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02.07.2013 | 11:04 | Hofnachfolge 

Bauer sucht Hof

Falkenstein - Moritz Kremer schaut auf seine Herde im Stall - 60 braune Milchziegen, alle kennt der 29 Jahre alte Landwirt beim Namen.

Ziegenhaltung
(c) proplanta
«Keine Ziege ist wie die andere, jede hat ihren eigenen Kopf.» Kremer, Dreitagebart, leuchtend blaue Augen, die dunkelblonden Haare zur Seite gegelt, hat sich seinen Traum erfüllt: Der Großstädter ist aufs Land gezogen, um Milchziegenbauer zu sein. Sein Hof liegt mitten im Bayerischen Wald, umrandet von Getreidefeldern und grünen Hügeln.

Kremer ist Quereinsteiger. Gemeinsam mit seinem Vater Raymund, Architekt, hat er den Betrieb gegründet. Nach dem Abitur machte er eine Ausbildung als Bauzeichner. «Doch während der Lehre habe ich gemerkt, dass ich ein Landwirtschafts-Gen habe.» Dann sattelte er auf Bauer um; die Familie kaufte einen leerstehenden Reiterhof in Falkenstein. Alles hat gepasst: «Gesucht, verliebt, gefunden», erinnert sich der Neulandwirt.

Kremer liegt im Trend: Der Beruf des Landwirts gilt wieder als attraktiv. Viele Interessenten besitzen keinen Hof, können sich aber ein Leben als Bäuerin oder Bauer vorstellen. Es sind junge Einsteiger, die ein Studium oder eine Ausbildung absolviert haben, aber auch Aussteiger aus anderen Berufen mit Kapital im Rücken.

«Diese Leute wollen zurück zu den Wurzeln», sagt Gertraud Gafus von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Niemand müsse als Landwirt geboren sein, um Freude zu empfinden, «wenn ein Bienenvolk vorbei fliegt, ein Kalb auf die Welt kommt oder eine Streuobstwiese im Mai blüht». Der Beruf ist anspruchsvoll geworden: «Bauer sein bedeutet mehr als Kühe melken und mit dem Schlepper über Äcker fahren», sagt Katja Gilbert vom Verband Bioland in Bayern. Management, Marketing, Vertrieb und Personalführung seien mindestens so wichtig wie die Stallarbeit: «Ein Landwirt ist ein Unternehmer.»

Karl Huber, Ausbildungsberater im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Rosenheim, bestätigt: «Immer mehr junge Leute, die keinen Hof haben, machen eine Lehre zum Landwirt. Früher war das ein Tabu.» Auch an den Hochschulen ist der Trend erkennbar. In Weihenstephan-Triesdorf kommt die Hälfte der Studenten im Studiengang Landwirtschaft nicht mehr «vom Hof».

Für Neueinsteiger besteht das größte Problem darin, einen Hof zu finden. Dabei wächst die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe, die oft vergeblich einen Nachfolger suchen. Laut Statistischem Bundesamt gaben ungefähr zwei Drittel aller Betriebe an, dass sie keinen Nachfolger haben oder die Nachfolge ungeklärt ist.

«Früher war es ein Schicksal, als Bauernsohn geboren zu sein. Man hatte als Erstgeborener keine Wahl und musste den Hof der Ahnen weiterführen, auch wenn man ganz andere berufliche Ziele oder Träume hatte», sagt Christian Vieth, Leiter der Hofbörse «hofgründer.de».

Die Zeiten haben sich geändert: Viele wollen nicht mehr mit den Hühnern aufstehen oder sehen keine wirtschaftliche Perspektive. Dann sterben die Höfe. Die Altbauern wollen nicht die letzten sein, die im Stall das Licht ausmachen. Trotzdem fällt es ihnen schwer, den Hof in fremde Hände zu geben.

Deshalb hat Vieth die Hofbörse ins Leben gerufen. Sie soll Landwirte ohne Hof mit Altbauern ohne Nachfolger zusammenbringen. Im Moment sind 74 Anbieter und 154 Suchende registriert. 3.000 Kontakte konnte das Netzwerk nach eigenen Angaben allein im vergangenen Jahr herstellen. Mit guten Konzepten fänden viele Einsteiger ihre Nische und hätten auch mit kleinen Betrieben eine Chance auf dem umkämpften Markt.

Auch die EU-Landwirtschaftsminister wollen gegen das Höfesterben vorgehen. In der vergangenen Woche haben sie sich auf eine Reform der EU-Agrarpolitik geeinigt. Zu den Gewinnern zählen Junglandwirte unter 40 Jahren. Sie sollen Extrafördergelder bekommen, wenn sie einen Hof übernehmen oder einen eigenen Betrieb aufbauen. Nur sieben Prozent der Bauern sind derzeit nach Angaben des Europäischen Rates der Junglandwirte unter 35 Jahre alt.

Viel zu lange habe allein die Erbfolge den Generationenwechsel auf dem Land bestimmt, meint Moritz Kremer. Gerade Einsteiger, die nicht «vom Hof» kommen, würden neue Ideen in die Landwirtschaft bringen. Die Politik und der Berufsstand müssten Einsteiger fördern: «Wir brauchen eine Greencard für die Landwirtschaft.» (dpa)
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