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30.06.2022 | 04:34 | Jahresteuerung 

Inflation leicht abgeschwächt - Noch zu früh für ernsthafte Entwarnung

Wiesbaden - Tankrabatt und 9-Euro-Ticket haben die Inflation in Deutschland im Juni etwas gedämpft. Volkswirte sehen darin allerdings keinen Grund zur Entwarnung.

Inflation 2022
Die Inflation in Deutschland liegt weiter deutlich über der Sieben-Prozent-Marke. Der Preisauftrieb verliert im Juni aber etwas an Tempo. Für Volkswirte ist das kein Grund zur Entwarnung. (c) proplanta
Nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes erhöhten sich die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 7,6 Prozent. Im Mai war die Teuerungsrate - getrieben vor allem von Energie und Lebensmitteln - auf 7,9 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit fast 50 Jahren geklettert.

Verbraucher, die auf einen anhaltenden Rückgang der Teuerung in den kommenden Monaten hoffen, dürften Ökonomen zufolge enttäuscht werden. Spätestens mit dem Ende von Tankrabatt und 9-Euro-Ticket im September sollte die Inflation wieder nach oben springen, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. «Das gilt umso mehr, als die deutschen Unternehmen die massiv gestiegenen Materialkosten noch lange nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben haben.»

Nach Einschätzung von Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank lindert das Entlastungspaket der Bundesregierung den «Inflationsschmerz» etwas. «Allerdings kann auch die Regierung nicht verhindern, dass der Teuerungsdruck anhält. Die Inflationsrate von 7,6 Prozent ist immer noch erschreckend hoch.»

Besonders deutlich verteuerten sich auch im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat Energie (38 Prozent) und Nahrungsmittel (12,7 Prozent). Im Vergleich zum Vormonat Mai waren Fahrkarten für den Nahverkehr sowie teilweise auch Kraftstoffe nach Angaben der Statistikämter einzelner Bundesländer aber günstiger.

Wie sich das zum 1. Juni eingeführte 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt genau ausgewirkt haben, lässt sich nach Angaben des Bundesamtes mit den vorläufigen Ergebnissen noch nicht darstellen. Von Mai auf Juni stiegen die Verbraucherpreise um 0,1 Prozent.

Nach Einschätzung von Ökonom Friedrich Heinemann vom Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW hat die Inflation inzwischen die volle Breite des Warenkorbs erfasst. «Dieser Inflation entkommt niemand mehr.» Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sich diese für einen Euro weniger leisten können.

Aus Sicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands hat sich die soziale Ungleichheit in Deutschland bereits durch die Pandemie verschärft. Die Armutsgefährdungsquote erreichte mit 16,6 Prozent im vergangenen Jahr einen Höchststand, wie der Verband mitteilte. Demnach leben 13,8 Millionen Menschen in Deutschland unterhalb der entsprechenden Grenze - 600.000 mehr als vor der Pandemie. Angesichts der Inflation rechnet der Verband mit einer weiteren Verschärfung der Lage und fordert von der Bundesregierung ein Entlastungspaket für einkommensarme Haushalte.

Familien mit niedrigen Einkommen leiden nach einer Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung am meisten unter der Teuerung. «Der Preisanstieg bei Wohnenergie belastet Haushalte mit geringeren Einkommen überproportional, und auch die Verteuerung der Nahrungsmittel schlägt sich stärker nieder.»

Die Bundesregierung versucht, die Menschen unter anderem durch niedrigere Spritsteuern und dem 9-Euro-Ticket für den Nahverkehr zu entlasten. Am Montag will Bundeskanzler Olaf Scholz in einer sogenannten konzertierten Aktion zusammen mit Spitzenvertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber darüber beraten, wie die Preisentwicklung in den Griff zu bekommen ist.

Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern gab es ähnlich hohe Werte im Winter 1973/1974. Damals stiegen die Ölpreise infolge der ersten Ölkrise stark.

Viele Menschen - ob berufstätig oder arbeitslos - wollen angesichts der Inflation ihre Lebensmitteleinkäufe und die Ausgaben für Bekleidung und Schuhe einschränken. Das geht aus einer Umfrage der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Über alle Einkommensgruppen hinweg wollen demnach 39 Prozent der Befragten künftig weniger Nahrungs- und Genussmittel kaufen. Bei Bekleidung und Schuhen wollen sich 53 Prozent einschränken.
dpa
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