Es sind jeweils nur vier Buchstaben. Doch hinter den Kürzeln Ceta und TTIP verbergen sich heftige Lobbyschlachten in Brüssel und Washington. Es geht um einen Milliardenhandel, um Chancen auf Millionen Arbeitsplätze - aber eben auch die großen Sorgen vieler Bürger in Europa, dass Politik und Wirtschaft sie hinter den Kulissen über den Tisch ziehen.
Was ist TTIP? Und was Ceta?
Die Abkürzung TTIP steht für «Transatlantic Trade and Investment Partnership», auf Deutsch: Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen. Ziel ist es, Zölle, unsinnige Vorschriften oder Hürden für Investitionen abzubauen, damit der Handel zwischen den beiden Wirtschafts-Supermächten EU und USA stärker floriert. Das soll zusätzliche Milliardenumsätze und Millionen neue Jobs schaffen.
Der Mega-Vertrag soll fertig sein, bevor US-Präsident Barack
Obama Anfang 2017 das Weiße Haus verlässt. Ein ähnliches Abkommen mit Namen Ceta (Canada-EU Trade Agreement) ist zwischen der EU und Kanada fertig ausgehandelt.
Deutschland lebt seit Jahrzehnten gut vom Export - warum gehen jetzt so viele auf die Barrikaden?
EU-Kommission und Bundesregierung unterschätzten zunächst die Ängste vieler Bürger. Erst als Globalisierungsgegner eine Protestwelle über soziale Medien aufbauten und vor einer Aushöhlung von Demokratie und EU-Schutzstandards warnten, rückten sie mehr Informationen heraus. Echte Transparenz aber gibt es weiter nicht. Die Verhandlungen finden im Geheimen statt. Die Öffentlichkeit erfährt meist nur aus unter der Hand weitergegeben Dokumenten, was Washington und Brüssel aushandeln.
Was bedeuten die Schutzklauseln für Konzerne im Kanada-Abkommen?
Bestimmte Regeln, dass sich ausländische Unternehmen gegen staatliche Willkür wie Enteignungen wehren können, gibt es seit Jahrzehnten in Handelsabkommen. Deutschland hat über 130 solcher Abkommen, die deutschen Firmen in korrupten Entwicklungsländern oft helfen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist sich mit Kritikern einig, dass solche Schutzklauseln zwischen Kanada, den USA und Europa überflüssig sind, weil es in den westlichen Demokratien ja ordentliche Gerichte gibt, die Konzerne anrufen können. Dennoch steht der Investorenschutz mit Klagemöglichkeiten vor Schiedsgerichten nun im Ceta-Vertrag.
Kann Gabriel das noch korrigieren - und warum ist das politisch so wichtig?
Dem SPD-Chef sitzt der linke Flügel seiner Partei im Nacken. Um eine Zerreißprobe abzuwenden, setzte Gabriel - nach erheblichen internen Druck - kürzlich auf einem kleinen Parteitag ein Papier mit «roten Linien» für TTIP und Ceta durch, hinter dem auch die Gewerkschaften stehen. Für Gabriel ist das kein leichter Spagat. Er muss die kritischen Genossen pflegen und von den Vorzügen der Abkommen überzeugen, zugleich ist er als Wirtschaftsminister in der Pflicht, das Beste für die deutsche Exportindustrie herauszuholen.
Sind die Schutzklauseln denn wirklich so gefährlich?
Gabriel hat gerade ein Gutachten vom Max-Planck-Institut für ausländisches Recht bekommen. Danach sei der ganze Investitionsschutz in Ceta so löchrig wie ein Schweizer Käse. Ausländische Konzerne seien besser beraten, vor deutschen Gerichten zu klagen. Auch sei es ein Märchen, dass Investoren schon Schadenersatz bekommen, wenn
Bundestag oder Bundesländer neue Gesetze und Verbote erlassen.
Grüne und Linke überzeugt das nicht. Der Gutachter arbeite selbst als Schiedsrichter in solchen Verfahren. Und: Der kanadische Rohstoffkonzern Lone Pine hat die Provinz Québec verklagt, weil ihm das dortige Fracking-Verbot zur Gasförderung nicht passt.
Was kritisieren Verbraucherschützer und Globalisierungsgegner?
Sie fürchten, dass die Lobby-Interessen der Konzerne überwiegen. Die Protestbewegung Campact hat im Internet schon fast 700.000 Unterschriften gegen TTIP gesammelt. Die Liste der Vorwürfe ist lang: In den Kommunen drohten Privatisierungen von Wasser, Bahn, Gesundheit und Bildung. Die US-Agrarlobby wolle in Europa Gen-Essen, Hormonfleisch oder mit Chlor desinfizierte Hühnchen verkaufen. Der
Datenschutz werde ausgehöhlt. Brüssel weist das alles zurück.
Hat der Bundestag bei Ceta und TTIP das letzte Wort?
Ein heikler Punkt. Die
EU-Kommission steht auf dem Standpunkt, dass die Verträge «EU-only» sind. Die Kommission verhandelt, dann müssen EU-Parlament und Rat zustimmen. Rechtlich ist das umstritten. Die Bundesregierung pocht darauf, dass der Bundestag und die Parlamente der anderen 27 EU-Länder grünes Licht geben müssen.
Das erhöht aber das Risiko, dass die Abkommen sich um Jahre verzögern oder ganz durchfallen. Am Ende dürfte es eine politische Entscheidung geben - ohne Einbeziehung der Parlamente würde der öffentliche Druck der TTIP-Gegner sicher übermächtig werden. (dpa)