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15.11.2020 | 11:25 | Subventionsstreit 

EU erhebt Strafzölle auf Tomatenketchup, Wein, Nüsse und Traktoren aus den USA

Brüssel/Washington - Nachdem ein weiterer Einigungsversuch der Europäischen Kommission mit der gegenwärtigen Administration der Vereinigten Staaten zur Beilegung des Subventionsstreits rund um die Flugzeugbauer Boeing und Airbus gescheitert ist, wird die EU nun Strafzölle auf US-Waren erheben, darunter auch auf Agrarprodukte.

Strafzölle US-Agrarprodukte
Wegen unzulässiger Boeing-Subventionen dürfen Zölle bis 3,4 Milliarden Euro jährlich erhoben werden. (c) proplanta
Wie die Brüsseler Behörde vergangene Woche mitteilte, haben die Mitgliedstaaten einem entsprechenden Verordnungsvorschlag grünes Licht erteilt. Erhoben werden die Zölle bereits seit Dienstag (10.11.). Dem Vernehmen nach sollen die EU-Strafzölle in Höhe von 25 % unter anderem auf Tomatenketchup, Wein, Nüsse, Schokolade und gefrorenem Fisch Anwendung finden.

Ebenfalls auf der Liste sollen Traktoren stehen. Ferner sollen Hubschrauber, Fahrradrahmen, Reisekoffer und Spielekonsolen von den Sonderabgaben betroffen sein. Auf Flugzeugimporte von der anderen Atlantikseite werden laut Kommission 15 % Strafzölle aufgeschlagen.

Einem Urteil der Welthandelsorganisation (WTO) von Mitte Oktober zufolge darf die Europäische Union bis zu rund 3,4 Mrd. Euro an Strafzöllen auf Einfuhren aus den USA erheben. Diese Zölle dürfen als Ausgleich für die von der Genfer Organisation offiziell als „unzulässig“ eingestuften US-Subventionen für den Flugzeughersteller Boeing erhoben werden.

Bessere Ausgangsposition erhofft

Im Oktober vorigen Jahres hatte die WTO die USA-bereits dazu berechtigt, als Ausgleich für die europäische Subventionierung von Airbus Sonderabgaben auf EU-Waren imWert von fast 7 Mrd. Euro jährlich zu erheben. Unmittelbar danach erließ Washington Strafabgaben unter anderem auf Schweinefleisch sowieMilchprodukte und Wein.

Mit Blick auf die Wahl Joe Bidens zum US-Präsidenten rechnet man Brüsseler Kreisen zufolge zwarmit deutlich harmonischeren Beziehungen mit Washington. Nichtsdestoweniger wolle man sich auch im Hinblick auf die von der US-Regierung erhobenen Zölle ein stärkeres Faustpfand sichern solange der Regierungswechsel in den Vereinigten Staaten noch nicht vollzogen sei.Dann wolleman jedoch hoffentlich zeitnah in Verhandlungenmit denUSAeintreten.

Derweil unterstrich EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis, dass man schon immer auf eine Verhandlungslösung gedrängt habe. Leider hätten die mangelnden Fortschritte mit der US-Administration der EU keine andere Wahl gelassen, als Gegenmaßnahmen zu ergreifen, erklärte der ehemalige lettische Ministerpräsident.

Verschärfung der Fronten

Auf großes Missfallen stieß der Kommissionsbeschluss beim Verband Deutscher Weinexporteure (VDW). Er warnte, dass Brüssel mit den Sonderabgaben die Fronten in diesem Handelsstreit verschärfe. Die deutschen und europäischen Weinexporteure pochten dagegen auf eine Rückkehr an den Verhandlungstisch, so der VDW. Die Weinexporteure drängten beide Seiten zur Mäßigung. Dies gelte auch und gerade im Hinblick auf den in den Vereinigten Staaten anstehenden Machtwechsel.

Kritisch sehe man vor allem, dass die EU nun umgehend von ihren Rechten Gebrauch mache und nicht habe abwarten können, ob der zukünftige US-Präsident Biden einen Kurswechsel in der Handelspolitik einleiten werde. Der VDW-Vorsitzende Gerhard Brauer wies zugleich darauf hin, dass die im Oktober 2019 von Washington erlassenen zusätzlichen Zölle auf Stillweine um 25 % dramatische Folgen für den Weinexport in die USA gehabt hätten.

Besonders betroffen gewesen seien Deutschland, Frankreich und Spanien. Europaweit habe dies zu einem schmerzlichen Rückgang der Weinexporte um 54 % geführt. Brauer forderte daher die USA und die EU auf, „ihre Zölle unverzüglich auszusetzen“, während sie eine Vereinbarung aushandelten.

Einstmals „boomender Getränkehandel“

Laut VDW warnte auch eine Koalition von 20 Wirtschaftsverbänden, die die USA, die EU und das Vereinigte Königreich vertreten, davor, dass neue Zölle auf US-amerikanischen Rum, Branntwein, Wodka und Wermut die Spannungen im Zusammenhang mit den Streitigkeiten umAirbus und Boeing verschärfen würden. Dies würde dem einstmals „boomenden transatlantischen Getränkehandel“ weiteren Schaden zufügen.

Die Koalition, zu der auch der Europäische Dachverband der Weinwirtschaft (CEEV) gehört, befürchte, dass die Strafzölle mehr Unternehmen, die aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Beschränkungen bereits stark geschwächt seien, zwingen könne, ihre Türen für immer zu schließen und Beschäftigte zu entlassen.

Den Worten des VDW-Geschäftsführers Christian Schwörer zufolge sind sich alle Mitglieder des CEEV in ihrer Bewertung einig, dass die Zollentscheidung der EU zunächst zu einer Eskalation beitrage.
AgE
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