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17.11.2022 | 06:08 | Klimaschutznaßnahmen 

Verkehrswende gerät ins Stocken - Klimaziele außer Reichweite

Stuttgart - Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann droht mit seinen Plänen für eine baldige Mobilitätswende an Geldmangel und fehlender Unterstützung in der grün-schwarzen Koalition zu scheitern.

Individualverkehr
In Brüssel macht Regierungschef Kretschmann Lobbyarbeit für den Autostandort Baden-Württemberg. Doch beim Klimaschutz hinkt das Land in Sachen Verkehr hinterher. Minister Hermann will deutlich weniger Autos auf den Straßen. Doch dann kam das Stoppschild. (c) proplanta
Auf Druck der CDU musste Hermann seine ehrgeizigen Ziele in den Eckpunkten zum Landeskonzept Mobilität und Klima deutlich abschwächen, wie die Deutsche Presse-Agentur in Stuttgart erfuhr. So wollte der Grünen-Politiker die Ziele «jedes zweite Auto fährt klimaneutral» bis 2030 und «jede zweite Tonne fährt klimaneutral» im Güterverkehr im Konzept unterbringen. Außerdem drang Hermann darauf, die Vorgabe «ein Fünftel weniger Kfz-Verkehr in Stadt und Land» in dem Papier zu verankern - vergeblich.

Hermann bräuchte viel Geld für die «Mobilitätsgarantie»

Um seine Klimaziele zu erreichen, müsste das Land die Treibhausgase im Verkehr innerhalb von sieben Jahren um 55 Prozent verringern. Zuletzt sind die CO2-Emissionen im Verkehr aber sogar gestiegen. Zwar stellte Hermann am Freitag ein Bündel von Maßnahmen vor, um den Umstieg auf Busse und Bahnen voranzubringen. Doch die Verkehrswende gerät auch deshalb in Gefahr, weil der Verkehrsminister nicht das nötige Geld bekommt.

Im Doppelhaushalt 2023/2024 ist - nach jetzigem Stand - die notwendige Anschubfinanzierung für die sogenannte Mobilitätsgarantie nicht enthalten. Dem Vernehmen nach wären etwa 120 Millionen Euro im Jahr nötig, um Hermanns Pläne für einen massiven Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs auch auf dem Land wie geplant bis 2026 voranzubringen. Hintergrund ist allerdings auch, dass das Land das 49-Euro-Ticket im Regionalverkehr mitfinanzieren muss.

SPD: Kretschmann schaut desinteressiert zu

Klimaschützer und die SPD-Opposition kritisieren den Kurs der grün-schwarzen Koalition in der Verkehrspolitik. «Wenn das Land noch nicht einmal überprüfbare Ziele benennt, kann niemand daraus wirksame Maßnahmen entwickeln», sagte BUND-Landeschefin Sylvia Pilarsky-Grosch der dpa.

Für die SPD sagte Hans-Peter Storz: «Wer die Zahl der Fahrgäste in Bussen und Bahnen verdoppeln will, müsste irgendwann damit anfangen, mehr Züge zu bestellen und die Verkehrsverbünde in die Lage zu versetzen, mehr Busse zu beschaffen.» Doch Hermann bekomme vom grünen Finanzminister Danyal Bayaz nicht das nötige Geld und die CDU verwässere die Zielvorgaben. «Und der Ministerpräsident schaut desinteressiert zu», monierte Storz mit Blick auf Winfried Kretschmann (Grüne).

Verkehrsminister gibt sich unbeirrt

Hermann selbst will an seinen ehrgeizigen Zielen festhalten und sie weiterverfolgen. In den Eckpunkten, die auch mit den Kommunen abgestimmt wurden, stehe nun «Mehr Autos fahren klimaneutral», diese Vorgabe werde mit vielen Maßnahmen hinterlegt - etwa mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos, sagte ein Sprecher der dpa.

Gleiches gelte für die Ziele «Mehr Tonnen werden klimaneutral befördert» und «Weniger Kfz-Verkehr in den Kommunen». Die Mobilitätsgarantie sei eines der wichtigsten Vorhaben im Verkehrsbereich und habe «Leitbildcharakter». Zur Finanzierung wollte sich das Ministerium nicht äußern, «da die Haushaltsberatungen im Landtag noch nicht abgeschlossen sind».

Was ist eigentlich diese Mobilitätsgarantie?

Die im Koalitionsvertrag geplante «Mobilitätsgarantie» sieht vor, dass alle Orte im Südwesten von 5.00 Uhr früh bis Mitternacht mit dem ÖPNV erreichbar sein sollen. Eigentlich will das Land es bis 2026 schaffen, dass im ländlichen Raum in den Hauptverkehrszeiten der Halbstundentakt gilt und im Ballungsraum der Viertelstundentakt.

In der zweiten Stufe bis 2030 soll dann den ganzen Tag gelten, dass im Ballungsraum der Viertelstundentakt gefahren wird und im ländlichen Raum der Halbstundentakt. Um das Vorhaben zu finanzieren, will Hermann unter anderem den Kommunen die Möglichkeit geben, eine Nahverkehrsabgabe einzuführen. Dann könnten die Kommunen entscheiden, ob sie alle Einwohner oder nur die Autofahrer zur Kasse bitten. 

Der SPD-Verkehrsexperte Storz monierte, die Mobilitätsgarantie sei vom festen Ziel zur «unverbindlichen Wunschvorstellung» geschrumpft. Er kündigte an, dass die SPD in den Etatberatungen 100 Millionen Euro als Anschubfinanzierung für die Mobilitätsgarantie fordern werde. «Der Doppelhaushalt gibt Hermann keine Möglichkeiten, seine Mobilitätsziele nur ansatzweise umzusetzen.»

Die FDP würde es begrüßen, «wenn die Mobilitäts-Utopie von Winfried Hermann wie eine Seifenblase» platzte. «Bevor von Mobilitätsgarantien geträumt wird, bei der leere Busse nachts und frühmorgens in entlegene Dörfer fahren, müssen die Hausaufgaben erledigt werden», sagte der Verkehrsexperte Christian Jung. Landesstraßen und Brücken müssten dringend saniert werden, hierfür werde man 100 Millionen Euro mehr fordern.
dpa/lsw
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