Eine Staubwolke glitzert im Nachmittagslicht, beim Anblick des frischen Grüns laufen die mehr als 900 Schafe schneller, die Hündin sorgt bellend und schwanzwedelnd für Ordnung in der Herde, scheucht ein paar neugierige Lämmer wieder zurück auf den Weg.
Minutenlang ist es laut, dann haben Mutterschafe und die jeweiligen Lämmer zueinander gefunden, weiden friedlich und lassen sich das frische Gras schmecken. Schuhmacher schiebt den Hut zurück, seine blauen Augen wandern über die Herde. Jetzt fehlt nur noch ein Pfeifchen zur kompletten Schäferidylle.
Das finden auch die Ausflügler und Touristen, die immer wieder auf Schuhmachers Herde stoßen - eher zum Leidwesen des 66-Jährigen, dessen Hof in der Nähe der Eschbacher Klippen und damit einem beliebten Ausflugsziel steht. Seit Beginn der Corona-Pandemie kommen die Ausflügler nicht mehr nur am Wochenende, und ihre Zahl hat zugenommen.
Nicht immer sind die Besucher für Schuhmacher ein Grund zur Freude. Denn viele glaubten, die Felder seien Allgemeingut und die Wirtschaftswege der Landwirte reine Touristenpfade für Spaziergänger und Radfahrer. «Die stören schon, wenn sie überall ausschwirren», meint er.
«Fährt man in den Wald, laufen da die Leute mit Stöpsel im Ohr und Handy in der Hand und hupt man, werden die oft aggressiv und schreien rum wegen Staub. Dabei will ich doch nur zu meinen Schafen.» Und ohne Auto gehe es nun mal nicht, wenn das Weidegebiet der Schafe mit einem Elektrozaun gesichert wird.
«Die wissen gar, was sie alles kaputt machen, wenn sie auf dem Feld Federball spielen oder ein Picknick machen», klagt Schuhmacher. Wenn er mit seinen Schafen von Weidefläche zu Weidefläche ziehe, seien besonders freilaufende Hunde ein Problem. «Die laufen überall drüber, keiner hält sich an die Schilder zur Leinenpflicht während der Brut- und Setzzeit. Und wenn man sich beschwert, heißt es immer, der will doch bloß spielen.» Freilaufende Hunde machten allerdings seine Schafe nervös.
Zwar gibt es Bauernvertreter, die in der Landflucht der Städter durchaus Vorteile sehen. «Gerade unsere
Direktvermarkter profitieren, da man sich besinnt, woher die Produkte kommen», so Karsten Schmal, der Präsident des Hessischen Bauernverbands. Es sei auch wichtig, dass der Dialog zwischen Landwirten und Verbrauchern in Gang komme.
Schuhmacher hingegen ist froh, wenn er möglichst wenig mit den Touristen zu tun hat, die ihm häufig ungefragt erzählen, was für einen relaxten Job er doch habe. «Jeder hat seinen Kommentar zu geben: Die Schafe stehen in der Sonne. Die frieren, es ist doch nass», erzählt er kopfschüttelnd. Und wehe, ein Ausflügler sehe etwa ein tot geborenes Lamm: «Die wollen da gleich mitsterben. Sie müssen da mal schnell kommen, heißt es dann.» Schuhmacher kann diese Aufregung nicht verstehen. «Wenn's tot ist, ist's tot - da brauch ich auch nicht rennen.»
Das Problem sei nicht allein, dass so mancher Städte Tiere völlig vermenschlichen, sondern dass manche Ausflügler sich ausgesprochen rücksichtslos verhalten, ergänzt Elke Schuhmacher, die Frau des Schafbauern.
«Da sind Leute, machen Camping oder lassen Müll liegen - und das geht nicht.» Andere würden richtig aggressiv, wenn Landwirte mit dem Auto durchfahren, und Spaziergänger oder Radfahrer einstauben. «Das sind unsere Arbeitswege - das verstehen die nicht. Wenn die Leute sich ein bisschen vernünftig verhalten, geht das schon. Aber manche wollen nicht sehen, dass sie zu Gast sind.»