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14.01.2011 | 14:45 | Maßnahmenplan der Bundesländer 

Unser Essen braucht Sicherheit vom Futtertrog bis auf den Tisch

Düsseldorf - Mit einem konkreten Maßnahmenplan machen die SPD-geführten Bundesländer mobil für sichere Futtermittel und damit für Sicherheit in der gesamten Lebensmittelkette.

Geflügelhaltung

Der Katalog umfasst unter anderem die Zulassungspflicht für alle Futtermittelunternehmen, strenge Standards für die Eigenkontrollen der Betriebe und Weiterentwicklung der staatlichen Überwachung. Jegliche Grenzwertüberschreitungen müssen angezeigt werden. Technische Stoffe und solche für die Lebensmittelproduktion sind strikt zu trennen. Hinzu kommen Haftungsregelungen. Auch der bisherige Strafrahmen soll auf den Prüfstand.

Das Papier ist Grundlage für die von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen initiierte und von Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern unterstützte Sonder-Konferenz der Verbraucher- und Agrarminister/-innen am kommenden Dienstag (18.1.) in Berlin.

„Was wir essen braucht Sicherheit, vom Futtertrog bis auf den Tisch. Frau Aigner hat die Dimension des Dioxin-Skandals von vornherein falsch eingeschätzt. Deshalb handeln die so genannten A-Länder jetzt auch auf Bundesebene, stellen die Verbraucherschutzminister Margit Conrad (SPD) Rheinland-Pfalz und Johannes Remmel (Bündnis 90 / Die Grünen) Nordrhein-Westfalen und Dr. Till Backhaus (SPD) Mecklenburg-Vorpommern sowie Senatorin Katrin Lompscher (Die Linke) Berlin fest.

Die Länder mit Beteiligung von SPD, Grüne und Linken kritisieren das Krisenmanagement der Bundesregierung. „Zuerst taucht die Bundesverbraucherministerin wochenlang ab, um dann innerhalb einer Woche wilden Aktionismus an den Tag zu legen, nur, damit sie sich im Amt halten kann. Bisher ist Frau Aigner als Ankündigungsministerin bekannt, wie schon bei der Spielzeugrichtlinie. Es bleibt nun abzuwarten, ob Sie diese Politik fortsetzt“, kritisierte NRW-Minister Johannes Remmel.

Ministerin Conrad: „Wir haben uns für ein frühzeitiges, gemeinsames Treffen ausgesprochen, um die Lage zu erörtern und rasch Konsequenzen aus dem Skandal zu ziehen. Dieses war von den unionsregierten Ländern anfänglich gerade nicht gewünscht und unterstreicht die immense Fehleinschätzung hinsichtlich der Ausmaße des Skandals.“

Senatorin Lompscher kündigte an, dass die A-Länder notfalls über den Bundesrat die Punkte des Maßnahmenpaketes durchsetzen werden, wenn die Bundesregierung auf die Forderungen nicht selbst eingeht. Lompscher: „Die Bundesregierung steht in der Pflicht. Sie muss endlich den Verbraucherschutz stärken. Die berechtigten Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher sollten auch von der Bundesregierung höher bewertet werden als die der Futter- und Lebensmittellobbyisten.“


Handlungskonzept der Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern Konkrete - Konsequenzen aus dem Dioxinskandal ziehen

Um nach Möglichkeit zu verhindern, dass derartige Vorkommnisse sich wiederholen, um das nachhaltig gestörte Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher wieder herzustellen und um weitere wirtschaftliche Schäden insbesondere für die Landwirtschaft zu vermeiden, müssen aus der Sicht der Länder Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg, Bremen und Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern so schnell wie möglich die folgenden Konsequenzen gezogen werden:

  1. Zulassung von Futtermittelunternehmen Eine Zulassungspflicht für alle Futtermittelunternehmen, die für die Nahrungsmittelkette produzieren, (mit definierten Anforderungen an die Betriebe) soll eingeführt werden. Mit dieser Zulassung müssen klare Verpflichtungen und vorab eine Eignungsprüfung (Zuverlässigkeit, Qualifikation, Schulung) des Futtermittelunternehmers verbunden sein, die zu mehr Futtermittelsicherheit führen. Zulassungen können nur gewährt werden, wenn die innerbetrieblichen Abläufe transparent, nachvollziehbar und durch die Behörden als sicher bewertet werden. Perspektivisch soll eine EU-weite Regelung angestrebt werden, zunächst eine nationale Regelung (über den Weg der Notifizierung).

  2. Trennung der Produktionsströme Strikte Trennung der Produktionsströme (zwischen technischen und für Futtermittel/Lebensmittel vorgesehenen Stoffen) muss sichergestellt werden. Dies kann im Rahmen der Zulassung geregelt werden.

  3. Einführung einer Positivliste Es soll eine Positivliste der Stoffe verbindlich vorgeschrieben werden, die in der Tierfütterung eingesetzt werden dürfen. Damit wird dafür gesorgt, dass nur sichere Bestandteile in die Futtermittelkette gelangen.

  4. Innerbetriebliche Eigenkontrollen Für die innerbetrieblichen Kontrollen bedarf es standardisierter Vorgaben. Eine Bund-Länder-AG soll die entsprechenden Aufgaben konkretisieren. Auf der Ebene der Einzelfuttermittel müssen verpflichtend Tests durch ein akkreditiertes Labor durchgeführt werden, bevor diese Stoffe zu Mischfutter weiterverarbeitet oder verfüttert werden. Durch ein entsprechendes Begleitscheinverfahren muss für die Weiterverarbeitungs- und Verwertungskette Transparenz und eine bessere Rückverfolgbarkeit hergestellt werden.

  5. Amtliche Überwachung Die amtliche Überwachung muss intensiver und risikoorientiert die Futtermittelherstellung überprüfen. Dazu werden die Risikobewertung von Futtermittelbetrieben überprüft, verbindliche, transparente Standards sowie allgemeine Kriterien in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung, die bereits für die Lebensmittelüberwachung gilt, festgelegt.

  6. Anzeigepflicht von Erkenntnissen Erkenntnisse über Grenzwertüberschreitungen bei Futtermitteln und Futtermittelzusatzstoffen sind von privaten Laboren und allen in der Produktion verantwortlich Tätigen den Behörden zu melden. Dies bedeutet, die bis 2005 bestehende Meldepflicht wieder einzuführen.

  7. Bessere Haftung und Schadensregulierung, die auch tatsächlich greift Bei den aktuellen Vorfällen sind die Tierhalter für die Dioxin-Verunreinigung nicht verantwortlich, müssen aber in vielen Fällen zunächst selbst für Verdienstausfälle aufkommen. Es ist zu befürchten, dass Landwirte in vielen Fällen dauerhaft den Schaden tragen müssen, da die verursachenden Unternehmen angesichts der Höhe des Schadens ggf. in Insolvenz gehen. Futtermittelhersteller müssen deshalb dazu verpflichtet werden, eine Haftpflichtversicherung (analog der Kfz-Haftpflichtversicherung, die auch Schäden bei vorsätzlichen Handlungsweisen abdeckt) abzuschließen, mit der Schäden in der Lebensmittelkette abgedeckt werden können, die durch belastete Futtermittel verursacht werden. Diese Regelung muss EU-weit vorgeschrieben werden. Alternativ ist soll eine Sektor- und Produktionsbereich bezogene Fondslösung zur Refinanzierung von Schadensereignissen oder Einkommensausfallversicherungen geprüft werden.

  8. Überprüfung und konsequente Ausschöpfung des Bußgeld- und Strafrahmens Der geltende Strafrahmen sieht eine Geldbuße bis 50.000 € und für vorsätzliche Straftaten in besonders schweren Fällen eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren vor. Dieser Sanktionsrahmen muss erneut überprüft werden.

    Erfahrungen haben zudem gezeigt, dass die bereits zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten oftmals nicht in dem Umfang ausgeschöpft werden. Deshalb gilt es, den Strafrahmen, der erst im Zuge des Gammelfleischskandals ausgeweitet wurde, auch zu nutzen. Auch müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, die Gewinne aus solchen Taten abzuschöpfen und nicht den Tätern zu überlassen.

  9. Schwerpunktstaatsanwaltschaften Im Bereich der Sicherheit der Lebensmittel und Bedarfsgegenstände hat sich die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften bewährt. Aufgrund der aktuellen Ereignisse sollte die Zuständigkeit bestehender Schwerpunktstaatsanwaltschaften auf Delikte im Bereich des Futtermittelrechts ausgedehnt werden.

  10. Verbraucherinformation erleichtern Eine umfassende und schnelle Information der Verbraucherinnen und Verbraucher ist insbesondere in Krisenfällen besonders wichtig und trägt dazu bei, Verunsicherung zu vermeiden.


Das Verbraucherinformationsgesetz muss deshalb dringend novelliert und dabei klare Rechtsgrundlagen für die zeitnahe Veröffentlichung und Weitergabe von Untersuchungsergebnissen sowie betroffenen Waren und Betrieben geschaffen werden. Bei Abwägungen müssen die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher Vorrang haben.

Die Länder werden sich dafür stark machen, dass die bereits auf den Weg gebrachte Internetplattform zu nicht sicheren Lebensmitteln zügig eingerichtet wird. (pd)

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