„Wenn Leitplanken durch den Gesetzgeber falsch gesetzt werden, kann dies den Erfolg privatwirtschaftlicher Initiativen konterkarieren, betonte VDM-Präsident Karsten Schmal am vorigen Freitag (11.11.) bei einem „Milchpolitischen Frühstück“ in Berlin. Der deutsche
Milchsektor trage durch seine Anpassungspassungsfähigkeit auch in Ausnahmesituationen zur krisenfesten
Versorgung mit heimischen
Lebensmitteln bei.
„Die Strukturen der
Milchproduktion und -verarbeitung müssen deshalb unterstützt und nicht durch zusätzliche Auflagen eingeschränkt werden“, so Schmal, der als „Milchpräsident“ des Deutschen Bauernverbandes (
DBV) maßgeblich an der Erarbeitung eines Maßnahmenkatalogs beteiligt war, mit dem die Zukunftsfähigkeit der deutschen
Milchwirtschaft gesichert werden soll.
Bestätigt sieht sich Schmal in seiner Einschätzung durch eine Studie zu „Perspektiven der Milchproduktion und -verarbeitung in Deutschland bis 2030“, die ein Team um Prof. Johannes Holzner von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf erstellt hat.
Pessimistisches Bild
Laut der Studie befindet sich die deutsche Milchproduktion schon heute in einem massiven Transformationsprozess, der durch Entwicklungen in den Bereichen Tierhaltungskennzeichnung,
Düngeverordnung, Klimabilanzierung oder zum Beispiel Antibiotikaeinsatz weiter beschleunigt werden dürfte.
„Die Studie zeichnet ein insgesamt pessimistisches Bild“, so Holzner. Er warnte bei der Vorstellung von Folgenabschätzungen politischer Weichenstellungen vor einer Extensivierung der Milchproduktion auf Gunststandorten wie in Mitteleuropa. Dies sei schädlich für das Klima, wenn dadurch die Milchproduktion in andere Regionen mit höheren Kohlenstoff-Opportunitätskosten verlagert werde.
Mit Blick auf die im Winter drohende Gasknappheit müssten
Molkereien und deren Zulieferer als kritische Infrastruktur und systemrelevant eingestuft werden, so die Empfehlung der Wissenschaftler aus Weihenstephan-Triesdorf. „Bei einem möglichen Gaslieferstopp müssen die
Milchverarbeiter priorisiert werden“, argumentierte Holzner. Anderenfalls müsse man über die Zukunft der heimischen Milchwirtschaft gar nicht erst weiter diskutieren.
„Es ist einfach zu viel“
Die Umsetzung der „Strategie 2030“ sieht Schmal knapp drei Jahre nach dem Startschuss grundsätzlich auf einem guten Weg. Einige der gesteckten Ziele habe man bereits erreicht, beispielsweise in den Bereichen Branchenkommunikation, Standardsetzung und Nachhaltigkeit. Und auch bei der Gestaltung der Lieferbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien seien inzwischen deutliche Fortschritte erkennbar.
Bei anderen Maßnahmen sei der Sektor auf die Aktivität von Dritten - auch von Regierungsinstitutionen - angewiesen, weshalb es dort nur langsam vorangehe, stellte Schmal fest. Aber auch bereits Erreichtes drohe durch falsche politische Weichenstellungen konterkariert zu werden. „Es ist einfach zu viel, was mit der neuen Gemeinsamen
Agrarpolitik, Roten Gebieten, der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln, dem
Klimawandel und der
Diskussion ums
Tierwohl im Moment auf die
Tierhalter zukommt“, erklärte Schmal.
Investitionszurückhaltung spürbar
Der DBV-Milchpräsident geht auch deshalb davon aus, dass sich der rückläufige Trend bei Tierbeständen und Milchviehbetrieben in den nächsten Jahren fortsetzen wird. In Gesprächen mit Berufskollegen zeige sich eine deutliche Investitionszurückhaltung beim Neubau von Ställen. Diese werde sich erst in zwei bis drei Jahren als weiter rückläufiger Milchkuhbestand in den Statistiken zeigen.
Die gesellschaftlich gewünschte Transformation werde nur gelingen, wenn Genehmigungs- und Baurecht entsprechend ausgestaltet und eine tragfähige Finanzierung sichergestellt sei, unterstrich Schmal. Mit Blick auf eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung forderte der VDM-Präsident unbürokratische Meldesysteme sowie die Einbeziehung privatwirtschaftlicher Initiativen. Notwendig sei außerdem eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Verarbeitungsware und Gastronomie.