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06.11.2019 | 14:08 | Lebensmittelkontrollen 

Lebensmittelüberwachung: Wie sicher sind die Kontrollen?

Berlin - Gefährliche Keime in Frikadellen und anderen Fleisch- und Wurstwaren: Seit etlichen Tagen sorgen Fälle von mit Listerien verseuchten Lebensmitteln in Deutschland für Aufsehen. Wie können Produkte in den Handel gelangen, die gesundheitsgefährdend sind?

Lebensmittelüberwachung sicher?
Alles möglichst günstig zu produzieren - das kann bei der Herstellung von Lebensmitteln für den Verbraucher gefährlich werden. Dabei steht die Lebensmittelsicherheit an erster Stelle und ist klar geregelt. (c) proplanta
Eigentlich sollte das in Deutschland nicht möglich sein. Es ist klar definiert, wer die Sicherheit unserer Lebensmittel gewährleisten muss und wer sie kontrolliert.

Die rechtliche Lage

Wer Lebensmittel herstellt oder vertreibt, muss dafür sorgen, dass diese unbedenklich verzehrt werden können. Die entsprechende Basisverordnung der EU besagt: «Lebensmittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden.» Als nicht sicher gelten sie, wenn sie gesundheitsgefährdend oder aber grundsätzlich für den menschlichen Verzehr ungeeignet sind. Auf Basis dieser EU-Verordnung ist in Deutschland das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) entstanden. Darin ist festgelegt, wie überwacht wird, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Unternehmen müssen dokumentieren, woher ihre Lebensmittel oder Rohstoffe kommen und an wen sie welche Chargen geliefert haben.

Wer für die Kontrollen zuständig ist

In Deutschland sind die Bundesländer für die Lebensmittelüberwachung zuständig. Grundsätzlich koordiniert das zuständige Landesministerium die Überwachung, die auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte stattfindet. Dort nehmen Lebensmittelkontrolleure für die zuständigen Ämter vor Ort Proben und kontrollieren die Betriebe - und zwar alle, die mit Lebensmitteln zu tun haben: Erzeuger, Hersteller, Beförderer, Verkäufer und Gastronomen.

Wer Kontrolleure sind

Lebensmittelkontrolleur kann werden, wer einen Abschluss als Meister oder Techniker in einem Lebensmittelhandwerk oder ein Studium im Bereich Lebensmitteltechnologie, Hygiene oder Ökotrophologie abgeschlossen hat, so der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure. Die Fortbildung zum Lebensmittelkontrolleur dauert zwei Jahre: sechs Monate theoretischer Unterricht plus anderthalb Jahre praktische Ausbildung. Dabei werden die angehenden Kontrolleure etwa in rechtlichen Fragen, Lebensmittel- und Betriebshygiene, Ernährungslehre und Mikrobiologie geschult.

So (häufig) wird kontrolliert

Die Lebensmittelkontrolleure überprüfen Betriebe unangekündigt. Sie kontrollieren Personal, Arbeitsgeräte und Räumlichkeiten und prüfen, ob die Vorschriften zur Hygiene und Desinfektion eingehalten werden. Auch die vorgeschriebene Eigenkontrolle der Unternehmen wird beurteilt. Die Kontrolleure nehmen - je nach Betrieb - Proben von Lebensmitteln, Tieren, Futtermitteln, sie machen Abstriche an Arbeitsgeräten oder Maschinen. Die Proben werden anschließend in amtlichen Labors untersucht.

2018 wurden knapp 42 Prozent der rund 1,2 Millionen registrierten Lebensmittel-Betriebe in Deutschland kontrolliert, so das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Dabei gab es bei knapp 13 Prozent der überprüften Betriebe Verstöße - die weitaus meisten im Bereich Hygiene. Prinzipiell werden Betriebe mit besonders hohem Risiko wie etwa Schlachtereien, Fleischereien, Bäckereien und Großküchen häufiger kontrolliert. Gleiches gilt für Betriebe, in denen es bereits Beanstandungen gab.

Wenn eine Gesundheitsgefahr festgestellt wird

Sobald die Kontrollbehörde feststellt, dass ein Lebensmittel auf dem Markt gesundheitsschädlich ist, informiert sie das betroffene Unternehmen. Dieses muss die Öffentlichkeit unverzüglich warnen. Diese Pflicht gilt auch, wenn die Firma bei eigenen Kontrollen merkt, dass ein Lebensmittel nicht sicher ist. «Es gibt einen entsprechenden gesetzlichen Artikel, und wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Unternehmer selber die Öffentlichkeit informieren und eine Rücknahme oder einen Rückruf anordnen», erklärt der Direktor der Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht der Universität Bayreuth, Markus Möstl. Wenn der Unternehmer das nicht oder nicht rechtzeitig tue, könne jedoch auch die zuständige Behörde die Öffentlichkeit informieren. In der Regel veröffentlicht jedoch das Unternehmen eine Pressemitteilung.

Potenzielle Probleme bei der Lebensmittelsicherheit

Die Verbraucherschützer von Foodwatch finden die Struktur der Lebensmittelüberwachung problematisch. «Die Behörden von Ländern und Kommunen sind sowohl der Förderung der regionalen Wirtschaft und dem Erhalt von Arbeitsplätzen verpflichtet als auch der Kontrolle der Unternehmen - ein permanenter Interessenskonflikt, den es aufzulösen gilt», so Oliver Huizinga von Foodwatch. Die Verbraucherschützer fordern unabhängige Landesanstalten für die Überwachung, die für alle Betriebe eines Bundeslandes zuständig sein sollen.

Das Bundesernährungsministerium sieht kein Problem auf dieser Ebene:

«Die Forderung ist klar, die Rechtsvorschriften sind eindeutig: Der gesundheitliche Verbraucherschutz hat Vorrang», sagt der Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit, Bernhard Kühnle. Bundesministerin Julia Klöckner (CDU) hatte nach dem Treffen mit den zuständigen Länder-Ministern Ende Oktober betont, Kontrollen und Kontrolleure müssten unabhängig sein. Kühnle sieht einen anderen möglichen Konflikt: «Strengste Maßnahmen im Bereich der Lebensmittelsicherheit können dem Ziel, möglichst viel möglichst schnell zu produzieren und möglichst viel Geld damit zu verdienen, zuwiderlaufen.»

Was verbessert werden soll

Ein Kommunikationssystem, in dem alle betroffenen Behörden umgehend alle Daten und Informationen erhalten, die sie benötigen - das ist das Ziel. «Anstatt früher Disketten oder jetzt E-Mails und Exceltabellen durch die Lande zu schicken, soll alles in einer zentralen Datenbank verwaltet werden, so dass jeder Zugriff auf die ihn betreffenden Daten hat», erläutert Kühnle. Dazu hat es bereits auf der Verbraucherschutzminister-Konferenz im Mai einen Beschluss gegeben.

Außerdem sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, die Angaben zur Herkunft und Auslieferung einer Charge in einem bestimmten Format zu dokumentieren und jederzeit griffbereit zu haben - und nicht erst im akuten Fall Lieferscheine durchforsten zu müssen. Stichwort: Rückverfolgbarkeit.

Langfristig soll zudem die Sequenzierung des Genoms eines Erregers, der in einem Lebensmittel gefunden wurde, zum Standard werden. Diese kann mit Proben von erkrankten Menschen verglichen und so festgestellt werden, ob es eben dieser Erreger ist, der die Erkrankungen ausgelöst hat.
dpa
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