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02.02.2014 | 07:15 | Beschlüsse der Agrarministerkonferenz 

Umsetzung der EU-Agrarreform wird kritisch beleuchtet

Halle/Saale - Kleinere Agrarbetriebe und Hofnachfolger sollen zukünftig durch besondere Zulagen begünstigt werden, so will es die Agrarministerkonferenz in ihren Umsetzungsbeschlüssen zur aktuellen EU-Agrarreform.

EU-Agrarreform in Deutschland
(c) proplanta
Die IAMO-Wissenschaftler Alfons Balmann und Christoph Sahrbacher zeigen im IAMO Policy Brief 14, dass die beschlossenen Maßnahmen die Überlebenswahrscheinlichkeit unrentabler Betriebe zwar leicht erhöhen, aber nicht deren Entwicklungsperspektiven verbessern.

Die mit den Beschlüssen verbundene regionale Umverteilung von Subventionen zugunsten der vergleichsweise wirtschaftsstarken süddeutschen Bundesländer führe letztlich dazu, dass dort wenig rentable kleinere Betriebe mit anderen ebenfalls kleineren und mittleren Betrieben um Flächen und Subventionen konkurrieren, so dass letztere in Form höherer Bodenpreise und einer Strukturkonservierung verpuffen.

Auch ignorieren die Beschlüsse, dass die größeren ostdeutsche Betriebe insgesamt zwar rentabler als süddeutsche seien, letztere jedoch wesentlich vermögender und besser mit Eigenkapital ausgestattet. Strukturell betrachtet schaden die Maßnahmen zwar so wenig, wie sie nützen, tragen aber dazu bei, neue Besitzstände und Subventionsabhängigkeiten zu schaffen und so überfällige Reformen zu behindern, so die Autoren.

Regelungen zur Gemeinsamen EU-Agrarpolitik und die Beschlüsse der deutschen Agrarministerkonferenz



Die im September 2013 beschlossenen Reformen der EU-Agrarpolitik sehen vor, die Direktzahlungen zwischen den Mitgliedsländern teilweise anzugleichen und sie in eine Basisprämie von 70% und eine Umweltkomponente von 30% aufzuteilen. Darüber hinaus können sich die Mitgliedstaaten entscheiden, ob sie die Basisprämie ab einer bestimmten Gesamthöhe pro Betrieb kappen oder für die ersten Hektare eines jeden Betriebs erhöhen möchten.

Die deutsche Agrarministerkonferenz hat sich für einen Zuschlag von 50 €/ha für die ersten 30 ha und 30 €/ha für weitere 16 ha entschieden. Darüber hinaus sollen Junglandwirte für bis zu 90 ha eine zusätzliche Förderung von 50 €/ha erhalten, um deren Entwicklungsperspektiven zu verbessern.

Umverteilung von Ost- nach Süddeutschland



Oben genannte Maßnahmen werden aus dem Gesamttopf der Direktzahlungen gegenfinanziert. Weil die landwirtschaftliche Betriebsstruktur Deutschlands so heterogen ist, bringen allein die Zuschläge für die ersten Hektare eine erhebliche regionale Umverteilung mit sich. In Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg spielen kleinere Betriebe eine große Rolle – anders als in Ostdeutschland, wo die meisten Betriebe deutlich mehr als die geförderten ersten Hektare bewirtschaften.

Balmann und Sahrbacher kommen in ihren Berechnungen zu dem Schluss, dass die neuen Bundesländer infolge der Reform ca. 85 Mio. € an Subventionszahlungen einbüßen, während Bayern und Baden-Württemberg zusammen ca. 48 Mio. € hinzugewinnen. Bezieht man darüber hinaus die Junglandwirteförderung ein, die ebenfalls in größerem Maße Agrarbetrieben in Süddeutschland zugute kommt, ergebe sich insgesamt ein relativer Vorteil von etwa 30 €/ha gegenüber den neuen Bundesländern.

Kaum langfristige Effekte



Um zu untersuchen, wie sich die beschlossenen Maßnahmen längerfristig auf die Struktur der deutschen Landwirtschaft auswirken, haben die Wissenschaftler für Beispielregionen in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt Modellrechnungen durchgeführt, um den betrieblichen Strukturwandel, Flächenwanderungen, sowie die Entwicklung der Pachtpreise und Betriebseinkommen für unterschiedliche politische Rahmenbedingungen abzuschätzen. Dabei zeigte sich, dass die Struktureffekte der Zulagen insgesamt gering seien.

Alfons Balmann erläutert: „Größere Betriebe im Osten verlieren durch die Kürzungen nur moderat, da sie letztlich zumeist mit anderen großen Betrieben konkurrieren und einen Teil der Einbußen durch niedrigere Pachtpreise kompensieren. Kleinere Betriebe profitieren kaum, da sie mit anderen kleineren Betrieben konkurrieren, die die Zulagen ebenfalls erhalten, so dass die Zulagen in Form höherer Pachtpreise und einer strukturkonservierenden Fortführung unrentabler Betriebe verpuffen. Damit verstärken die Zulagen die ohnehin bereits aus dem Erb- und Steuerrecht resultierenden und wenig zielgerichteten Anreize zur Fortführung wenig rentabler Betriebe ohne Entwicklungsperspektiven.“

Solche Anreize, die die Betriebe aber nicht in die Lage versetzen, sich zu entwickeln und zu modernisieren, seien somit nicht viel mehr als „Museumsprämien“. Sofern kleinere Betriebe tatsächlich besondere Leistungen im Bereich Umwelt- und Tierschutz erbringen sollten, wäre es besser, diese über zielgerichtete Maßnahmen zu honorieren, argumentieren die Autoren.

Wissenschaftler kritisieren die Beschlüsse



Insgesamt stehen Balmann und Sahrbacher den Beschlüssen äußerst kritisch gegenüber: Offensichtlich liegen ihnen „populäre, aber wenig realitätsnahe Leitbilder“ zugrunde. So seien kleinere Betriebe zwar zumeist nicht so rentabel wie größere. Allerdings seien etwa die kleineren süddeutschen Betriebe in der Regel wesentlich vermögender als die größeren ostdeutschen Betriebe.

„Wohlgemeinte Politiken, die solche Gegebenheiten und Zusammenhänge ignorieren, schaffen Besitzstände und Abhängigkeiten und engen damit zukünftige politische Spielräume ein. Den Leistungsträgern der Landwirtschaft helfen sie nicht“, so Balmann. (iamo)
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