Klingt nach Bilderbuch. Und ist, wenn auch überspitzt, was sich die Deutschen von ihrer Landwirtschaft wünschen.
Ein paar Zahlen: 93 Prozent ist das Wohl der Tiere wichtig, wie das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz herausgefunden haben. 92 Prozent finden, die Landwirtschaft solle auf den Erhalt von Böden und sauberem Grundwasser achten. 91 Prozent halten es für schädlich, Unkraut und
Schädlinge mit Chemikalien zu Leibe zu rücken. Das sind jeweils mehr als neun von zehn Befragten. Und 84 Prozent sind dafür, die Biolandwirtschaft auszubauen.
Klingt nach einem klaren Auftrag an Branche und Politik.
Greenpeace jubelt: «Die Menschen haben genug von schockierenden Bildern aus der Massentierhaltung, von Lebensmittelskandalen und den fatalen Folgen gefährlicher Pestizide.» Der Geschäftsführer des Bio-Dachverbandes
BÖLW, Peter Röhrig, mahnt: Die Politik sei gefordert, Bio eine starke Perspektive in Deutschland zu geben. «Bio zeigt, wie eine Landwirtschaft funktioniert, die die Menschen wollen.»
Nur: Die Ergebnisse der vierten Studie zum Naturbewusstsein der Deutschen passen nicht zu deren Verhalten zum Beispiel im Supermarkt. Natürlich müssen
Agrarprodukte nicht zwangsläufig bio sein, damit sie natur- und tierfreundlich hergestellt sind. Aber selbst wenn man im Hinterkopf behält, dass ein Hof in dieser Hinsicht auch ohne Biosiegel vorbildlich arbeiten kann, sind die Zahlen eindeutig.
Bio-Produkte machten 2014 nur 4,4 Prozent des Lebensmittelumsatzes in Deutschland aus, meldet der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Beim Fleisch sieht es der Verbraucherschutz-Organisation
Foodwatch zufolge noch extremer aus: Für Geflügel liegt der Bio-Anteil bei 0,7 Prozent, für Schwein bei 1,2 Prozent und für Rind bei 2,4 Prozent. Jeder Deutsche gab im Jahr 2014 im Schnitt 97 Euro für Öko-Lebensmittel aus - nicht mal 27 Cent am Tag.
«Das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen privater Haushalte beträgt etwa 4.100 Euro, das muss für alles reichen - Urlaub, Auto, Smartphone und so weiter», sagt der Wirtschaftswissenschaftler Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU. «Da wird gerne bei Lebensmitteln gespart.»
Wie kommt es dann, dass - nach der am Mittwoch vorgestellten Studie nach - 83 Prozent der Deutschen für strengere Regeln und Gesetze für den Naturschutz in der Landwirtschaft sind, auch wenn Lebensmittel dadurch teurer werden könnten? Und 74 Prozent eine staatliche Förderung naturverträglicher Landwirtschaft befürworten, auch wenn das zulasten der Steuerzahler geht? Fassnacht ist nicht überrascht: «Auf dem Fragebogen sind alle bereit, mehr Geld zu bezahlen - das sind sozial erwünschte Antworten.» Von dahin bis zum Handeln sei es aber ein weiter Weg.
Auch Umweltministerin Barbara Hendricks (
SPD) räumt ein, dieser Widerspruch sei nicht von der Hand zu weisen. Bürger wollten Tierwohl und Naturschutz, kauften trotzdem «für den Grillabend das Kilo Schweinefleisch für 3,90 Euro», sagt sie. Die Zahlen versteht sie trotzdem als klares Votum der Deutschen für eine Agrarwende - hin zu mehr
Nachhaltigkeit, Tier- und Naturschutz.