Die Verbraucherpreise lagen um 3,8 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Die Wiesbadener Behörde bestätigte damit vorläufige Daten. Einen höheren Wert hatte sie zuletzt im Dezember 1993 mit damals 4,3 Prozent ermittelt. Im Juni 2021 hatte die Inflationsrate noch bei 2,3 Prozent gelegen.
Der Anstieg der
Energiepreise (plus 11,6 Prozent) schob die Inflation auch im Juli an. Mit Ausbruch der Corona-Krise waren die Rohölpreise im vergangenen Jahr wegen geringer Nachfrage auf dem Weltmarkt eingebrochen. Seither haben sie sich erholt. Zudem sind in Deutschland seit Januar 25 Euro je Tonne Kohlendioxid (CO2) fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht.
Vor allem Heizöl (plus 53,6 Prozent) und Sprit (plus 24,7 Prozent) verteuerten sich gegenüber dem Vorjahresmonat deutlich. Ohne Berücksichtigung der Energieprodukte hätte die
Inflationsrate den Angaben zufolge im Juli bei 2,9 Prozent gelegen. Für Lebensmittel mussten Verbraucher 4,3 Prozent mehr zahlen als ein Jahr zuvor, deutlich teurer wurde unter anderem Gemüse.
Ein gewichtiger Grund für den aktuellen Anstieg ist auch ein sogenannter Basiseffekt: Um den Konsum in der Corona-Krise anzukurbeln, hatte der Bund die Mehrwertsteuer befristet vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 gesenkt. Seit Januar 2021 gelten wieder die regulären
Mehrwertsteuersätze, Waren und Dienstleistungen werden also tendenziell wieder teuer. Im Vergleich zum Vormonat stiegen Verbraucherpreise im Juli insgesamt um 0,9 Prozent.
Ökonomen halten in den kommenden Monaten Jahresinflationsraten von an die fünf Prozent für möglich. Dabei handelt es sich aus ihrer Sicht aber um ein vorübergehendes Phänomen. «Der starke Anstieg der Inflation ist eine schlechte Nachricht für Privathaushalte und insbesondere für die Sparer in Deutschland», sagte der Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Andreas Bley. Im kommenden Jahr sei aber wieder mit einer maßvolleren Teuerung unter zwei Prozent zu rechnen.
Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sieht keinen Grund für «Inflationspanik». «Weil es sich bei den Preisanstiegen um vorübergehende Entwicklungen handelt, die sich kaum in dauerhaft steigenden Preisen und Löhnen niederschlagen dürften, schaffen die neuen Zahlen auch keinen akuten Handlungsdruck für die Europäische Zentralbank», sagte IMK-Direktor Sebastian Dullien.
Der Spitzenkandidat der Linken, Dietmar Bartsch, forderte dagegen, die Bundesregierung dürfe nicht tatenlos zusehen. «Wir brauchen eine Inflationsbremse, die an vielen Stellen ansetzt, zum Beispiel und gerade bei den Energiepreisen.»
Europas Währungshüter streben für den Euroraum eine jährliche Teuerungsrate von zwei Prozent an und sind dabei zumindest zeitweise bereit, ein moderates Über- oder Unterschreiten dieser Marke zu akzeptieren.
Der harmonisierte Verbraucherpreisindex HVPI, den die EZB für ihre Geldpolitik heranzieht, lag in Deutschland im Juli um3,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. In der Eurozone insgesamt legten die Verbraucherpreise im Juli nach ersten Daten des Statistikamtes Eurostat im Jahresvergleich um 2,2 Prozent zu.