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20.01.2019 | 13:39 | Austrittsabkommen 
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Harter Brexit: Deutschlands Agrarhandel besonders betroffen

London/Brüssel - Als „bedauerlich“ bezeichnete Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Entscheidung des britischen Unterhauses, das Austrittsabkommen aus der EU nicht anzunehmen.

Harter Brexit Landwirtschaft
(c) proplanta
Jetzt werde man die Vorbereitungen für einen harten Brexit intensivieren. Klöckner zufolge ist vor allem die deutsche Fischerei, die bislang wichtige Fangmöglichkeiten in britischen Gewässern nutzt, betroffen. Die Regierung in London müsse nun ihre Vorstellungen formulieren, wie es weiter gehen solle, forderte die CDU-Politikerin.

Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast beklagte die erheblichen Auswirkungen des Brexit auf die Agrarbranche und die Fischerei in ihrem Bundesland. Der Export von Gütern der Ernährungswirtschaft aus Niedersachsen in das Vereinigte Königreich habe 2017 bei rund 815 Mio. Euro gelegen, während sich die Einfuhren auf 132 Mio. Euro belaufen hätten. Dies sei ein Handelsüberschuss von 683 Mio. Euro.

Deutschlandweit habe der Export der Ernährungswirtschaft nach Großbritannien im Jahr 2017 bei 4,7 Mrd. Euro gelegen, die Einfuhren bei 1,5 Mrd. Euro; mit einem sich daraus ergebenen monetären Handelsüberschuss von 3,2 Mrd. Euro.

Ähnliche Zahlen für ganz Deutschland nannte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied . Vermehrt Sorgen, wie es nach einem Austritt der Briten für den Agrarhandel weitergeht, dürften sich derweil auch die Niederlande machen. Ihre Agrarexporte in das Vereinigte Königreich erreichten 2018 einen Wert von 8,6 Mrd. Euro.

Zusätzliche Löcher im EU-Haushalt?

Der Gesamtwert der Lieferungen der verbleibenden EU-Staaten in das Vereinigte Königreich belief sich 2017 laut Angaben auf rund 41 Mrd. Euro. Die Exporte der Briten in die EU-27 hätten im selben Jahr einen Wert von 17 Mrd. Euro erreicht. Von diesen Handelsströmen seien Millionen von Arbeitskräften abhängig. Ein harter Brexit würde eine „Lose-Lose-Situation“ für die gesamte Kette der Agrar- und Ernährungswirtschaft schaffen, warnten Verbände. Es drohten beispielsweise Zölle auf dem Niveau der Welthandelsorganisation (WTO). Zudem käme es dann zu umfangreichen veterinär- und pflanzenschutzrechtlichen Kontrollen an den Grenzübergängen, was ebenfalls zu einer massiven Beeinträchtigung der Warenflüsse führen würde.

Derweil warnte der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Walter Heidl, für den Fall eines ungeregelten Brexit auch vor zusätzlichen Lücken im EU-Haushalt. Der vom Unterhaus nicht gebilligte Vertrag sah vor, dass das Vereinigte Königreich für finanzielle Pflichten aus der Zeit seiner EU-Mitgliedschaft einsteht; dabei geht es um etwa 42 Mrd. Euro.

Milchindustrie besonders betroffen

Die Milchindustrie-Verband (MIV) befürchtet ebenfalls einen „enormen Schaden“ bei einem „harten Brexit“. MIV-Hauptgeschäftsführer Eckhard Heuser rief deshalb die Vertreter der EU und des Vereinigten Königreichs zu „größtmöglicher Toleranz und Lösungswillen bei allen weiteren kurzfristig zu vereinbarenden Gesprächsversuchen“ auf. Laut Heuser steht viel auf dem Spiel: Das Vereinigte Königreich ist ihm zufolge ein großer Nettoimporteur bei Milch und Milcherzeugnissen und kauft insbesondere in der Republik Irland viele Milchprodukte ein. Wenn Großbritannien nun bei einem harten Brexit Drittlandzölle gegenüber EU-Ware erhebe, müssten die Produktpreise deutlich angehoben werden. Der Handel drohe dadurch zum Erliegen zu kommen, warnte der MIV-Hauptgeschäftsführer. Er wies außerdem darauf hin, dass die veränderten Vermarktungsströme weitere Marktverwerfungen mit sich bringen könnten. Auch drohten in Nordirland Rohmilchüberschüsse, die bisher im Süden der Republik Irland verarbeitet würden.

Hohe Zölle auf Butter und Schweinefleisch befürchtet

Zu den Verlierern bei einem harten Brexit würde auch die exportorientierte dänische Lebensmittelwirtschaft gehören. Laut einer im Auftrag des Kopenhagener Landwirtschaftsministeriums durchgeführten Umfrage bei den zehn größten Lebensmittelexportunternehmen ist dann mit einem drastischen Exporteinbruch zu rechnen.

Im Jahr 2017 hatte die dänische Ernährungswirtschaft nach Angaben des Agrarressorts Waren im Wert von umgerechnet 1,52 Mrd. Euro ins Vereinigte Königreich geliefert. Dabei handelte es sich vor allem um Schweinefleisch, Milchprodukte sowie Fisch und Meeresfrüchte. Die Unternehmen, die rund 80 % der dänischen Ausfuhren ins Königreich auf sich vereinen, rechnen im Fall eines ungeregelten Brexit mit einem plötzlichen Anstieg der Transaktionskosten, und zwar von bis zu 45 %. Denkbar seien beispielsweise Zölle von bis zu 40 % auf Butter oder 25 % auf Schweinefleisch. Die betreffenden Exporte würden dadurch unwirtschaftlich. Die Exportunternehmen appellierten daher an die dänische Regierung, Maßnahmen zum Umgang mit einem solchen Szenario zu ergreifen. Dabei wird insbesondere auf die Erschließung neuer Absatzmärkte und den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen gedrängt, um mögliche Nachfragedellen aus Großbritannien besser abfedern zu können.
AgE
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Kommentare 
trakifreund schrieb am 23.02.2019 20:21 Uhrzustimmen(2) widersprechen(4)
ach, hätte man nur Russland nicht mit Sanktionen belegt !!!!!

Schickt alles in die USA, die uns zu den Sanktionen gedrängt haben !!!!
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