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23.12.2010 | 10:57 | KTBL/vTI-Tagung  

Klimagasen aus dem Acker- und Pflanzenbau auf der Spur

Darmstadt - KTBL- und vTI-Tagung über „Emissionen landwirtschaftlich genutzter Böden“ vom 8. bis 10. Dezember im fränkischen Kloster Banz zeigte Ursachen, Mechanismen, Minderungsmaßnahmen und Forschungsbedarf auf.

Klimagase
Veranstalter der Tagung waren das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL) und das Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI). Vertreter der beiden Organisationen und zahlreiche weitere Fachleute aus Ministerien, Forschung, Beratung und Düngemittel-Industrie gaben in 27 Vorträgen einen Überblick über bodenbürtige landwirtschaftliche Schadgase. Sie beleuchteten detailliert Einflussfaktoren der Freisetzung, Perspektiven der Minderung sowie neueste wissenschaftliche Erkenntnisse.

Wie Helmut Döhler, Leiter des KTBL-Fachbereiches „Landbewirtschaftung und Nachhaltigkeit“ in seiner Begrüßungsrede ausführte, sind KTBL und vTI von Hause aus mit der Thematik landwirtschaftlicher Emissionen vertraut, denn sie sind vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) mit der jährlichen Erstellung und ständigen Aktualisierung des Emissionsinventars der deutschen Landwirtschaft beauftragt. Die Daten des Emissionsinventars sind Grundlage der nationalen Berichterstattung, zu der sich Deutschland gegenüber internationalen Organisationen und Regelwerken des Umweltschutzes verpflichtet hat. Das KTBL werde im Jahr 2011 verstärkt Informationen zu Emissions-Minderungsmaßnahmen, aber auch Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel erarbeiten, betonte Döhler.

Die Vorträge der Tagung „Emissionen landwirtschaftlich genutzter Böden“ befassten sich mit den wichtigsten Schadgasen Ammoniak, Lachgas, Kohlendioxid und Methan. Darüber hinaus wurden Fragen der wissenschaftlichen Methodik zur Messung und Modellierung von Emissionen diskutiert und die Emissionsproblematik in den Gesamtzusammenhang landwirtschaftlicher Produktionssysteme gestellt.


Zu den genannten Schadgasen trafen die Fachleute folgende Feststellungen:

Ammoniak (NH3) entweicht in die Atmosphäre vor allem aus Wirtschaftsdüngern von Rindern, Schweinen und Geflügel sowie aus Mineraldüngern, vor allem Harnstoff und AHL. 95 Prozent der NH3-Emissionen in Deutschland gehen auf das Konto der Landwirtschaft. Aus der Anwendung von Wirtschaftsdüngern entweicht der überwiegende Teil des Ammoniaks, deutlich mehr als aus der Mineraldüngung. Ammoniak ist zwar nicht unmittelbar klimarelevant, aber der Landwirtschaft geht durch die NH3-Emissionen wertvoller Stickstoff als Nährstoff verloren und der Ammoniakeintrag über die Luft versauert Waldböden, führt dort zu N2O-Emissionen und schädigt naturnahe Ökosysteme.

Wirkungsvolle Maßnahmen zur Minderung von NH3-Emissionen aus Wirtschaftsdüngern sind eine sachgerechte Ausbringungstechnik und die schnelle Einarbeitung in den Boden sowie die Anwendung von bandförmigen Applikationstechniken. Bei Harnstoff und AHL reduziert ebenfalls eine schnelle Einarbeitung die NH3-Emission, hilfreich ist auch eine Zugabe von Ureasehemmern, die die Harnstoffhydrolyse verlangsamen.

Lachgas (N2O) entsteht in landwirtschaftlich genutzten Böden als direkte oder indirekte Folge des Netto-Stickstoffeintrages durch die organische und mineralische N-Düngung. Seit 1990 konnten die N2O-Emissionen aus der Landwirtschaft um 10 % verringert werden, aber aktuell verursachen sie noch immer 70 Prozent der N2O-Emissionen in Deutschland. Von diesen 70 % entfällt knapp ein Drittel auf Mineraldünger, je ein Fünftel auf Wirtschaftsdünger und Erntereste, den Rest bestreiten indirekte Emissionen, Moorbodenbewirtschaftung sowie Stall und Lagerung. Lachgas ist besonders klimarelevant, weil es die Wärmeabstrahlung in der Atmosphäre nur sehr langsam abgebaut wird.

Während NH3-Emissionen vor allem von physikalisch-chemischen Faktoren abhängig und durch produktionstechnische Maßnahmen entsprechend beeinflussbar sind, hängt die Höhe von Lachgas-Emissionen aus Böden vor allem von mikrobiellen Ab- und Umbauprozessen im Boden ab und ist deshalb deutlich schwerer abzuschätzen und in den Griff zu bekommen. Um N2O-Emissionen zu vermindern, sollten die Landwirtschaft generell die Stickstoffeffizienz in der Produktion erhöhen. Dazu gehören eine bedarfsgerechte Düngung, ein effizientes N- Recycling über Wirtschaftsdünger und Erntereste, die Vermeidung von N-Überschüssen und N-Verlusten, eine proteinoptimierte Fütterung der Tiere und die Nutzung des züchterischen Fortschritts.

Von den Wissenschaftlern wurde im Rahmen der Tagung ein Defizit an langjährigen Feldmessungen zu Lachgasemissionen konstatiert. Die bisher vorherrschenden Gewächshaus- und Laboruntersuchungen unter kontrollierten Umweltbedingungen seien, so lautet der Konsens, wegen der ausgeprägten Wechselwirkungen der Einflussfaktoren für die N2O-Freisetzung in freier Natur nur eingeschränkt übertragbar und hätten stark variierende Messergebnisse zur Folge. Aus diesen Gründen gibt es bisher auch kaum tragfähige Modelle, mit deren Hilfe Emissionen abgeschätzt werden können und die Regionalisierung von Emissionsfaktoren, z.B. zur Erstellung von Emissionsinventaren, ist derzeit noch nicht ausreichend erforscht. Der Forschungsbedarf zu Nitrifikationshemmstoffen wurde unterschiedlich diskutiert, manche Forschergruppen sehen in deren Einsatz ein großes Emissionsreduktionspotenzial, andere sagen, man braucht mehr Langzeituntersuchungen zu diesem Thema, um eine fundierte Aussage treffen zu können.

Kohlendioxid (CO2) wird einerseits in der Land- und Forstwirtschaft aus organischer Substanz kontinuierlich freigesetzt, andererseits aber auch wieder gebunden. Das Gas befindet sich überwiegend in einem natürlichen Kreislauf. Nettoemissionen von CO2 treten im Ackerbau häufig auf bei der Bewirtschaftung „organischer“, d. h. humusreicher Böden (vor allem (an-)moorige Standorte in Nord- und Süddeutschland). Sie machen etwa 8 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland aus. Im Rahmen der Tagung wurde deutlich, dass längerfristige Strategien erforderlich sind, um die CO2-Emissionen aus Moorflächen in Zukunft zu reduzieren.

Wie die Fachleute auf Kloster Banz betonten, kann auch in mineralischen Böden die Bewirtschaftung am Humusgehalt zehren. Dies gilt z.T. auch bei Beachtung der guten fachlichen Praxis im Ackerbau - die Einhaltung von Fruchtfolgen und die Rückführung von organischer Substanz über Ernterückstände und Wirtschaftsdünger ist hier hilfreich. Das CO2-Bindungspotenzial der Minimalbodenbearbeitung wird oft viel zu hoch angesetzt, lautete ein breiter Konsens. Allerdings sind sämtliche Böden nur begrenzt aufnahmefähige C- Senken, weil der Kohlenstoffgehalt nicht beliebig angehoben werden kann.

Forschungsbedarf besteht noch generell hinsichtlich der Bewertung von Kohlenstoff-Senken und -Quellen, waren sich die Vortragenden einig. Auch Langzeitanalysen zur Humusbilanz sind erforderlich.

Methan (CH4) ist vor allem in der Tierhaltung von Bedeutung, es kann aber auch bei der Überstauung humusreicher Böden, z.B. bei der Renaturierung von Mooren, freigesetzt werden. Dem Wassermanagement bei solchen Maßnahmen kommt daher wesentliche Bedeutung zu, um die Emission von Klimagasen zu minimieren.

Die Beiträge der KTBL/vTI-Tagung „Emissionen landwirtschaftlich genutzter Böden“ vom 8. bis 10. Dezember 2010 auf Kloster Banz sind veröffentlicht in der KTBL-Schrift 483. Sie kostet 25 Euro und ist beim KTBL-Bestellservice (Tel.: 06151 7001-189, E-Mail: vertrieb@ktbl.de) oder im Online-Shop unter www.ktbl.de erhältlich. (ktbl)
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