Die Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, die CDU-Politikerin Katherina Reiche, griff am Donnerstag CSU-Chef Horst
Seehofer wegen seines Bremskurses in der
Gentechnik frontal an. Sie hielt ihm im Gespräch mit der Deutschen Presse- Agentur dpa «Populismus» und «Stimmungsmache» vor. Reiche kritisierte damit Seehofers Unterstützung für das Verbot der Genmaissorte
MON 810 und die derzeit ähnlich geführte Diskussion über ein noch offenes Verbot der genmanipulierten Kartoffel Amflora.
Darüber will Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse
Aigner (CSU) nach eigenen Angaben in den «nächsten Tagen Gespräche führen - und dann entscheiden». Nach dem Vorsorgeprinzip müsse sie neue wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen. Ungeachtet des von Seehofer und der
SPD unterstützten Verbots der Genmaissorte MON 810 des US-Konzerns
Monsanto werden in Bayern aber weiterhin andere
Genpflanzen angebaut. Dies wurde von der Regierung Unterfranken und vom Hersteller Monsanto bestätigt. Seehofer zeigte sich überrascht.
Im
Bundestag kam es unterdessen zum heftigen Schlagabtausch mit veränderten Fronten. So unterstützten SPD, Grüne und Linksfraktion in einer Aktuellen Stunde das von Aigner verhängte Aussaat-Verbot für MON 810. Bekämpft wurde dies vor allem von Forschungspolitikern der
CDU unter Hinweis auf «Gefahren für den Forschungsstandort Deutschland». Seehofer könne sich bei der grünen Gentechnik nur auf die SPD verlassen, meinte Fraktionsvize Ulrich Kelber. Grünen- Fraktionschefin Renate Künast forderte von Seehofer, sich zu entschuldigen, weil er als Landwirtschaftsminister dem Genmais MON 810 und der Amflora-Kartoffel zum Durchbruch verholfen habe - beides jetzt aber aus wahltaktischen Gründen bekämpfe. Dem Vernehmen nach hatte Seehofer bei der MON-810-Entscheidung auch Druck auf Aigner ausgeübt, ein Verbot zu verhängen.
Die Bundesministerin ist eher als Befürworterin der Gentechnik bekannt. Aigner betonte jetzt aber: «Der Schutz von Mensch und Umwelt muss (...) an vorderster Stelle stehen.» Neuen wissenschaftlichen Zweifeln beim Anbau der Amflora-Kartoffel müsse sie nachgehen, sei sich aber in den grundsätzlichen Fragen mit Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) einig. Diese hatte sich heftig gegen das Genmais-Verbot gewehrt, war aber der Bundestagsdebatte ferngeblieben. In der Union hieß es zur Erklärung, man wolle das Thema nicht unnötig anheizen. Schavan forderte dann im Gespräch mit dem «Handelsblatt» (Freitag): «Niemand investiert in Forschung, wenn er keine Aussicht hat, dass die Ergebnisse auch angewendet werden.»
Künast erklärte, das Verbot der Genmaissorte 810 sei der «Sieg der Anti-Gentechnik-Bewegung» in Deutschland. «Durchgesetzt haben es die Verbraucherinnen und Verbraucher, die nämlich kein Genmais auf dem Teller haben wollen. Erst rein in die Kartoffeln, jetzt raus aus den Kartoffeln», kritisierte sie Seehofers «Sinneswandel» in der Frage der Zulassung von MON 810 vor. Christel Happach-Kasan von der FDP sah im Genmais-Verbot «eine Entscheidung gegen Arbeitsplätze». Die SPD forderte eine «einheitliche Linie» der Bundesregierung. Kelber: «Die ist vor allem im Verhältnis zur
EU-Kommission in Brüssel nötig.»
Nach Angaben der Regierung von Unterfranken will Monsanto demnächst im Kreis Kitzingen in Düllstadt auf 3,1 Hektar Fläche Genmais für Freisetzungsversuche aussäen. Der ursprüngliche Termin an diesem Freitag wurde von Monsanto verschoben. Die Versuche wurden bereits vor zwei Jahren vom Bundessortenamt genehmigt. Beim Düllstädter Genmais handelt es sich Monsanto zufolge um eine verbesserte Maissorte. Der verbotene MON 810 ist nur gegen einen Schädling resistent, den
Maiszünsler - die neue Sorte ist gegen weitere
Schädlinge resistent. Freisetzungsversuche des Konzerns gibt es auch in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. (dpa)