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14.11.2021 | 12:29 | Energiepolitik 

Weltklimagipfel läutet Abschied von Kohlenutzung ein

Glasgow - Die UN-Klimakonferenz in Schottland hat mit einem als historisch gefeierten Beschluss den weltweiten Abschied von der Kohleverbrennung eingeläutet.

Kohleenergie
Es gab Tränen, Wutausbrüche und Jubel - und nun ist die Weltklimakonferenz nach zwei Wochen zäher Verhandlungen vorbei. «Hier ist eine kurze Zusammenfassung: Blah, blah, blah», ätzte Greta Thunberg aus der Ferne. Andere sehen aber auch Fortschritte. (c) proplanta

Erstmals in der Geschichte der Weltklimagipfel gab es dafür einen Konsens unter den rund 200 Staaten. Im «Klimapakt von Glasgow» steckt auch die Forderung, «ineffiziente» Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen. Die Formulierung wurde nach zweiwöchiger Konferenz am Samstagabend in letzter Minute auf Druck Chinas und Indiens aber noch verwässert.

Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) lobte die Vereinbarung dennoch als historisch. «Das fossile Zeitalter geht zu Ende, die Energiewende wird weltweit zum Leitbild», sagte sie. Auch der britische Premierminister zog eine positive Bilanz. Die Welt sei «unbestreitbar auf dem Weg in die richtige Richtung», so Gastgeber Boris Johnson am Sonntag.

Die weltweit bekannteste Klimaaktivistin Greta Thunberg zog hingegen eine vernichtende Bilanz. «Hier ist eine kurze Zusammenfassung: Bla, bla, bla», twitterte die Schwedin. Sie war zur Halbzeit mit Zehntausenden Demonstranten auf die Straße gegangen und dann abgereist.

Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, äußerte sich ernüchtert. «Es ist ein wichtiger Schritt, aber es ist nicht genug. Es ist Zeit, in den Notfallmodus zu gehen.»

Die Mammutkonferenz mit 40.000 registrierten Teilnehmern sollte eigentlich schon am Freitag enden, wurde aber wegen stundenlanger Debatten bis in die späten Stunden des Samstags verlängert.

Die wichtigsten Beschlüsse im Überblick:

- Aufruf zum Abschied von der Kohle

EU-Kommissar Frans Timmermans ließ im Plenum seinem Frust freien Lauf, dass die Forderung zum Kohleausstieg auf Druck Chinas und Indiens noch abgeschwächt wurde. Statt von einem Ausstieg (phase-out) ist auf Druck der stark von Kohle abhängigen Staaten China und Indien nun nur noch von einem schrittweisen Abbau (phase-down) die Rede. Damit bleibt offen, ob beide Staaten jemals komplett auf Kohlestrom verzichten wollen.

Als sich mehrere Staaten bitterlich über die Verwässerung kurz vor der Schlussabstimmung beschwerten, kämpfte der britische COP26-Präsident Alok Sharma sogar mit den Tränen. «Ich bitte um Verzeihung für die Art, wie das gelaufen ist», sagte der Gastgeber.

Das Gesamtpaket könne sich aber sehen lassen. Am Sonntag erläuterte er bei einer Pressekonferenz, er habe ein Scheitern des Deals auf den letzten Metern befürchtet und daher «die Last der Welt» auf seinen Schultern gespürt.

Umweltministerin Schulze sagte am Sonntag: «Was wir in der Schlussphase in Glasgow erlebt haben, war ein letztes Aufbäumen der alten, fossilen Energiewelt.» Der Ausstieg aus der Kohle sei nun «unumkehrbar». Deutschland könne der Welt nun zeigen, «wie ein Industrieland mit Strom aus Wind und Sonne sicher versorgt werden kann».

- Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel

In der Abschlusserklärung bekennen sich die Länder gemeinsam zu dem Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen. Dazu sollen sie bis Ende 2022 ihre bislang unzureichenden Klimaschutzpläne für dieses Jahrzehnt nachschärfen.

Das ist drei Jahre früher als bislang vorgesehen. In der Erklärung wird zudem festgehalten, dass der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase weltweit noch in diesem Jahrzehnt um 45 Prozent sinken muss, wenn das 1,5-Grad-Limit erreichbar bleiben soll.

- Hilfen für arme Staaten

Zugesagt wurden auch mehr Finanzhilfen für arme Staaten, damit diese sich an die vielerorts fatalen Folgen der Klimakrise anpassen können. Zig Millionen Menschen sind schon jetzt häufiger mit Dürren, Hitzewellen, Stürmen und Überschwemmungen konfrontiert, weil sich die Erderhitzung beschleunigt. Konkret sollen diese Finanzhilfen bis 2025 verdoppelt werden, also von aktuell jährlich rund 20 auf dann 40 Milliarden US-Dollar (etwa 35 Milliarden Euro). Aufgesetzt wird zudem ein zweijähriges Arbeitsprogramm, um über mögliche drastische Aufstockungen zu sprechen.

- Hilfe nach Klimaschäden

Erstmals wird auch die jahrelange Forderung armer Staaten aufgegriffen, einen Geldtopf für Hilfen bei Schäden und Verlusten einzurichten. Gemeint sind etwa Zerstörungen oder erzwungene Umsiedlungen nach Dürren, Sturmfluten oder Wirbelstürmen. Die Staaten werden aufgefordert, dafür Geld einzuzahlen. Konkrete Summen dafür werden aber nicht genannt. Es soll nur «technische Unterstützung» nach Schadensereignissen bereitstehen, aber nicht der komplette Schaden beglichen werden.

Der Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig nannte es «schon bitter, dass wieder einmal die von der Klimakrise besonders betroffenen, ärmeren Länder des Globalen Südens an den Rand gedrängt wurden». Genauso bewertet es Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU): «Aus Sicht der Entwicklungsländer sind die Ergebnisse absolut unzureichend, zu kleinteilig und zu langsam», sagte er der Funke-Mediengruppe.

- Regelbuch für Pariser Abkommen komplett

Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth lobte die Beschlüsse zum sogenannten Regelbuch des Pariser Klimaabkommens, wo seit Jahren noch Punkte offen waren. Man habe von Anfang an das Ziel gehabt, das «Geröll der Rechtsverhandlungen» aus dem Weg zu räumen. «Das ist alles gelungen», sagte Flasbarth.

Geregelt wurde etwa, dass künftig Klimaschutzziele für fünf Jahre vorgelegt werden und nach einheitlichen Standards berichtet wird. Bei der Frage, wie künftig Emissionsminderungen zwischen Staaten gehandelt werden können, gab es ebenfalls eine Einigung. Dabei ist es laut Flasbarth gelungen, Schlupflöcher auszuschließen.

- Aus für Benzin- und Dieselautos

Zwei Dutzend Staaten vereinbarten, ein Enddatum für den Verkauf von Benzin- und Dieselautos festzusetzen. Mit dabei sind auch sechs große Auto-Hersteller, darunter Mercedes und Ford. Die Regierungen wollen, dass alle Verkäufe von neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen bis zum Jahr 2040 emissionsfrei sind, und in den führenden Märkten bis spätestens 2035. Die Autokonzerne sollen spätestens 2035 in führenden Märkten nur noch emissionsfreie Autos und Vans verkaufen. Deutschland ist zunächst nicht dabei, weil man sich in Berlin nicht einig wurde.

- Stopp der Öl- und Gasproduktion

Rund ein Dutzend Staaten wollen unter der Führung von Dänemark und Costa Rica konkrete Ausstiegdaten für die Öl- und Gasproduktion festlegen. Der dänische Klimaminister Dan Jørgensen sagt dazu: «In einer 1,5-Grad-Welt gibt es keinen Platz für Öl und Gas.» Deutschland gehört wie bereits bei mehreren anderen internationalen Allianzen nicht zu den Unterzeichnern.

- Der Methan-Pakt

Oft ist hauptsächlich von CO2 die Rede, wenn es um Treibhausgase geht. Problematisch ist auch Methan, das in der Landwirtschaft, auf Abfalldeponien oder in der Öl- und Gasindustrie entsteht und dem Weltklimarat zufolge für die Hälfte der Klimaerwärmung verantwortlich ist. Mehr als 100 Staaten haben sich unter Führung der EU und USA das Ziel gesetzt, ihre Methanemissionen bis 2030 um mindestens 30 Prozent gegenüber 2020 zu senken.

- Das Entwaldungs-Ziel

Bäume speichern CO2 - und sind damit die wichtigsten natürlichen Verbündeten im Kampf gegen die Erderwärmung. Es sorgte deshalb für viel Aufsehen, als sogar Brasilien und mehr als 100 weitere Staaten sich in Glasgow dazu verpflichteten, die Zerstörung ihrer Wälder und anderer Ökosysteme bis zum Ende des Jahrzehnts zu stoppen. Experten sind skeptisch: Sie wiesen darauf hin, dass eine sehr ähnliche Erklärung aus dem Jahr 2014 vollkommen wirkungslos geblieben sei.

Greenpeace-Chef Kaiser sieht nach Glasgow nun die geplante Ampel-Koalition im Bund in der Pflicht, Sofortmaßnahmen zu ergreifen. «So ist der Kohleausstieg bis 2030 zwingend notwendig. Ab heute dürfen unsere Steuergelder nicht mehr für Kohle, Öl und Gas eingesetzt werden.»

Der nächste Gipfel, die COP27, findet im November 2022 in Ägypten statt.

dpa
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