Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht die 28-Jährige über den Konflikt zwischen Stadt und Land und über das Verhältnis ihrer Bewegung zum
Landvolk und zur AfD.
Frage: Frau Struß, Anfang April entscheidet der
Bundesrat über die hitzig diskutierte neue Düngeverordnung. Haben Sie noch Hoffnung, die Verschärfung der Düngevorgaben abzuwenden oder abzumildern?
Antwort: Wir lassen gerade prüfen, ob wir gegen die
Düngeverordnung klagen können und, wenn ja, gegen wen. Wir sind der Meinung, dass die Ausweisung der roten Gebiete nicht erforderlich ist. Das hätte Deutschland schon 1991 machen müssen, so gesehen ist bereits das ganze Land ein rotes Gebiet. Wenn ich schon ein ganz rotes Land habe, bin ich aber nicht im Zugzwang, noch dunkelrote Gebiete auszuweisen.
Frage: Was stört sie konkret an der Düngeverordnung?
Antwort: Viele Messstellen sind nicht geeignet, den Einfluss der Landwirtschaft auf die Nitratwerte abzubilden. Deswegen bringt es auch nichts, wenn wir oben einfach pauschal 20 Prozent weniger Dünger draufschmeißen sollen. Wenn eine Messstelle ausschließlich unter dem Einfluss der Landwirtschaft steht, können wir sagen, hier haben wir ein Problem. Aber erst einmal müssen wir wissen, welche Flächen das wirklich sind. Wir sind als Landwirte doch heute gläsern - es gibt eine Meldepflicht für alle Dünger und Nährstoffe, die wir ausbringen.
Frage: Der jüngste Nährstoffbericht zeigt, dass die
Bauern in Niedersachsen beim Düngen immer noch 31.000 Tonnen mehr Stickstoff ausgebracht haben, als die Pflanzen benötigt hätten. Warum ist es so schwierig, das zu ändern?
Antwort: Wir haben große Probleme, die Nährstoffe zu verteilen. Wir könnten den Dünger aus der Tierhaltung in die Regionen bringen, in denen weniger Tiere gehalten werden, um dort künstlichen Dünger einzusparen. Mit dem Viehdünger könnte man genauso gut düngen. Dafür bekommen wir aber nicht genügend Lagerstätten genehmigt. 2019 und wohl auch 2020 dürfte der Mineraldüngerabsatz trotzdem schon so weit zurückgegangen sein, dass die bedarfsgerechte Düngung im Durchschnitt erreicht ist.
Frage: Sie setzen sich seit fünf Monaten mit Land schafft Verbindung in Niedersachsen für die Belange der Bauern ein. Wie kam es dazu?
Antwort: Ein Landwirt aus Göttingen hat mich Anfang Oktober in eine WhatsApp-Gruppe eingeladen. Dort wurde dann gefragt, ob nicht jemand eine eigene Gruppe für Hannover aufmachen könne. Das habe ich getan. So nahm das Ganze seinen Lauf.
Frage: Wie bewerten Sie das Verhältnis der Bewegung zum Landvolk?
Antwort: Durchwachsen. In vielen Punkten haben wir die gleichen Ziele. Wir haben aber klar verschiedene Wege, unsere Ziele zu erreichen. Unsere Form des Protests ist eine ganz andere. Das Landvolk ist behäbiger. Einige Landvolk-Funktionäre machen das hauptamtlich und werden für ihre Arbeit bezahlt. Ich kann dagegen einfach meine Meinung sagen. Diese politiknahen Verbandsstrukturen haben mich als junge Frau auch abgeschreckt, mich beim Landvolk zu engagieren. Deswegen müssen wir uns öfters ehrlich die Meinung sagen, damit wir was erreichen.
Frage: Was hat Land schafft Verbindung in Ihren Augen schon erreicht?
Antwort: Wir haben viel Aufmerksamkeit bekommen. Die Medien berichten mittlerweile neutral und nicht immer pauschal gegen Landwirte. Und die Düngeverordnung ist immer noch nicht verabschiedet. Ich denke, wenn wir uns nicht so dafür eingesetzt hätten, das zu stoppen, wäre der erste Entwurf der Bundesregierung so durchgegangen.
Frage: Sehen Sie dabei auch einen Konflikt zwischen Stadt und Land?
Antwort: Das ist auf jeden Fall so. Die Menschen in der Stadt haben einfach keinen Bezug mehr zur Landwirtschaft. Das kann man ihnen nicht anlasten. Die Frage ist aber, wie man damit umgeht. Entweder man informiert sich neutral oder man wendet sich an Naturschutzverbände, vertraut denen und kauft sich ein grünes Gewissen. Da müssen auch wir Landwirte an uns arbeiten, dass wir unsere
Betriebe öffnen. Aber auch die Städter sind gefragt, einfach mal Kontakt zu Landwirten aufzunehmen.
Frage: Sie haben es zuletzt bewusst abgelehnt, Land schafft Verbindung von der AfD abzugrenzen. Warum?
Antwort: Warum sollte ich mich von irgendwem abgrenzen? Dann bin ich ja nicht mehr neutral. Mir ist es egal, wer die Entscheidungen trifft, wenn sich der Entscheidungsträger für die Landwirtschaft ausspricht. Dann ist es mir ganz egal, ob das eine linke Partei ist oder eine AfD oder eine grüne Partei. Hauptsache ist, die Entscheidungen sind wissenschaftlich fundiert.
ZUR PERSON: Henriette Struß (28) ist in Rinteln aufgewachsen und arbeitet als Landwirtin auf drei Milchvieh- und Ackerbaubetrieben in Rinteln, Barsinghausen und Wunstorf. Seit Oktober engagiert sie sich als Sprecherin für die Bauernbewegung Land schafft Verbindung.