wollen. Das sei wichtig und notwendig. Der LBV setze dabei auch auf die jüngere Generation. Der Verbandspräsident appellierte an diese, sich einzubringen. „Es geht um Ihre Zukunft“, betonte Rukwied. Er untermauerte zudem den Wunsch, dass sich mehr Frauen im Verband engagieren. „Wir brauchen Sie. Das macht uns stärker“, so der LBV-Präsident.

Chancen und Grenzen

Eberle wies darauf hin, dass digitale Kommunikation mehr als Facebook, Twitter oder Instagram sei. Damit sei eine völlig andere Arbeitsweise verbunden. Neben den vielen Chancen der Digitalisierung gebe es aber auch unverkennbar Grenzen, stellte der LBV-Hauptgeschäftsführer fest. Das gemeinsame Diskutieren am Tisch, das Zusammentreffen und Erörtern in Gremien und Versammlungen sowie Gespräche unter Kollegen könnten durch die digitalen Formate bei weitem nicht ersetzt werden. Auch die Verbundenheit der Mitglieder mit ihrem Verband erfolge durch den persönlichen Kontakt. Dieser sei derzeit wichtiger denn je. Gerade in so agrarpolitisch bewegten Zeiten müsse mit der Basis noch intensiver diskutiert und die Positionen und Hintergründe der Arbeit offensiv und transparent erklärt werden.

Der Druck zur Veränderung in der Tierhaltung und im Pflanzenbau sei hoch und steige weiter. Gleichzeitig seien die finanziellen Spielräume der landwirtschaftlichen Betriebe gering, die bürokratische Belastung hoch und die rechtlichen Vorgaben erdrückend, erklärte Eberle. Das bringe viele Landwirte an die Grenze des Leistbaren, und Entwicklungsperspektiven seien häufig schwer erkennbar.

Botschaften richtig platzieren

 Mit Blick auf die Aktivitäten des Berufsstandes stellte Eberle klar, dass der Bauernverband brisante politische Diskussionen und daraus resultierende Gesetzesvorhaben immer auch mit zielgerichteten Aktionen und Kampagnen begleite.

Als Beispiel verwies er auf den mit rund 90.000 Stimmen erfolgreichen Volksantrag „Gemeinsam unsere Umwelt schützen“ der beiden Bauernverbände in Baden-Württemberg anlässlich des Volksbegehrens „Rettet die Biene“. Aktionen und Kampagnen seien ein wichtiges Instrument der Verbandsarbeit. Wenn diese aber falsch terminiert und mit unklaren oder radikalen Botschaften beinhaltet seien, könnten sie das Bild der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit auch erheblich belasten, gab der LBV-Hauptgeschäftsführer zu bedenken. In der Folge könne dies die Verhandlungsposition der Landwirtschaft gegenüber der Politik schwächen. Zudem seien sie nicht das einzige Mittel der Wahl. „Am Ende wird immer am Tisch entschieden. Und dort müsse fachlich fundiert mit guten Argumenten überzeugt werden“, so Eberle.

Verantwortung übernehmen

Die Rolle des LBV sieht dessen Hauptgeschäftsführer dabei als harter Verhandler, aber auch als Gestalter. Das Austarieren zwischen der schwierigen Situation auf den landwirtschaftlichen Betrieben und dem Verhandeln von Kompromissen sei häufig ein schwieriger Spagat. Dennoch gelte es hier Verantwortung zu tragen und schwierige Entscheidungen für das beste Ergebnis im Sinne der Landwirte zu finden und dazu selbstbewusst zu stehen. Das sei der Kern des LBV-Selbstverständnisses, und das müsse er auch bleiben, unterstrich Eberle. Nur so sei der Verband auch in Zukunft ein ernstzunehmender Gesprächspartner für die Politik und könne für die Mitglieder substantielle Erfolge erzielen.

Herausforderung soziale Medien

Zur Kritik an der Arbeit des LBV erklärte der Hauptgeschäftsführer, dass die Antworten und Erfolge oft nicht gehört, nicht verstanden oder infrage gestellt würden. Die sozialen Medien spielten dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Gerade junge Menschen verlagerten ihre Nachrichtennutzung und politische Diskussionen zunehmend in die sozialen Netzwerke. Diese böten zweifelsfrei große Chancen für die Verbandsarbeit, sie seien aber auch eine große Herausforderung.

Die sozialen Netzwerke hätten die agrarpolitische Diskussion erheblich polarisiert, stellte Eberle fest. Halbwahrheiten, Fake News, Übertreibungen oder Filterblasen beeinflussten die Meinungsbildung „in einem äußerst bedenklichen Maße“. Zunehmend würden nur noch Überschriften und Teaser gelesen, während weiterführende Informationen unberücksichtigt blieben. Dieser Entwicklung könne der LBV nur mit einer angepassten Kommunikation entgegentreten. Zugleich warnte Eberle davor, sich in den Blasen und Echoräumen zu verlieren und einnehmen zu lassen. Die eigene Kommunikationsstrategie müsse auch für die sozialen Medien weiterentwickelt und verfolgt werden.

Mehr Frauen notwendig

In Zeiten des Internets gilt es nach Eberles Auffassung, verlässliche Informationen als Markenkern des LBV zu erhalten beziehungsweise auszubauen. Die Mitglieder müssten schnell und regelmäßig etwas von ihrem Verband hören. „Das ist uns zum Beispiel in der Pandemie beim Thema Saisonarbeitskräfte hervorragend gelungen“, so der Hauptgeschäftsführer. Gleichzeitig sei eine stärkere Beteiligung der Mitglieder, insbesondere der jüngeren, gut ausgebildeten Generation und der Frauen, notwendig. Diese seien im Ehrenamt zu wenig präsent, beklagte Eberle. Er verwies auf das beim Bauerntag in Erfurt formulierte Ziel, wonach der Bauernverband jünger und weiblicher werden müsse. Zudem müsse der Verband Gestalter, Problemlöser und Ideengeber sein. „Bei uns muss mehr Zukunft stattfinden“, unterstrich der Hauptgeschäftsführer. Der LBV müsse für junge Menschen zu einer Wissens- und Diskussionsplattform werden.

Den Diskussionen stellen

Darüber hinaus sieht Eberle auch die Notwendigkeit, dass die schrumpfende Agrarbranche ihre Kräfte bündelt. Der LBV könne und müsse mit seinen vielfältigen Anknüpfungspunkten zu Unternehmen und Organisationen der Agrar- und Ernährungsbranche zu einem stärkeren Netzwerktreiber und -entwickler werden. Auch sei ein intensiverer Austausch mit den Interessenverbänden aus Natur-, Tier- und Umweltschutz erforderlich. Zwar sei der Prozess zum Biodiversitätsstärkungsgesetz in Baden-Württemberg nicht leicht gewesen; es habe sich dabei aber gezeigt, dass im Dialog, auch im Streitgespräch ein überwiegend kooperativer Weg statt des harten Ordnungsrechts erreicht werden könne.

Der LBV-Hauptgeschäftsführer zeigte sich in dem Zusammenhang auch überzeugt, dass die Landwirtschaft nur dann aus der Defensive kommen werde, wenn sie sich einer solchen Diskussion stelle, Interessen klar formuliere und an Zukunftsperspektiven arbeite. „Ich meine hier ganz ausdrücklich auch eine Zukunftsperspektive für die konventionelle Landwirtschaft“, stellte Eberle klar.

AgE
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