Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
30.06.2011 | 04:53 | DLG-Tagung Agrarmärkte 

Deutscher Qualitätsweizen geht seinen Weg im Drittlandsexport

Göttingen - Die Tagung „Agrarmärkte“, die kürzlich von der DLG-Akademie in Göttingen durchgeführt wurde, war ein Spiegel der Turbulenzen auf den Weltagrarmärkten.

Getreideexporte
Unter dem Thema „Knappes Angebot, Investoren, Preisturbulenzen - Marktaussichten für die Ernte 2011“ diskutierten Praktiker, Wissenschaftler, Marktexperten und Finanzinvestoren die gegenwärtigen Entwicklungen. Im laufenden Jahr wird abermals ein knappes Angebot an landwirtschaftlichen Rohstoffen mit entsprechenden Auswirkungen auf Märkte und Preise herrschen, davon geht DLG-Vorstandsmitglied und Landwirt Carl Christian von Plate (Imbshausen/Niedersachsen) aus.

„Wir befinden uns unverändert in einem klassischen Wettermarkt, in dem die unterschiedlichen Wettermeldungen Unsicherheit bezüglich der zu erwartenden Erntemengen und damit auch für die Preisentwicklung bewirken“, fasste von Plate die aktuelle Situation zusammen. „Fundamentale Daten“, soweit diese denn überhaupt mit ausreichender Sicherheit in Erfahrung zu bringen sind, seien nur zu mehr oder weniger kleinen Teilen für Preisentwicklungen maßgebend. Viel entscheidender wirken sich häufig die „Turboeffekte“ aus, die von „umhervagabundierendem“ Welt-Finanzkapital ausgehen. Anders als noch vor wenigen Jahren haben sich Agrarrohstoffe zu einem beliebten Spekulationsobjekt entwickelt, was Markt- und vor allem Preiseinschätzungen nicht leichter machten, so der niedersächsische Landwirt.


Rendite treibt Investoren in Agrarmärkte

Auf die Frage, welche Strategien Finanzinvestoren auf den Agrarmärkten verfolgen, machte Mathias Schmid, Vorstand der Concord Capital AG aus Frankfurt am Main deutlich, dass die Agrarwelt zahlreiche Investitionsmöglichkeiten biete. Investitionen würden getätigt in Rohstoffe, Produktionsmittel, Boden und Finanzierungen von Projekten. Für die sogenannten Hedge-Fonds würden volatile Rohstoffmärkte ein beliebtes Anlageziel bieten, weil kurzfristig hohe Renditen erreicht werden können. Bei Investition in Rohstoffe liegen die Vorteile für Schmid auf der Hand. „Das sind einerseits hochliquide Cash- und Terminmärkte (d.h. physischer Handel und Börsenhandel) sowie andererseits ein breites Spektrum an Finanzprodukten, das den Investoren zur Verfügung steht.“

Als Vorteil für die Investoren sieht Schmid die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft, die zu einer höheren Transparenz führe. „Die Suche nach Renditen treibt Investoren in die Agrarmärkte“, erklärte Schmid. Die dabei entstehenden Risiken seien eine ständige Gefahr der kurzfristigen Überbewertung, auch Blasenbildung genannt. Einher gingen damit eine zunehmende Kritik aus der Gesellschaft unter dem Stichwort Nahrungsmittelspekulation und die Gefahr zunehmender staatlicher Regulierungen. Als Beispiele führte Schmid die russischen Exportverbote von Getreide im August 2010 und eine Regulierung der Finanzmärkte an.


Nahrungsmittelberge in teuren Lagerhallen sind passé

Professor Harald von Witzke von der Humboldt-Universität in Berlin sieht das Ende der landwirtschaftlichen Tretmühle gekommen. Die Situation an den Agrarmärkten habe sich komplett gedreht. Die Nachfrage würde das Angebot übersteigen und „Nahrungsmittelberge in teuren Lagerhallen sind passé“. Die Nachfrage nach Nahrungsmitteln wird nach Meinung des Wissenschaftlers global angetrieben durch das Bevölkerungswachstum und das Wachstum des Pro-Kopf-Verbrauchs.

Gekennzeichnet sei die Situation auch durch ein begrenztes Wachstum des globalen Angebotes an Nahrungsgütern, weil die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen begrenzt sind. Von Witzke schätzt, dass bis 2020 eine Ausdehnung der weltweiten Ackerfläche von sieben Prozent möglich ist. Laut eigener Untersuchungen aus dem Jahr 2008 sieht er in Europa ein Potenzial von 4 Mio. ha, in Russland und der Ukraine von 13 Mio. ha, in den USA 15 Mio. ha, in Kanada 2 Mio. ha, in Lateinamerika 45 Mio. ha. in Afrika (Subsahara) 6 Mio. ha, und für Australien und Asien geht er von einem Rückgang der Fläche um 4 Mio. ha aus.


Landwirtschaft braucht Produktivitätssteigerungen und Forschungsinvestitionen

Die Weltmarktpreise für Agrargüter sieht von Witzke weiter auf dem steigenden Ast. Dazu tragen seiner Meinung nach neben dem knappen Angebot zusätzliche Faktoren bei: Angefangen beim Klimawandel und steigenden Energiepreisen. Wasser wird knapper und daher teurer werden. Die rasch wachsende Nachfrage nach Nahrungsqualität und der Schutz der natürlichen Ressourcen und der Umwelt werde die Produktion verteuern. Hinzu komme die wachsende Produktion von Nichtnahrungsgütern wie Bioenergie, Baumwolle, Zierpflanzen, Kautschuk und ähnlichem. Für den Wissenschaftler muss im Zentrum erfolgreicher Strategien im Kampf gegen Hunger, Mangelernährung und Klimawandel das landwirtschaftliche Produktivitätswachstum stehen. Dazu zähle der Transfer produktiver Technologien in die am wenigsten entwickelten Länder (LDC, Least Developed Countries) und die Erhöhung der Investitionen in die Landwirtschaft und die Agrarforschung.


Deutscher Qualitätsweizen gut geeignet für Drittlandsexporte

Mit einem Blick auf die aktuellen Marktentwicklungen vor der Ernte 2011 hat vor allem qualitativ hochwertiger Weizen aus Deutschland gute Absatzchancen am internationalen Markt. Das ist die Einschätzung von Bernhard Chilla von der Viterra Deutschland GmbH in Hamburg. Das kanadische Unternehmen, das 2007 aus dem Zusammenschluss zweier Genossenschaften entstanden ist und seinen Hauptsitz in Winnipeg hat, betreibt seit 2010 seine Europa-Niederlassung am Hamburger Standort.

Als bevorzugte Absatzregionen für europäischen Weizen sieht Chilla den Mittleren und Nahen Osten, aber auch Teile von Afrika. In Ländern wie Saudi Arabien und dem Jemen, aber auch in Nigeria oder Südafrika, wird deutscher Weizen geschätzt und gut bezahlt, so Chilla. Er fügte hinzu, dass die Drittlands-exporte sich für die hohen Qualitäten häufig trotz der großen Transportentfernungen eher lohnen als beispielsweise der Verkauf ins benachbarte Holland.

Die Wettbewerbsverhältnisse machte der Marktexperte ebenfalls deutlich. Dabei unterscheidet er zwischen Angebot und Marke. Dann der in Nordamerika angebaute „Hard Red Winter“-Weizen, ein Brotweizen mit durchschnittlich 12,5 % Proteingehalt, der an der Warenterminbörse in Kansas City gehandelt wird. Unter dem Namen „Hard Red Winter“ habe sich dieser Weizen am Weltmarkt zu einer echten Marke entwickelt, die mit bestimmten Qualitätseigenschaften verbunden wird.

„Das ist ein eindeutiger Marketingvorteil gegenüber den deutschen Bezeichnungen, die von Eliteweizen über Aufmisch- und Brotweizen im Konsumsegment reichen, hob der Handelsexperte hervor. Mit Blick auf den Ölsaatenmarkt sieht Chilla für die kommende Saison, dass die globale Nachfrage vor allem von China und der EU getrieben wird. Alleine China importiere mehr als die Hälfte des globalen Handelsvolumens. Hier erwartet er auch ein weiteres Wachstum. In der EU hängt die Höhe der Importe nach Einschätzung Chillas auch in Zukunft vom Angebot anderer Ölsaaten ab. Durch die Energiepolitik und die Förderung regenerativer Energien werde vor allem die EU-Biodieselpolitik in Zukunft einen stärkeren Einfluss auf die Handelsströme haben.


Raps ist in Europa knapp - Die Weltölbilanz ist ausgeglichen

In seiner Einschätzung zum Ölsaatenmarkt ging auch Dr. Christian Bickert, Stellvertretender Chefredakteur der DLG Mitteilungen in Frankfurt am Main, davon aus, dass deutscher Raps in dieser Saison aufgrund der erwarteten Ernte Mangelware wird. In Kanada laufe aufgrund der Niederschlagsprobleme die Aussaat schlecht. Die Lücken könnten Dr. Bickert zu Folge gefüllt werden durch Australien und die Ukraine. Aber außer der EU gebe es noch andere Interessenten am Markt. Der Marktexperte der DLG-Mitteilungen erwartet, dass der Warenbezug über den Preis läuft. Darüber hinaus müsse Raps durch Soja ersetzt werden mit der Folge, dass Raps preislich nicht von Soja loskommt.

Für die weiteren Aussichten machte Dr. Bickert folgende Rechnung auf: „Aussicht auf mehr Raps in der EU besteht erst wieder mit der Ernte 2012. In dieser Saison werden hingegen sehr viel mehr Sonnenblumen erwartet, die in der EU bis zu 2,5 Mio. t Raps ersetzen könnten. Sojaöl wird Rapsöl ersetzen, wo immer es geht, und Palmöl ist nicht so knapp.“ Das bedeute unter dem Strich eine in etwa ausgeglichene Weltölbilanz. (dlg)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Internationaler Weizenmarkt: EU verliert Marktanteile an Russland

 Ukraine-Beitritt würde strategische Lage auf Agrarmärkten verbessern

 Getreide-Streit: Polen und Ukraine arbeiten an Lösung

 Getreide aus Russland: Östliche EU-Staaten wollen Importbeschränkungen

 Ukrainische Agrarlieferungen: Verlängerung der Handelserleichterungen nimmt erste Hürde

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken