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16.05.2020 | 00:04 | Schlachthofmitarbeiter in der Coronakrise 

Werkverträge der Fleischindustrie ernten Kritik - Geflügelwirtschaft gegen Verbot

Düsseldorf / Berlin- Zur Bekämpfung der Missstände in der Fleischindustrie bahnt sich eine ungewöhnliche Allianz an.

Fleischindustrie
Hunderte mit dem Coronavirus infizierte Schlachthofarbeiter haben die Fleischindustrie erneut in Misskredit gebracht. Nun bahnt sich eine ungewöhnliche Allianz an. (c) proplanta
Clemens Tönnies, geschäftsführender Gesellschafter bei Deutschlands größtem Schlachtbetrieb Tönnies, habe NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) in einem Brief vorgeschlagen, die in der Branche üblichen Werkverträge für die gesamte Fleischindustrie gesetzlich abzuschaffen.

«Ich halte das für eine gute Idee», sagte Laumann am Freitag in Düsseldorf. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte sich für eine Abschaffung der Werkverträge ausgesprochen.

«In der Fleischindustrie muss sich etwas ändern», bekräftigte Laumann. Es sei nicht Sinn der Werkverträge, dass das Kerngeschäft der Fleischbetriebe von Subunternehmern mit Werkvertragskolonnen erledigt werde, sagte Laumann. Hunderte mit dem Coronavirus infizierte Arbeiter hatten die Fleischindustrie erneut ins Blickfeld gerückt.

Tönnies konkretisierte am Freitagabend in einer Stellungnahme, er spreche sich für ein Verbot nur einer besonderen Form des Werkvertrags aus, nämlich der Verträge mit einer sogenannten A1-Entsendung, also ohne deutschen Arbeitsvertrag und ohne deutsche Sozialversicherung.

Laumann sagte weiter, es könne auch nicht sein, dass der Arbeitsschutz keinen Zugang und keine Kontrollmöglichkeit für die Sammelunterkünfte der Werkvertragsarbeiter habe. In vielen deutschen Schlachthöfen waren die Stammbelegschaften von osteuropäischen Werkarbeiter-Kolonnen verdrängt worden.

Im Kreis Coesfeld hatte der Ausbruch in der Belegschaft eines Westfleisch-Betriebes dazu geführt, dass die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus erst mit einer Woche Verspätung ab dem kommenden Montag auch im Kreis Coesfeld gelockert werden. Das gab Laumann am Freitag in Düsseldorf bekannt.

Nachdem von 1.033 Westfleisch-Mitarbeitern zuletzt 268 positiv auf das Corona-Virus getestet wurden, habe der Kreis Coesfeld nur 16 Neuinfizierte ohne Kontakt zur Fleischindustrie registriert.

Laumann sprach deshalb von einem lokal begrenzten Ausbruchsgeschehen bei Westfleisch in Coesfeld. Die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner liege mit den Westfleisch-Fällen bei 67,3. Ohne sie liegt der Wert Laumann zufolge bei nur 7,3.

Die von Bund und Ländern vereinbarte Grenze für die Lockerungen liegt bei 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen. Allerdings kann bei einem lokal begrenzten Ausbruchgeschehen eine Ausnahme gemacht werden.

Von 16.200 getesteten Mitarbeitern in den Fleischbetrieben in Nordrhein-Westfalen sind bisher 366 positiv auf das Coronavirus getestet worden. Weit mehr als 8.500 seien negativ getestet worden, die übrigen Ergebnisse stünden noch aus, erklärte Laumann (CDU) am Freitag in Düsseldorf.

Bei Tönnies sind nach einem Zwischenstand drei Corona-Tests positiv ausgefallen. Von insgesamt 6.204 getesteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens seien bislang 3.252 Proben ausgewertet worden, teilte Tönnies am Freitag mit.

Laumann hatte jahrelanges parteiübergreifendes Versagen bei Missständen in Schlachtbetrieben eingeräumt. Dort habe man es oft mit prekären Verhältnissen zu tun. Tönnies hatte erwidert, die Fleischindustrie dürfe nicht unter Generalverdacht gestellt werden.

Laumann berichtete auch, dass Forscher der Uniklinik Bonn eine weitere Studie im besonders vom Coronavirus betroffenen Kreis Heinsberg planen. Sie solle klären, wie lange die Immunität bei Corona-Patienten anhält. Die Landesregierung prüfe gerade, ob sie die Studie finanziell unterstützt. Vieles spreche dafür, sagte Laumann.

Eine erste Studie von Forschern der Uniklinik unter Leitung des Virologen Hendrik Streeck hatte für Aufsehen aber auch Kritik an der Methodik und der Begleitung durch eine PR-Agentur gesorgt.
dpa/lnw
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