In der Agrar- und Ernährungswirtschaft wurden heute die Brüsseler Vorschläge, die unter anderem eine Zahlungsfrist von maximal 30 Tagen und ein Verbot nachträglicher, sachgrundloser Rabatte vorsehen und auf kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) beschränkt werden sollen, im Kern positiv bewertet wurden; Handelsvertreter reagierten hingegen ablehnend.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, sprach von einem „wichtigen ersten Schritt gegen unfaire Praktiken im Lebensmittelhandel“, der erstmals „Mindestregeln gegen den Missbrauch von Einkaufsmacht durch den Lebensmitteleinzelhandel (LEH)“ setze. Die Regeln müssten für die gesamte Lebensmittel
branche gelten und „wirksam von den Kartellbehörden durchgesetzt werden“.
Allerdings ist der Regelungsvorschlag für den DBV-Präsidenten „nicht weitreichend genug“. Die kartellrechtlichen Möglichkeiten zur Bündelung auf Erzeugerebene müssten auf alle von Landwirten getragenen Vermarktungs- und Verarbeitungsorganisationen erweitert werden, um „die landwirtschaftlichen Erzeuger in der Lebensmittelkette zu stärken und eine höhere Markttransparenz über die Verteilung der Wertschöpfungsanteile in der Lebensmittelkette“ zu erreichen.
Der Europäische Milchindustrieverband (EDA) begrüßte das Maßnahmenpaket aus Brüssel. Der Vorschlag werde die Position der KMU in der Lebensmittelkette insbesondere gegenüber der Marktmacht des LEH stärken. EDA-Generalsekretär Alexander Anton erklärte mit Blick auf die Einschränkungen der Kommissionsvorschläge, die gesamte Branche habe mit unfairen Handelspraktiken zu kämpfen. Es handele sich nicht um eine Frage der Betriebsgröße; daher sollte die gesamte europäische Milchindustrie geschützt werden.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) warnte indes vor den Regulierungsplänen. Diese seien „überflüssig und schädlich“ und könnten am Ende die Preise im LEH nach oben treiben. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth hob hervor, dass unfaire Handelspraktiken bereits heute verboten seien und in Deutschland „entsprechendes Fehlverhalten sehr effektiv sanktioniert“ werde. Zudem würden einzelne Klauselverbote zwischen Vertragspartnern der Landwirtschaft nicht aus ihrer „grundlegenden Strukturkrise“ helfen.
Die grüne Europaabgeordnete Maria Heubuch verwies indes darauf, dass die landwirtschaftlichen Produzenten auch von „großen Genossenschaften und Verarbeitern unfair behandelt“ würden. Heubuch sieht in den unfairen Handelspraktiken „ein Symptom der massiven Machtkonzentration im Agrar- und Ernährungssektor“, daher brauche es weitere Schritte.