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14.10.2021 | 04:53 | Jahrhundert-Flut 

Drei Monate nach Flutkatastrophe noch große Probleme

Düsseldorf - Zerstörte Häuser und Straßen, kaputte Heizungen vor dem Wintereinbruch, Antragsbürokratie bei den Fluthilfen - viele Hochwasser-Geschädigte stehen noch vor elementaren Problemen.

Flutkatastrophe
Enorme Müllberge aus den Flutgebieten sind abtransportiert worden. Aber viele Probleme sind geblieben: Wie werden die zerstörten Wohnungen an den kälter werdenden Tagen geheizt? Wann sind Schulen, Straßen, Bahnstrecken wieder nutzbar? Eine Zwischenbilanz für NRW. (c) proplanta
Drei Monate nach der Jahrhundertflut im Westen zogen Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) und die Spitzen von Bad Münstereifel, Eschweiler und Rheinbach am Mittwoch eine erste Zwischenbilanz zum Wiederaufbau.

Das Fazit der Stadtoberhäupter: Wiederaufbau ist eine Langzeitaufgabe, die auch über einen langen Zeitraum Hilfe von Bund und Land erfordert. Dies betreffe neben personeller Unterstützung zum Ausfüllen und zur Bewilligung der Förderanträge vor allem auch die Finanzierung des Hochwasserschutzes sowie abgespeckte Bau- und Genehmigungsverfahren, betonten sie. Rund 180 Städte und Gemeinden in NRW waren und sind von den Folgen der Jahrhundert-Flut betroffen.

Jetzt soll es mit dem Wiederaufbau der kommunalen Infrastruktur vorangehen und Geld fließen beispielsweise für historische Innenstädte, Verwaltungsgebäude, Straßen, Brücken und Pflegeeinrichtungen und die Instandsetzung zerstörter Kläranlagen ebenso wie gefluteter Schlösser.

Das Online-Förderverfahren für den Wiederaufbau der öffentlichen Infrastruktur ist ab sofort freigeschaltet. Neben kommunalen können auch nicht-kommunale Träger von Bildungs-, Kultur-, Sport- und sonstigen Infrastruktureinrichtungen bis zum 30. Juni 2023 Anträge über das Online-Förderportal der Landesregierung stellen.

Förderungen können in der Regel bis zu 80 Prozent der Schadenssumme betragen, in bestimmten Fällen auch bis zu 100 Prozent. Einzelheiten sind in der Förderrichtlinie für den Wiederaufbau geregelt. Das Online-Portal ist erreichbar unter der Webadresse https://www.wiederaufbau.nrw/onlineantrag#login. Auf der Homepage des Bauministeriums gibt es dazu unter anderem Anleitungen in acht Sprachen, Leitfäden auch für Unternehmen und Privatleute sowie eine Liste von Sachverständigen für Schadensbegutachtungen. Für Schäden am Inventar förderfähiger Vereine wird laut Ministerium eine Pauschale in Höhe von bis zu 15.000 Euro gewährt.

Scharrenbach und die exemplarisch zur Zwischenbilanz geladenen Stadtoberhäupter unterstrichen, es gehe nicht darum, alles genau so wiederherzustellen wie es vor der Flut gewesen sei. «Wir werden zum Beispiel das Stadtarchiv, das im betroffenen historischen Rathaus im Keller war, nicht wieder in den Keller setzen», versicherte die Bürgermeisterin von Bad Münstereifel, Sabine Preiser-Marian (CDU).

Der Bürgermeister von Rheinbach im Rhein-Sieg-Kreis, Ludger Banken (parteilos) schilderte, wie strapaziös die Wochen ohne Internet und ohne Telefon in seiner stark vom Hochwasser geschädigten Stadt gewesen seien. «Wir haben in Rheinbach unsere komplette IT im Keller gehabt. Da wird sie nicht bleiben.»

Ziel sei es, die Häuser und die Infrastruktur möglichst so aufzubauen, dass sie sicherer, hochwasserresistenter und im Idealfall schon fit für die bis 2050 angepeilten Klimaziele seien, betonte Scharrenbach. Dies sei jetzt aber nicht überall sofort umsetzbar, erklärten die Stadtoberhäupter. So müssten jetzt etwa Heizanlagen vor Einbruch der Kälte schnell ersetzt werden. Zudem seien Wärmepumpen oder Photovoltaik auch nicht in jeder Lage einsetzbar. «Die Menschen sind froh, wenn sie eine Heizung bekommen», sagte Banken.

Er habe Mobilunterkünfte besorgt und mehrere Hundert Radiatoren für Menschen, die trotz allem in ihren zerstörten Häusern bleiben wollten, berichtete er. 5.000 stark betroffene Haushalte in Rheinbach seien deswegen angeschrieben worden. Solche Lösungen könnten aus der Wiederaufbauhilfe finanziert werden, sagte Scharrenbach. Ihr sei aus den Kommunen bislang kein Engpass an mobilen Heizungen gemeldet worden.

Bad Münstereifel im Kreis Euskirchen wolle sein vor der Zerstörung bundesweit einzigartiges innerstädtisches City Outlet in historischen Fachwerkhäusern bis zum Sommer wieder an den Start bringen, kündigte die Bürgermeisterin an. Dafür müssten die zerstörten Ufermauern wieder hochgezogen und Wege wieder begehbar gemacht werden - jetzt auch barrierefrei. Allerdings gebe es voraussichtlich erst Ende 2023 wieder eine Bahn-Anbindung in die für ihren mittelalterlichen Charme bekannte Stadt. Banken berichtete von Verkehrschaos entlang der gefluteten A 61, das sich erst langsam mit Freigabe einzelner Teilabschnitte wieder entspanne.

Vieles sei aber auch schon geschafft, bilanzierten die Stadtoberhäupter. «Wir haben 29.000 Tonnen Sperrgut und 1.500 Tonnen Baugut mittlerweile aus der Innenstadt herausgetragen», berichtete die Bürgermeisterin von Eschweiler in der Städteregion Aachen, Nadine Leonhardt (SPD). «Wir haben in drei Monaten abgefahren, was wir sonst in 27 Jahren abfahren», beschrieb sie die Müllberge.

In ihrer Stadt seien rund 13.000 von insgesamt 58.000 Einwohnern direkt betroffen gewesen. «Das bedeutet, dass sie ein Haus oder einen Keller oder eine Wohnung haben, die direkt unter Wasser stand.» Menschen, die etwa bloß Telefon- oder Internetausfälle zu beklagen hatten, seien darin nicht eingerechnet. Das überflutete innerstädtische Krankenhaus habe gerade erst wieder öffnen können. Noch immer müssten aber rund 2.500 Schüler mit Bussen in mehreren Schichten in andere Orte zur Schule gefahren werden.

Insgesamt stehen für den Wiederaufbau in NRW 12,3 Milliarden Euro aus dem Aufbaufonds 2021 bereit. Privathaushalte und Unternehmen können daraus bereits seit dem 17. September Hilfen über ein Online-Förderverfahren beantragen. Nach Angaben der Ministerin haben bislang bereits rund 5.500 Privathaushalte und Unternehmen der Wohnungswirtschaft in NRW Anträge gestellt. Seit dem 1. Oktober würden auch schon Bewilligungen ausgesprochen. Insgesamt hätten sich bislang rund 15.800 Betroffene im System registriert.

Unwetter mit ungewöhnlich starken Regenfällen hatten Mitte Juli in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen eine Hochwasserkatastrophe ausgelöst. Allein in NRW starben 49 Menschen. Ganze Landstriche wurden von den Wassermassen verwüstet. Nach ersten Schätzungen entstanden in NRW Schäden in Höhe von etwa 13 Milliarden Euro.
dpa/lnw
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