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11.07.2017 | 15:30 | Tipp 
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Altersvorsorge auf dem Acker: Mehr als nur ein gefüllter Sparstrumpf

Jeder, der in der Landwirtschaft arbeitet, weiß, dass dieser Beruf hart ist. Nicht nur, aber vor allem wegen der langen Arbeitszeiten und der körperlichen Belastung. Doch zu wenige Landwirte und vor allem Angestellte denken über das „Später“ nach. Eine kleine Hilfestellung soll der folgende Artikel geben.

Altersvorsorge Landwirtschaft
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Für Landwirte bedeutet Altersvorsorge mehr als Finanzielles. Auch die körperlichen Tatsachen wollen berücksichtigt werden. (c) fotolia.com / oticki
Er will nicht nur die finanziellen Aspekte betrachten, sondern auch die persönlichen – denn was nützt eine gute Altersvorsorge, wenn der Körper wegen eines harten Agrarlebens nicht mehr mitspielt?

Früher war alles besser?

Doch um den ist-Zustand zu beurteilen, muss man erst einmal einen Blick auf das Vergangene werfen. Und da war die Familie, die Altersvorsorge. Noch bis 1957 war es Usus, dass ein Bauer, wenn er sich zu alt für den Beruf fühlte, schlicht vom Hauptgebäude seines Hofs in den alten Teil bzw. das Ausgedingehaus umzog und dem Jungbauer, Sohn oder Schwiegersohn das Feld überließ.

Auch wenn diese Praxis Jahrhunderte lang zumindest bei Bauern mit Nachwuchs leidlich gut funktionierte und es auch immer noch tut, so hatte sie doch ihre Lücken. Die wohl drängendste: Der Altbauer war finanziell auf seinen Nachfolger angewiesen. Da änderten auch umfangreiche Verträge, die zur Pflege in guten wie in schlechten Tagen verpflichteten, nichts.
Erst 1957 wurde die Landwirtschaft mit dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte Teil der längst etablierten staatlichen Rentenversicherung und das Prinzip trägt bis heute fort.

Bisheriges System reichte oft nicht

Seit der letzten Änderung im Jahr 2011 wird ab Ende der Übergangsfrist mit Stichtag 31.12.2017 das bisherige System abgelöst. Die Oberhoheit haben nicht mehr die landwirtschaftlichen Alterskassen, sondern die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG). Nach den aktuellen Regeln sieht es so aus, dass sich das Prinzip auf eine Pflichtversicherung stützt und zwar für:

Wer zu dieser Gruppe gehört, muss in die Pflichtversicherung einzahlen. Allerdings gibt es auch Ausnahmen:

  • Wer durch eine Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft ein jährliches Entgeld von mindestens 4.800 Euro erzielt

ODER

  • Durch Kindererziehung oder Pflege in der regulären staatlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist,

Früher war alles besserBild vergrößern
Die reizvolle Vielfalt des landwirtschaftlichen Berufs ist auch dessen Krux, denn dadurch sind die Belastungen breit gestreut. (c) fotolia.com / Syda Productions
Und hier liegt auch der Knackpunkt für viele Landwirte, denn solange ein Nachfolger vorhanden ist, funktioniert das System. Gibt es jedoch keinen, muss der Hof verpachtet werden, was wiederum die Vielfalt an Betrieben reduziert. Obendrein gibt es natürlich auch immer die Möglichkeit, dass man schlicht von der gesetzlichen Rente nicht leben kann.

Absicherndes „Dreigestirn“ als Basis

Aus diesem Grund sei selbst jungen Landwirten dringend empfohlen, ihre späteren Ansprüche frühzeitig auszurechnen und dementsprechend gegenzusteuern. Basis dessen sollte mindestens das klassische Dreigestirn aus  

  • Staatlicher Rente
  • Betrieblicher Altersvorsorge
  • Privater Altersvorsorge
sein. Auch wenn man zu der Kategorie Landwirt gehört, die sich von der Pflichtversicherung befreien lassen können, so ist von dieser, meist aus zu kurzfristigem finanziellen Denken entstehenden Lösung, doch dringend abzuraten.
Landwirtschaftlicher BerufBild vergrößern
Die reizvolle Vielfalt des landwirtschaftlichen Berufs ist auch dessen Krux, denn dadurch sind die Belastungen breit gestreut. (c) fotolia.com / Syda Productions
In diesem Trio bekommt vor allem die betriebliche Altersvorsorge für alle landwirtschaftlichen Angestellten eine gewichtige Bedeutung. Die tragende Basis dieser Vorsorgeform ist es, dass ein Arbeitnehmer einen Teil seines Lohns dafür aufwendet, in eine privat organisierte Absicherungsform zu investieren. Hier existieren zwar mehrere Modelle von der Pensionskasse über Fonds bis hin zu Unterstützungskassen oder Direktpensionen aus dem Betriebsvermögen.

Die für landwirtschaftliche Betriebe jedoch attraktivste Variante dürfte die Direktversicherung sein. Dabei wird das Geld entweder vom Arbeitnehmer allein oder aufgeteilt zwischen ihm und dem Betrieb in eine Lebens- oder Rentenversicherung ein- und ab Erreichen des Rentenalters ausgezahlt. Bei der privaten Altersvorsorge sind sowohl Betriebsinhaber als auch Angestellte wiederum auf sich alleine gestellt. Meist kommt hier eine Form der Riesterrente zum Einsatz, die primär auch dem landwirtschaftlichen Sektor offensteht. Allerdings: Es steht zu befürchten, dass selbst diese, einst wasserdichte Absicherung, mittel- bis langfristig nicht ausreichen könnte. Daher sind weitere Maßnahmen dringend empfohlen. Etwa:
  • Sicherstellung regelmäßiger Einkünfte durch Pachten
  • Investition in erneuerbare Energien, um dadurch Einkommen zu erzielen
  • Ankauf von Mietobjekten und eine (Neben-) Tätigkeit als Vermieter

Dabei sollte darauf geachtet werden, dass das Risiko gering und die Erträge regelmäßig sind. Maximaler Gewinn ist eher zweitrangig, es geht hier darum, ein sicheres Zusatzeinkommen zu generieren. Übrigens sind gerade Mietobjekte deshalb gut geeignet, weil hier die Einnahmen jeden Monat zu einem festen Zeitpunkt fließen, wohingegen die meisten anderen Anlageformen in größeren Abständen ausbezahlt werden.

Körperliche Pflege ist Voraussetzung

Man kann sein Leben lang in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, kann ein ausgeklügeltes System aus Betriebsrente und privater Altersvorsorge haben und dennoch, wenn es Zeit wird, diese Früchte eines langen Arbeitslebens kaum genießen können. Dabei ist noch nicht einmal von typisch landwirtschaftlichen Berufskrankheiten die Rede, sondern von der ganz normalen Arbeitsbelastung eines Landwirts, die ihren Tribut fordern kann. Arbeitszeiten von 2.000 oder mehr Jahresstunden klingen, auf 52 Wochen heruntergerechnet, nach nicht viel. Bedenkt man jedoch die Stoßzeiten zur Aussaat oder Ernte, sammelt so mancher Landwirt 20-Stunden-Arbeitstage en Masse an. Natürlich ist das notwendig, aber es ist eben eine rein medizinische Tatsache, dass lange Arbeitszeiten krank machen.

  • Das Herz-Kreislauf-System wird über Gebühr belastet, das Infarktrisiko steigt um 60 und mehr Prozent.
  • Das Risiko für Depressionen erhöht sich.
  • Schlaf- und Konzentrationsstörungen folgen und verschlimmern die Risiken noch weiter.
AgrochemieBild vergrößern
Auch der Einsatz von Agrochemie kann langfristig schädigen, weil viele Landwirte die nötigen Schutzmaßnahmen vernachlässigen. (c) fotolia.com / Ingo Bartussek
Und wer zu den Landwirten gehört, die immer mehr auf Technik setzen, weiß auch, wie unglaublich monoton es sein kann, Stunde um Stunde auf dem Schlepper zu sitzen, der dank GPS und Co. praktisch alles selbst macht.

Natürlich ist es in der Branche ausgeschlossen, „mal eben“ die Arbeitszeiten zu verkürzen. Das bedeutet aber nicht, dass man diese Belastungen hinnehmen muss, weil es schon immer so getan wurde. Ein gut aufgestellter landwirtschaftlicher Betrieb erlaubt es, dass „der Chef“ außerhalb der heißen Phasen eine kontrollierende Funktion einnimmt – und das sollte man bei allem Verständnis auch wahrnehmen. Etwas länger schlafen, Kurzurlaube, Entspannungsübungen. Das sind alles Faktoren, die auch in einem stressigen Gewerbe die Gesundheitsrisiken senken können.

Insbesondere die genannten Entspannungsübungen sind dabei große Helfer. Denn es geht hier nicht um Yoga oder ähnliche Techniken, die so mancher Landwirt aufgrund falscher Männlichkeitsideale ablehnt, sondern Dinge, die notfalls auch auf dem Traktorsitz erledigt werden können:
  • Statt Fahrspur oder Bildschirm für einige Minuten mit den Augen einen festen Punkt in der Ferne fokussieren.
  • Bei einer Pause alle Gelenke „ausschütteln“ und zehn schnelle Hampelmänner machen.
  • Künstlich lächeln, Dadurch werden Nerven aktiviert, die dem Gehirn tatsächlich gute Laune entlocken.
  • 15 Sekunden lang einatmen, 15 Sekunden lang Luft anhalten, 15 Sekunden lang ausatmen. Dies klärt das Gehirn, beruhigt und verbessert die Denkleistung.

Schon mit solchen kleinen Tricks wird Stress abgebaut und Körper und Geist können sich besser von den Belastungen erholen.

Auch der Körper ist ein Schlepper, der Wartung benötigt

Der Beruf des modernen Landwirts ist weniger körperlich anstrengend als früher. Das jedoch eröffnet weitere Probleme. Denn nun krankt der bäuerliche Körper sowohl an Leiden, die typisch für dauerhaft sitzende Arbeiten sind, als auch solchen, die bei körperlich anstrengenden Berufen zum Schadensbild gehören. Gleich ein doppelter Nachteil, denn es verschleißt einen unter dem Strich schneller.

LandwirtBild vergrößern
Viele Landwirte ernähren sich, dem Alltag geschuldet, einseitig. Zur Erhalt der Arbeitskraft ist jedoch das genaue Gegenteil unabdingbar. (c) fotolia.com / lukasvideo
Dabei sollte man auch als Landwirt seinen Körper wie jedes andere Stück der Technik auf dem Hof betrachten. Ohne Wartung wird jeder Pflug, jeder Schlepper, jeder Vollernter irgendwann ausfallen. Und zwar genau dann, wenn man ihn am wichtigsten braucht. Eine Schulterzerrung während der Ernte? Nein, danke. Um dieser Belastung optimal zu begegnen, muss man versuchen, sie einerseits direkt zu reduzieren und andererseits die Auswirkungen zu bekämpfen.

Zu den Reduktionsmaßnahmen gehören:
  • Korrektes Sitzen. Sowohl am Schreibtisch als auch auf Traktor und Co. Das bedeutet so aufrecht wie möglich und auch, dass der Sitz auf das eigene Gewicht und die richtige Höhe eingestellt wird.
  • Kein ruckartiges Belasten. Heben schwerer Gegenstände immer nur aus den Knien, nie dem Rücken heraus.
  • Das Tragen der PSA bei entsprechenden Tätigkeiten.
  • Eine ausgewogene Ernährung und der Verzicht auf große Mengen Alkohol und Nikotin.

Das allerdings ist nur eine Seite der Medaille, denn selbst wer diese Grundregeln im Alltag einhält, hat dennoch ein hohes Risiko, dass sein Körper verschleißt und ihm im Rentenalter Probleme macht. Aus diesem Grund müssen auch die Auswirkungen bekämpft werden, wo sich die Ursachen nicht weiter reduzieren lassen.

  • Regelmäßige Vollbäder in heißem Wasser, am besten allabendlich. Das macht nicht nur die Muskeln geschmeidig und entspannt sie, sondern hilft auch bei Gelenkproblemen, wie Gicht. Außerdem entspannt eine solche halbe Stunde im warmen Wasser auch ungemein den Geist.
  • Wenn der Schlaf schon nicht ausreichend lang sein kann, muss er so erholsam wie möglich sein. Eine auf den eigenen Körper bestens abgestimmte Matratze ist die Grundlage dazu, auch wenn eine solche schnell mehrere hundert Euro kostet.
  • Ein Hobby, das einem wirklich Freude bereitet. Idealerweise ist dies kein Teamsport oder Ähnliches, das einen in ein weiteres, starres Zeitkorsett zwingt, sondern ein Hobby, das man zeitlich völlig frei gestalten kann.
  • Das eigene Körpergewicht im Griff behalten. Übergewicht belastet Kreislauf und den Bewegungsapparat, aber auch ein zu geringes Gewicht ist nicht gesund.
  • Regelmäßige Checkup-Untersuchungen beim Hausarzt um „Baustellen“ zu erkennen und gezielt angehen zu können, bevor sie zum Problem werden.

All diese Maßnahmen sind für zweierlei Dinge gut. Erstens ermöglichen sie es dem Landwirt, während seiner Lebensarbeitszeit die Belastungen für Körper und Geist so gering wie möglich zu halten. Und zweitens werden sie so zum Mittel, damit auch jenseits des Rentenalters der Körper noch fit genug ist, um ein wirklich erfülltes Dasein im Altenteil führen zu können und nicht vor lauter Gebrechen weder ein noch aus zu wissen.

Korrektes SitzenBild vergrößern
Auch Landwirtinnen haben mit den gleichen körperlichen Problemen zu kämpfen, wenngleich hier Entspannungsübungen weniger „Macho-stigmatisiert“ sind. (c) fotolia.com / Aleksej
Pd
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Kommentare 
cource schrieb am 12.07.2017 08:41 Uhrzustimmen(18) widersprechen(17)
vor dem ackerbau und der viehzucht gab es die nomaden, die haben höchstens drei stunden am tag gearbeitet und sich dem rest des tages der sozialen gemeinschaft gewidmet---das schindern der bauern wurde erst durch den hohen konsum an fleisch/brot/käse möglich ohne diese drogen wäre der bauer niemals in der lage 12 stunden am tag zu schindern, sobald der bauer diese drogen absetzen würde, wäre er automatisch geistig/körperlich nicht mehr in der lage dieses leistungspensum aufrecht zu erhalten, ergo: der mensch wurde nicht zum schindern geboren, das steht schon in der bibel:"Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch..."---lasst euch nicht für den profit der ernährungsindustrie verheizen
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