"Es hat uns zunächst sehr überrascht, dass das Machtgefälle auf dem
Milchmarkt zulasten der Milchbauern so stark ist, obwohl 70 Prozent der Milch von Genossenschafts-Molkereien erfasst wird. Aber die Strukturen und Organe der Genossenschaften haben sich verselbständigt", war eine Aussage von Frau Schulze, die bei den anwesenden Milchbauern mit großem Applaus bedacht worden sind.
Auf die Preisbildung für ihre Milch hätten die Milchbauern bisher kaum einen Einfluss. Der Milchpreis werde rückwärts gebildet, d.h. aus dem, was nach der Verhandlung der Molkerei mit den Abnehmern wie den Handelsketten übrigbleibe. "Die Molkerei-Genossenschaft trägt kein eigenes Schmerz-Risiko", formulierte Schulze. Sie reiche das Risiko der Vermarktung an die Bauern weiter. "Die Genossenschaften haben nicht den letzten Anreiz, in den Verhandlungen mit dem Handel das letzte für die Bauern rauszuholen", so Schulze. Da helfe es den Bauern nicht, immer nur die Marktmacht des Handels zu beklagen.
Bei den Privatmolkereien sehe die Situation nicht viel besser aus, obwohl viele Privatmolkereien mit ihren nicht austauschbaren Markenprodukten einen höheren Preis auszahlen könnten. "Aber beim Auszahlungspreis an die Bauern orientieren sie sich an den Preisen der Genossenschaften", so Schulze.
Als wesentliche Möglichkeit der Milcherzeuger, ihre Position am Milchmarkt zu stärken, nannte Frau Schulze den Zusammenschluss in Erzeugergemeinschaften. Der Gesetzgeber räume anerkannten Erzeugergemeinschaften nicht nur das Recht zu mengenbegrenzenden Maßnahmen, sondern auch zur Preisabsprache ein. Auf die Frage aus dem Publikum, bei welchem Bündelungsgrad das Kartellamt einschreiten werde, sagte Frau Schulze: "Von 80 Prozent sind wir soweit entfernt, dass es keinen Sinn macht, darüber zu reden." Nochmals darauf angesprochen sagte sie: "Verflixt nochmal, machen Sie es, und sagen Sie nicht immer, Sie wissen nicht, wie das Kartellamt sich verhält."
Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher
Milchviehhalter (BDM), kommentierte den Bericht des Kartellamtes: "Für uns sind die Feststellungen des Kartellamtes eine klare Unterstützung". Er forderte die Bauern auf, die Zurückhaltung gegenüber der Bündelung in der bundesweiten Erzeugergemeinschaft "Milch Board" aufzugeben und einzutreten. Schaber berichtete auch von ähnlichen Aktivitäten der französischen Berufskollegen. Ein europaweites Vorgehen sei notwendig, aber jedes Land müsse seine eigenen Hausaufgaben erledigen.
In seinem Referat lenkte Schaber den Blick auch auf die politischen Rahmenbedingungen in Europa. Auf EU-Ebene sei mittlerweile nicht mehr strittig, dass der Milchmarkt eine Mengenregelung benötige. "Die Frage ist nicht mehr, ob die Menge gesteuert wird. Die Frage ist nur noch, wer das macht und wie", so Schaber. "Wenn die Molkereien, die bei der Verarbeitung der Milch ohnehin schon in der Flaschenhalsposition sind, auch noch die Mengensteuerung in die Hand bekommen, dann ist die Marktposition der Milcherzeuger endgültig im Eimer", fand Schaber deutliche Worte.
Schaber, der auch Vorsitzender des europäischen Dachverbands der Milcherzeuger "European Milk Board" (EMB) ist, bot der Politik an, als Milcherzeuger im EMB Verantwortung für den Milchmarkt zu übernehmen. "Dazu braucht es natürlich Rahmenbedingungen." Dazu gehöre die Einrichtung einer Monitoringstelle auf EU-Ebene, wie sie in ähnlicher Weise der französische Agrarminister in der vergangenen Woche vorgeschlagen habe. Diese Stelle solle den Milchmarkt beobachten und je nach Marktlage zusätzliche Menge freigeben oder mengenbegrenzende Maßnahmen auslösen.
Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), stellte einen Zusammenhang zwischen den politischen Forderungen und der Bündelung der Milcherzeuger her: "Wenn wir die Bündelung nicht hinkriegen, wird die Politik auch nicht auf unsere Forderungen reagieren. Wir müssen eigene Strukturen schaffen, um auch die notwendigen politischen Strukturen zu erreichen", so Graefe zu Baringdorf.
Bisher habe ausgerechnet der
Bauernverband immer gewarnt, dass die Bündelung in der bundesweiten Erzeugergemeinschaft Milch Board letztlich am Kartellamt scheitern würde. "Jetzt kommt das Kartellamt und sagt, dass wir uns bündeln sollen und uns um die Grenzen der Bündelung keine Sorgen machen sollen", so Graefe zu Baringdorf. "Das heißt, dass der Bauernverband, der auch hier offensichtlich die Interessen der Milchindustrie vertritt, nichts so sehr fürchtet wie das, was das Kartellamt uns vorschlägt", schlussfolgerte der AbL-Vorsitzende. "Die Frage ist letztlich: Wem gehört die Milch? Und was kann man damit an Marktmacht erreichen?" so Graefe zu Baringdorf.
In den weiteren Vorträgen der Tagung erläuterte Dr. Andrea Beste, beim Milch Board für die
Öffentlichkeitsarbeit zuständig, nochmals die Bedeutung und die Arbeitsweise des Milch Board. Dipl. Ing. Daniel Kusche, Universität Kassel, stellte Ergebnisse von Vergleichs-Studien über die Produktqualität von biologisch und konventionell erzeugter Milch vor. Besonders die Milch von traditionell geführten biologischen Betrieben weise einen hohen Gehalt an gesundheitsfördernden Inhaltstoffen wie Omega-3-Fettsäuren auf. Intensiv geführte biologische und traditionell geführte konventionelle Betriebe lägen nah beieinander, während die Milch von intensiven konventionellen Betriebe ohne Weidehaltung und mit hohen Maissilage- und Kraftfuttergaben die geringsten Werte aufweise. Dr. Edmund Leisen von der
Landwirtschaftskammer NRW berichtete aus vielen Praxiserhebungen und Untersuchungen, dass eine umfangreiche Weidehaltung der Milchkühe sich für die Betriebe eindeutig positiv auf die Wirtschaftlichkeit der Milcherzeugung auswirke. Und Kraftfuttergaben während der Weidezeit brächten keine zusätzliche Milchleistung. "Beides widerspricht dem, was wir alle gelernt haben, aber die Praxis zeigt, dass es so ist", sagte Leisen.
Hinweis: Die Vorträge der Tagung sind vom Internet-Fernsehsender
BDM TV aufgenommen worden. Sie werden dort ab der nächsten Woche zu sehen sein. (AbL)