Doch damit sei längst noch nicht „alles in Butter“, stellte der Geschäftsführer der Landesvereinigung der
Milchwirtschaft in Nordrhein-Westfalen (LV Milch), Dr. Rudolf Schmidt, bei der Jahrespressekonferenz der Vereinigung am Mittwoch (12.1.) fest.
Es gebe einen „dramatischen Rückgang“ bei den Milcherzeugern, deren Zahl in den vergangenen elf Jahren in Nordrhein-Westfalen um rund 40 % abgenommen habe; auch der Kuhbestand sinke stetig. Dies hat sich dem Experten zufolge im vergangenen Jahr in einer um rund 2 % geringeren
Milchproduktion niedergeschlagen und dürfte sich tendenziell auch 2022 fortsetzen.
Das schwächere Angebot habe bei einer guten Nachfrage zuletzt deutlich gestiegene
Milcherzeugerpreise zur Folge gehabt, die im Jahresmittel 2021 in Nordrhein-Westfalen für eine Standardmilch inklusive aller Zu- und Abschläge bei etwa 34,8 Cent/kg Milch liegen dürften; das wären 1,9 Cent mehr als im Vorjahr. Das Milchpreisniveau habe bei einigen
Molkereien im Bundesgebiet im Dezember bereits die 40-Cent-Marke geknackt, und dieses Niveau dürfte sich angesichts der
Marktlage auch in der ersten Jahreshälfte 2022 verfestigen, prognostizierte der Experte.
Doch wird laut Schmidt das höhere Milchgeld „durch die stark gestiegenen
Produktionskosten relativiert“. Angesichts der gesellschaftlichen und politischen Anforderungen an die Milchbauern seien weitere Preissteigerungen nötig; ansonsten werde sich der
Strukturwandel weiter verschärfen. Laut dem rheinischen Vorsitzenden der LV Milch, Hans Stöcker, kommt es nun im
Binnenmarkt darauf an, „dass der Handel die Kosten in der Kette berücksichtigt, Gewinne weitergibt und sie nicht als Inflationsbremse missbraucht“.
Der westfälische Vorsitzende Benedikt Langemeyer hob hervor, dass „die Anspannung auf den Milchviehbetrieben aufgrund der Kostensituation groß ist“ und bei anhaltender
Teuerung selbst 40 Cent/kg Milch wohl noch zu knapp bemessen seien.
MilchgeldspreizungNach Einschätzung von Stöcker wird es bei den Milchpreisen 2021 im Bundesgebiet zu einer Spreizung kommen. Im Norden Deutschlands würden vermehrt Basisprodukte wie Butter und
Magermilchpulver hergestellt, deren Preise auch weltweit stark gestiegen seien. Deshalb seien dort die Milcherzeugerpreise bereits schneller und deutlicher nach oben gegangen.
In Nordrhein-Westfalen würden mehr Frischeprodukte hergestellt, weshalb das Land bei den Milchpreisen etwas hinterherhinke. Ganz wichtig für die Branche sei der Export, vor allem nach Asien, hob Stöcker hervor. Ohne die dort zuletzt gute Nachfrage, insbesondere in China, wäre der jüngste Preisanstieg kaum möglich gewesen. Es müsse nun gelingen, dies auch in den Kontraktverhandlungen mit dem
LEH umzusetzen.
Stöcker betonte, „dass die Milchwirtschaft grundsätzlich hinter eindeutigen Kennzeichnungen, auch der neuen Haltungskennzeichnung des Handels, steht“. Nur so ließen sich die Anstrengungen der
Milcherzeuger für mehr
Tierwohl sichtbar machen. Allerdings, so der Vorsitzende, sei der bisher ausgehandelte Zuschlag zwischen den Handelsunternehmen und der Milchwirtschaft zu gering; er decke nicht die vollen Kosten.
Vorleistungen nicht honoriertLangemeyer wies darauf hin, dass die Erzeuger bereits mit Laufställen und anderem in Vorleistung getreten seien, ohne dass dies honoriert worden sei. Der Handel müsse sich darüber im Klaren sein, dass jede Erweiterung der Anforderungen Investitionen und Geld koste, was nicht alle Erzeuger leisten könnten.
Ein weiteres Problem sei, dass die
Initiative Tierwohl (ITW) Programmphasen von drei Jahren habe, Stallbauinvestitionen jedoch längerfristig kalkuliert würden. Die Vorschläge der Borchert-Kommission böten hingegen längerfristige Planungssicherheit, weshalb diese noch umgesetzt werden sollten.
Milchimitate legen zuLaut LV Milch hat der Absatz von Milchprodukten im
Lebensmittelhandel 2021 nicht mehr an die Rekordmarken des Vorjahres heranreichen können, als es wegen Corona teilweise Hamsterkäufe in den Geschäften und längere Schließungsphasen für Restaurants, Kantinen und Hotels gab. So wurden weniger Butter, Joghurt, Quark und Käse in der Selbstbedienungstheke gekauft.
Besonders deutlich war der Absatzrückgang von Januar bis Oktober gegenüber dem Vorjahreszeitraum 2020 mit 7,1 % bei der Trinkmilch. Ausgenommen hiervon waren jedoch die
Biomilch mit einem Plus von 3,3 % sowie die Weidemilch mit einem kräftigen Verkaufsanstieg von 21,1 %. Weiter deutlich zulegen konnten in der Verbrauchergunst auch die Milchimitate wie Soja- oder Hafermilch, die mit einer Absatzmenge von rund 250 Mio. Litern mittlerweile fast 10 % des gesamten Konsummilchverbrauchs ausmachten.
Für diese zahlen die Kunden in den Läden zudem höhere Preise als für normale Trinkmilch, weshalb immer mehr Molkereien auch in diesem Geschäftsfeld tätig sind und einen Teil der
Wertschöpfung in die Branche zurückholen wollen. „Wir lassen diesen Markt nicht an uns vorbeigehen“, erklärte Stöcker, der auch Vorstandsmitglied bei FrieslandCampina ist. Er kündigte an, dass sich die Brancheninitiative Milch dieses Themas annehmen und über die Vorzüge der „echten Milch“ informieren werde.