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18.09.2022 | 09:48 | Ernährungsindustrie 

Lebensmittelhandwerk soll von Energiekostendämpfungspaket profitieren

Berlin / Hannover - Energieintensive Betriebe des Lebensmittelhandwerks sollen künftig vom Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) der Bundesregierung profitieren.

Lebensmittelproduktion
Ernährungswirtschaft und Getränkeindustrie und Fleischwirtschaft schlagen aufgrund der hohen Energiepreise und des Kohlendioxidmangels Alarm - Existenzen und Arbeitsplätze in großer Gefahr. (c) proplanta
Dafür haben am Freitag (16.9.) Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir plädiert und auf entsprechende Gespräche mit den anderen Ressorts verwiesen, um eine einheitliche Position innerhalb der Bundesregierung zu erzielen.

„Wichtig sind jetzt schnelle Hilfen, damit die Betriebe weitermachen können“, betonte Özdemir. Es brauche nun eine unbürokratische Umsetzung, die die Strukturen gerade auch von Kleinst- und Kleinbetrieben berücksichtige. Der Bundeslandwirtschaftsminister zeigte sich zuversichtlich, dass die Bundesregierung „zeitnah eine gute Lösung vorstellen“ wird. Zudem unterstrich er, dass es das gemeinsame Ziel von ihm und Habeck sei, die Vielfalt und Stärke der handwerklichen und mittelständischen Lebensmittelverarbeitung zu erhalten und zu fördern. Indes sind offenbar Lebensmittelhersteller infolge der „unaufhörlich steigenden Strom- und Gaspreise“ zunehmend von einer Insolvenz bedroht.

Das berichtete der Verband der Ernährungswirtschaft (VdEW) in Niedersachsen, Bremen und Hamburg am vorigen Freitag unter Verweis auf eine von ihm unter 300 Mitgliedsbetrieben durchgeführte Umfrage. Demnach seien von einer Insolvenz bis zu 30 % bedroht, wenn die Energiekosten nicht kurzfristig sinken würden. Hochgerechnet auf die gesamte Branche könnte das den Verlust von bis zu 200.000 Arbeitsplätzen und den Zusammenbruch der Versorgungskette mit Lebensmitteln bedeuten, warnte der VdEW.

Ein schnelles Handeln angesichts der Energiekrise und massiv gestiegener Produktionskosten mahnten auch die Verbände der deutschen Getränkewirtschaft an. Sie forderten seitens der Bundesregierung einen breiten Rettungsschirm. Unterdessen warnten Vertreter der Fleischwirtschaft vor „gravierenden Tierschutzproblemen“ in Schlachthöfen angesichts des Mangels an lebensmitteltauglichem Kohlendioxid.

Energiekosten zu hoch

Die hohen Energiepreise treffen laut VdEW-Hauptgeschäftsführer Vehid Alemić die Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft aufgrund ihrer hohen Energiebedarfe besonders hart. Sie müssten gegenüber 2021 teilweise mehr als das Fünfzehnfache an Energiekosten zahlen. Gerade kleinen und mittleren Unternehmen fehle dafür die Liquidität. „Bleiben die Preise so, bedeutet das für tausende Betriebe in Deutschland das Aus“, stellte Alemić klar.

Der VdEW fordert daher als zentrale Maßnahme einen sofortigen Preisdeckel für Strom und Gas. Alemić sieht darin „den besten Weg“, um Kostenexplosionen in den Griff zu bekommen und die Liquidität der Betriebe langfristig zu sichern. Die jetzt von der Bundesregierung vorgesehene finanzielle Unterstützung auch kleiner und mittlerer Unternehmen zur Abmilderung der Energiekosten schon ab September wertete er als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“.

„Existenzbedrohendes Ausmaß“

Alarm schlugen vorige Woche auch der Verband Deutscher Mineralbrunnen (VDM), der Deutsche Brauer-Bund (DBB), der Verband der Fruchtsaftindustrie (VdF), der Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels und der Verband Private Brauereien Deutschland. Sie sprachen in einer am vergangen Freitag veröffentlichten Erklärung ebenfalls von Kostensteigerungen für die Unternehmen in „existenzbedrohendem Ausmaß“.

Handwerk und Mittelstand seien ebenso betroffen wie die Industrie. „Ob Gas, Strom oder Kraftstoffe, ob Agrarrohstoffe, Verpackungen oder Logistik - exzessive Kostensteigerungen, gepaart mit zunehmenden Störungen der Lieferkette und Lieferausfälle, übersteigen bei vielen Unternehmen der Getränkewirtschaft die Grenzen der Belastbarkeit“, heißt es in dem Papier.

Ernährungswirtschaft als kritische Infrastruktur sehen

Die Getränkewirtschaft sieht deshalb „dringenden Handlungsbedarf“ seitens des Bundes und der Länder, für eine bezahlbare und sichere Versorgung mit Gas und Strom zu sorgen. „Kaum ein Unternehmen der Getränkewirtschaft“ sei noch in der Lage, zu den aktuellen Erdgas- und Strompreisen kostendeckend zu produzieren. Die Preise hätten sich binnen Jahresfrist vervierfacht.

Ferner drängen die Verbände darauf, die Versorgung mit Kohlendioxid sicherzustellen. Die Entwicklungen in der europäischen Düngemittelproduktion werten sie als besorgniserregend. Es müssten dringend kurzfristig Maßnahmen ergriffen werden, um eine bevorzugte Belieferung der kritischen Infrastruktur der Ernährungsindustrie mit bezahlbarem Kohlendioxid für die Lebensmittel- und Getränkeproduktion sicherzustellen.

Handlungsbedarf wird aber auch zur Sicherung der Logistik und Lieferketten angemahnt. Die Verknappung von Ressourcen, Rohstoffen und Werkstoffen wie AdBlue nehme „bedrohliche Ausmaße“ an. Die Ernährungswirtschaft müsse als kritische Infrastruktur anerkannt werden. Laufende und anstehende Regulierungsvorhaben, so etwa im Rahmen des Green Deal, seien bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Resilienz der europäischen Lebensmittellieferketten zu überprüfen.

Energie wird bereits eingespart

Die Verbände der Getränkewirtschaft warnen, dass ohne ein schnelles Eingreifen des Staates und ohne wirksame Hilfen allein in der hiesigen Branche hunderte Betriebe und tausende Mitarbeiter ihre Existenz verlieren würden. Als „nicht akzeptabel“ bezeichnen sie es, wenn Unterstützungsmaßnahmen mit der Begründung versagt blieben, diese würden Anreize mindern, Energie zu sparen und unabhängiger vom Gas zu werden. Die Unternehmen hätten „größte Anstrengungen“ unternommen, wo immer möglich Energie einzusparen und auf den Einsatz fossiler Brennstoffe zu verzichten. Wie schon zuvor in der Corona-Krise seien sie nun unverschuldet in eine Notlage geraden, „in der sie der Staat nicht im Stich lassen darf“.

Ernst der Lage noch nicht erkannt

Die Hauptgeschäftsführerin vom Verband der Fleischwirtschaft (VdF), Dr. Heike Harstick, erklärte gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ), dass vielen großen Schlachtern das CO2 ausgehe. Dies sei „durchaus zum Verzweifeln“, sagte Harstick unter Verweis auf Branchenkreise. Wer noch Kohlendioxid bekomme, zahle „horrende Preise“; diese seien teilweise um das Zehnfache gestiegen.

Als „vollkommen unrealistisch“ wird eine großflächige Umstellung in der Fleischwirtschaft beurteilt. „Niemand weiß derzeit, was in einer, in zwei oder drei Wochen ist. Ich habe den Eindruck, die Bundesregierung und das Bundeslandwirtschaftsministerium haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt“, so Harstick.

In Gasbewirtschaftung einsteigen

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger schloss sich der Forderung der Branchen an und mahnte ebenfalls mehr staatliche Unterstützung für energieintensive Betriebe des Lebensmittelhandwerks. Nach seinen Worten steht die Uhr bereits „fünf nach zwölf“. Aiwanger berichtete, dass die Energiekrise die 52 bayerischen Mühlen in existenzielle Not gebracht habe. „Mehl ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel der Welt“, betonte der Minister. Er Müller, Brauer, Bäcker, Konditoren und Metzger würden von den Kostensteigerungen „geradezu überrollt“ würden.

Der Ressortchef sprach sich dafür aus, den Strom- vom Gaspreis zu entkoppeln und die Laufzeit der Atomkraftwerke zu verlängern. Zudem müssten die Steuern auf Energie gesenkt werden, und der Mittelstand müsse ebenfalls staatliche Zuschüsse bekommen. Zudem forderte Aiwanger im Hinblick auf die derzeit schwierige Versorgungslage mit Kohlensäure die Bundesregierung auf, in eine gezieltere Bewirtschaftung der knappen Gasmengen einzusteigen und die Branchen am Laufen zu halten. Das sei „unverzichtbar“. „Wir können weder auf Düngemittel noch auf CO2 im Lebensmittelbereich verzichten. Auch AdBlue für Dieselmotoren hängt an dieser Produktlinie“, gab der Ressortchef zu bedenken.
AgE
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