Allerdings sind die Branchenperspektiven durch voraussichtlich weiter steigende Kosten getrübt. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY und des Departments für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung an der Georg-August-Universität Göttingen.
Wie der EY-Partner Dr. Christian Janze am vergangenen Donnerstag (19.1.) bei einer Online-Pressekonferenz feststellte, stieg der Gesamtumsatz des Agribusiness 2022 auf den Rekord von schätzungsweise 279 Mrd. Euro. Damit habe der Sektor seine Position als zweitstärkste Branche des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland behauptet.
Janze zufolge war das starke
Umsatzplus aber hauptsächlich preisgetrieben. Die aus dem russischen Angriffskrieg resultierenden disruptiven Effekte - wie etwa die hohen
Rohstoffpreise für
Agrarprodukte - hätten sich für die deutschen
Bauern zudem unterschiedlich ausgewirkt. Beispielsweise hätten die meisten
Ackerbaubetriebe davon profitiert.
Allerdings dürften die
Agrarbetriebe 2023 nicht mehr von alten Verträgen, die vor dem Krieg abgeschlossen worden seien, oder von der
Lagerhaltung bei Futter- und/oder Düngemitteln profitieren. Die eigenen Vorräte seien nämlich inzwischen aufgebraucht, gab der Fachmann zu bedenken.
Geopolitische HerausforderungenDem EY-Berater zufolge sind die Weltmarktpreise für Getreide seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine um mehr als 50 % und zeitweise auf historische Höchststände gestiegen. Gleichzeitig habe die
Volatilität dieser Preise stark zugenommen. Tagesschwankungen von 10 % seien seitdem keine Seltenheit mehr.
Unterdessen bedrohe die weltweite Getreideknappheit, die sich durch die russische Invasion in der Ukraine verschärft habe, die Lebensgrundlage von Hunderten Millionen Menschen, vor allem in Afrika und Südostasien. Außerdem seien die
Produktionskosten für Düngemittel stark gestiegen. Hauptanbieter von Düngemitteln seien Russland und China, mit denen die wirtschaftliche Zusammenarbeit kompliziert sei. Außerdem würden Düngemitteleinfuhren aus Belarus sanktioniert; das Land gehöre zu den vier wichtigsten Produzenten der Welt.
Verbraucher kaufen billige AlternativeFür das laufendende Jahr erwartet Janze weiter steigende Rohstoff, Energie- und Kraftstoffkosten. Die Folge seien höhere Ausgaben für Dünger, Saatgut und Pflanzenschutz. Deshalb dürften sich auch die Endprodukte verteuern. „Bisher konnten die meisten Produzenten die gestiegenen Preise für
Lebensmittel an den Einzelhandel und die Kundinnen und Kunden weitergeben.
Klar ist: Die Menschen müssen essen und werden immer
Nahrungsmittel kaufen. Doch die Preissteigerungen müssen letztlich von den
Konsumenten getragen werden können“, stellte Janze klar. Schon jetzt entschieden sich die Verbraucherinnen und Verbraucher immer häufiger für die billige Alternative. Deshalb sei beispielsweise die Nachfrage nach Bioprodukten rückläufig. Diese Entwicklung sei mit Blick auf die agrarpolitischen Ziele kontraproduktiv.
Zum zuletzt kräftigen Bestandsabbau in der deutschen Schweinehaltung stellte er fest, dass für die Perspektiven dieser Produktionsrichtung die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für bestimmte Haltungsformen entscheidend sei.
Fleischindustrie muss neue Wege gehenDr. Louisa von Plettenberg von der Universität Göttingen prognostizierte vor diesem Hintergrund einen steigenden Druck auf viele
Betriebe im Agribusiness.
Mit Blick auf die
Fleischindustrie stellte sie fest, dass der Umsatz 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 Mrd. Euro auf 43,1 Mrd. Euro gestiegen sei und damit fast wieder das Niveau von 2020 erreicht habe. „Die aktuellen Zahlen zeigen, dass die Kundinnen und Kunden in Deutschland und der Welt wieder und weiter Lust auf Fleisch aus Deutschland haben“, sagte die Wissenschaftlerin. Zahlreichen Initiativen sei es zu verdanken, dass Verbraucher immer besser entscheiden könnten, welches Fleisch sie auf dem Teller haben wollten.
„Die Fleischindustrie tut aber auch gut daran, neue Wege zu gehen und sich Themen wie alternativen Proteinen zu widmen. Der Anteil von Vegetariern und so genannten Flexitariern in der Bevölkerung steigt nämlich“, so von Plettenberg. Hochpreisige Fleischprodukte würden indes weniger nachgefragt. Das Marktumfeld für die
Tierhalter sei unsicher, auch wegen der gestiegenen Energie- und Futterkosten.
AgE