„Wir werden beim Milcherzeugerpreis aber auch 2023 ein verdammt hohes Niveau im Vergleich zu früheren Jahren haben“, stellte am Mittwoch (11.1.) der Geschäftsführer der Landesvereinigung der
Milchwirtschaft in Nordrhein-Westfalen (LV Milch NRW), Dr. Rudolf Schmidt, bei der Jahrespressekonferenz der Vereinigung in Aussicht.
Gleichzeitig dürften die
Produktionskosten für die Erzeuger wohl auf einem überdurchschnittlichen Niveau bleiben, was im vergangenen Jahr bereits einen großen Teil des Preisanstiegs „aufgefressen“ habe. Laut Schmidt hat sich der
Strukturwandel in der nordrhein-westfälischen
Milchviehhaltung trotz hoher Erzeugerpreise 2022 in einem „normalen Tempo“ fortgesetzt.
Die Zahl der Milchkuhbetriebe sank im Vergleich zu 2021 um 3,6 % auf 4.805, obwohl der durchschnittliche Jahresmilchpreis um rund 45 % auf voraussichtlich gut 52 Cent/kg gestiegen war. Im Dezember 2022 lag der
Erzeugerpreis für eine Standardmilch im Bereich von 60 Cent/kg; laut Schätzung der Landesvereinigung könnte er 2023 im Jahresmittel zwischen 50 Cent/kg und 55 Cent/kg liegen.
Mehr Betriebsaufgaben
Schmidt rechnet bei einem geringeren Milchgeld und fortgesetzt hohen Produktionskosten mit vermehrten Betriebsaufgaben. Die Investitionsneigung sei aufgrund von Lieferkettenproblemen, unkalkulierbaren Kosten, Planungsunsicherheit und immer mehr politischen Auflagen „zurückhaltend“.
Eine genaue Prognose des Jahresmilchpreises 2023 ist laut Landesvereinigung aufgrund der vielen Unwägbarkeiten schwierig. Dazu zählten eine im
Klimawandel mögliche Trockenheit oder
Überflutungen mit Auswirkungen auf die Futterversorgung, die Entwicklung der Energie und Produktionskosten, die Exportsituation insbesondere nach China oder die Nachfrageentwicklung bei fortgesetzt hohen Preisen.
Schmerzgrenze verschoben
Laut dem rheinischen Vorsitzenden der LV Milch NRW, Hans Stöcker, hat der historische Preisauftrieb 2022 national wie international die Nachfrage geschwächt und die
Konsumenten auf kostengünstigere Produkte umgelenkt. Doch Inflation und Kostendruck würden 2023 nicht verschwinden. „Die Schmerzgrenze für Preise wird sich verändern“, so Stöcker.
Die Verbraucher- und Erzeugerpreise würden nicht auf das frühere Niveau zurückfallen. Dies sei aufgrund der höheren Produktionskosten für die Erzeugung und Verarbeitung von
Lebensmitteln auch nicht möglich. Insbesondere die
Milcherzeuger hätten die vergangenen Jahre „von der Substanz gelebt“ und viele
Betriebe hätten aufgegeben.
Mehraufwendungen ausgleichen
Auch wenn die Inflation zu Absatzrückgängen bei teureren Tierwohl- und Bioprodukten geführt hat, sieht der westfälische Vorsitzende der Landesvereinigung, Benedikt Langemeyer, die gesellschaftlichen und politischen Diskussionen in diesem Bereich nicht abebben.
Hierbei sei festzustellen, dass die Verbraucher durch die Vielzahl von Programmen und Logos verunsichert würden. Nun solle noch die staatliche Tierhaltungskennzeichnung hinzukommen, deren
Gesetzesentwurf er „sehr skeptisch“ sehe, so Langemeyer.
Insbesondere die fehlende europäische Lösung dafür bereite ihm „Bauchschmerzen“. Die Branche sei bereit, einen noch nachhaltigeren Weg mitzugehen, stellte der Vorsitzende klar. Die erheblichen Mehraufwendungen müssten jedoch entweder über den Milchpreis oder über gezielte Zahlungen ausgeglichen werden. Geschehe dies nicht, werde der Strukturwandel in der deutschen Milchwirtschaft noch schneller voranschreiten.
„In dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe benötigen wir eine ehrliche
Diskussion, um einen verlässlichen Rahmen für alle zu schaffen“ betonte Langemeyer. Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) müsse hier Interessen ausgleichen und Lösungen finden.
Milch bleibt Premiumprodukt
Während der Absatz wichtiger Milchprodukte wie Butter, Joghurt, Käse und insbesondere Trinkmilch 2022 im
LEH gesunken ist, nahm er laut der Landesvereinigung bei Milchimitaten weiter zu. Hierbei spielt hinsichtlich der Marktbedeutung bisher aber nur die Konsummilch auf pflanzlicher Basis eine größere Rolle. Laut Stöcker hat der LEH die Preise für die Pflanzenmilch nicht so stark angehoben wie bei echter
Frischmilch, die 2022 erstmals deutlich mehr als 1 Euro/l kostete.
„Trinkmilch hat viel Konkurrenz durch Imitate, die immer häufiger in den Regalen zu finden ist“, berichtete Stöcker. Er gehe davon aus, dass der Absatz von Milchimitaten weiter zunehmen, aber die Kuhmilch „nicht verdrängen“ werde. Der angeblich schlechte CO2-Fußabdruck der
Milchproduktion relativere sich, wenn der gesamte Herstellungsprozess und Kreisläufe betrachtet würden.
Die Kuh auf Grünland fresse ansonsten nicht für die menschliche
Ernährung verwertbares Gras und liefere über den Dung wichtige Nährstoffe für Pflanzen. „Milch wird ein Premiumprodukt bleiben“, ist Stöcker überzeugt. Durch ihre Zusammensetzung und Inhaltsstoffe sei sie ernährungsphysiologisch den Imitaten oder Produkten aus dem Bioreaktor überlegen.
AgE