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05.03.2020 | 04:42 | Klimaschutzpolitik 

Von der Leyen verteidigt Klimagesetz der EU

Brüssel - Jung gegen Alt, Zukunftsangst gegen professionelle Zuversicht, moralische Instanz gegen Realpolitik.

Treibhausgas-Emissionen
Die EU plant in den nächsten 30 Jahren eine Klimawende, die Unternehmen und Bürgern einiges abverlangt. Die EU-Kommission ist stolz auf ihren ehrgeizigen Plan. Doch es kommt heftiger Gegenwind. (c) proplanta
Die Aufstellung in Brüssel lautete am Mittwoch Greta Thunberg gegen die EU-Kommission, die eigentlich sehr stolz war auf ihr neues Gesetz für ein «klimaneutrales» Europa 2050 - und dann von der von jungen Schwedin erbittert Kontra bekam. «Dieses Klimagesetz ist eine Kapitulation», sagte Thunberg. «Denn die Natur lässt sich nicht über den Tisch ziehen und mit der Physik macht man keinen Deal.»

Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte Thunberg selbst in die Sitzung der Kommissare zur Debatte über das neue Klimagesetz geladen. Und die 17 Jahre alte Ikone der Fridays for Future kam, zart und zäh, konzentriert und kampfeslustig, fokussiert nur auf ein Ziel, das sie seit fast zwei Jahren international verfolgt: Den Planeten für die Menschheit vor einer gefährlichen Überhitzung zu retten. Was die EU-Kommission zu bieten hatte, reichte ihr bei weitem nicht.

Mit dem geplanten EU-Klimagesetz will die Brüsseler Behörde vor allem das bereits vereinbarte Ziel für 2050 besiegeln. Klimaneutralität, das bedeutet, alle Treibhausgase zu vermeiden oder auszugleichen, etwa durch Aufforstung oder Speicherung. Damit soll das Pariser Klimaabkommen von 2015 umgesetzt und die Erwärmung der Erde bei einem verträglichen Maß gestoppt werden. Nötig ist dafür ein kompletter Umbau der Wirtschaft und die Abkehr von Öl, Kohle und Gas.

Die Größe der Aufgabe versuchte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans so zu fassen: «Das ist tektonisch. Das ist keine kleine Veränderung.» Europa solle der erste klimaneutrale Kontinent werden, und das Gesetz werde die Leitschnur für die nächsten 30 Jahre sein. Drohe ein Abweichen vom Weg, könne man Etappenziele nachschärfen - das soll von 2023 an alle fünf Jahre überprüft werden.

Für von der Leyen ist das Gesetz das Herz ihres «Green Deal» und sie schien damit zufrieden. «Es ist höchste Zeit zu handeln und dieses Klimagesetz ist Teil des Europäischen Beitrags zu diesem Handeln», sagte die 61-Jährige. Und sie zeigte sich sicher, dass die EU damit andere Partner weltweit zum Mittun inspirieren kann.

Genau das glaubt Thunberg nicht - genauso wenig wie Umweltverbände und Grüne, die ebenfalls heftige Kritik übten. Sie bemängeln vor allem, dass jetzt noch kein neues Ziel für 2030 gesetzt wird, das vor der wichtigen Weltklimakonferenz in Glasgow im November neuen Schwung in den globalen Klimaschutz bringen könnte. Bisher hat sich die EU für 2030 vorgenommen, ihre Klimagase um 40 Prozent unter den Wert von 1990 zu drücken. Die EU-Kommission erwägt eine Verschärfung auf 50 bis 55 Prozent, will aber vorher die Folgen prüfen und erst im September einen Vorschlag machen. Klimaschützer verlangen 65 Prozent und dringen darauf, das rasch festzulegen.

Auch Thunberg hakte an diesem Punkt ein. Sich auf die Zielmarke 2050 zu konzentrieren, bedeute aufzugeben, sagte sie am Mittwochnachmittag im Umweltausschuss des Europaparlaments und fand dieses Bild: Die Kinder hätten den Feueralarm ausgelöst, doch die Eltern hätten nur geschaut, ob es wirklich brennt, und dann gemütlich weiter gemacht wie bisher. «Wenn euer Haus brennt, dann wartet man doch nicht noch ein paar Jahre, bevor man es löscht», sagte Thunberg. «Und genau das schlägt die Kommission heute vor.»

Entscheidend sei das globale «CO2-Budget»: Für einen Stopp der globalen Erwärmung bei 1,5 Grad dürften weltweit höchstens noch 340 Gigatonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangen. Wenn es so weiter gehe, reiche dies nur noch acht Jahre. Doch dieses CO2-Budget werde völlig ignoriert. «Das muss sich in dieser Minute ändern», forderte die junge Schwedin.

Aber mit sofortigen Änderungen ist das in der Politik so eine Sache: Je kurzfristiger das Klimaziel, desto größer der politische Streit. Denn nötig würden rasch spürbare härtere Auflagen für Industrie, Energieversorger, Landwirtschaft und private Haushalte. Das neue Ziel für 2030 ist deshalb längst noch keine ausgemachte Sache.

Auch Deutschland hat bislang keine Position. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bremst, denn ihm sitzen skeptische Verbände im Nacken. Die EU setze «wieder neue verbindliche Ziele, ohne die Umsetzbarkeit in wichtigen Branchen zu berücksichtigen», kritisierte nicht nur der Deutsche Industrie- und Handelskammertag.

Timmermans will deshalb auf Nummer sicher gehen: Nur wenn sorgfältig alle Folgen eines schärferen Ziels durchgeprüft seien, könne man langwierige Debatten in der EU vermeiden, sagte der Niederländer. Und für diese Prüfung brauchten seine Experten eben noch den Sommer. Doch auch dann reiche die Zeit noch vor der Weltklimakonferenz.

Dass er Thunberg von seiner Position und auch von dem Gesetzentwurf nicht überzeugen konnte, fand Timmermans halb so schlimm. In einigen Annahmen sei man eben optimistischer als die Aktivistin, das sei kein Problem. Fakt aber sei: «Ohne sie und die Art und Weise, wie sie mobilisiert hat, stünden wir heute nicht hier, um über ein europäisches Klimagesetz zu reden.»
dpa
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