Was die Verbraucher freut, ist für die
Milchviehhalter in Deutschland eine ernsthafte Bedrohung. Die Preise, die die Landwirte von den Molkereien bekommen, rutschen immer weiter. Die Handelsketten reagieren und verkaufen die Milch immer günstiger. «Das kann so nicht weitergehen», sagt Landwirtin Gisela Beuler aus Grebenhain in Hessen. Ihr Hof im Vogelsberg hat 50 Milchkühe, es waren schon einmal mehr. «Jeder Unternehmer würde schon längst aufhören», sagt sie. Der
Bauernverband schlägt Alarm und befürchtet Milliarden-Einbußen, vor allem bei Milch, aber auch bei Getreide und Schweinen. Die
Wirtschaftskrise schlägt auf die Landwirtschaft durch.
Nach dem Milchliefer-Boykott im Frühjahr 2008 zogen die Milchpreise, die die Bauern von den Molkereien bekommen, zwar vorübergehend an. Doch dann war zuviel Milch am Markt, die Verbraucher reagierten zurückhaltender beim Einkauf und die EU beschloss eine leichte Ausweitung der europaweiten Milchproduktion.
Die Viehhalter bekommen immer weniger für ihre Milch. Gisela Beuler spricht von 23 Cent pro Liter. Ihr Betrieb schreibt derzeit jeden Monat rote Zahlen. «Wie lange wir das aushalten, ist nicht absehbar», sagt die Landwirtin, die den Hof mit ihrem Mann und ihrem Sohn bewirtschaftet. Die Discounter haben die Milchpreise überraschend drastisch gesenkt, nachdem bereits die Bauern weniger von den Molkereien bekommen.
Bauernpräsident Gerd
Sonnleitner sieht zahlreiche Landwirte in Existenznöten. Er bemüht Katastrophenbilder: «Es brennt auf den Bauernhöfen.» Die Bauern fordern erneut ein eigenes Konjunkturprogramm. Aigner, die dies vor einigen Monaten abgelehnt hatte und auf das zweite Konjunkturpaket verwies, ist in der Zwickmühle. Sie steht unter Druck aus Bayern, wo es viele Milchviehhalter gibt. Ein Runder Tisch mit der Lebensmittelwirtschaft im April brachte die Bekräftigung früherer Zusagen, aber auch ein Signal der gemeinsamen Suche nach Lösungen.
Aigner kann zum großen Teil nur appellieren. Für Hilfen über einen Milchfonds aus dem Konjunkturpaket der EU muss sie mit den Ländern reden, an den Milchpreisen kann sie kaum schrauben.
Die Lebensmittelwirtschaft verweist darauf, dass die Verbraucher in der Wirtschaftskrise verstärkt zu Discountware greifen. Der Handel hatte die Kritik der Bauern stets zurückgewiesen und auf den Markt verwiesen. Bei einem Runden Tisch unter Aigners Vorgänger Horst
Seehofer sagte der Handel im Sommer 2008 faire Preise zu. Der Versuch, die
Milchproduktion zu beeinflussen, war im vergangenen Jahr praktisch gescheitert. EU-weit steigen die Produktionsquoten in den kommenden Jahren leicht, um sich auf den geplanten Wegfall der Quoten 2015 vorzubereiten. Dazu kommt das Problem, dass sich Milchviehhalter und Bauernverband nicht einig sind. Milchbäuerin Gisela Beuler geht von weiteren Protestaktionen aus, vielleicht ähnlich wie 2008. «Wir haben bei dem Streik mitgemacht. «Wir haben einen Fehler gemacht. Wir haben zu früh aufgehört.» (dpa)