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03.08.2015 | 21:00 | Löhne 

Mindestlohn in der Landwirtschaft: Vorteile, Nachteile und Folgen

Stuttgart - Seit 1.1.2015 gilt in Deutschland flächendeckend der gesetzliche Mindestlohn. Der Stundensatz liegt bei 8,50 € brutto pro Stunde.

Mindestlohn Landwirtschaft
(c) proplanta
In der Landwirtschaft arbeiten verhältnismäßig viele Beschäftigte unterhalb des Mindestlohns, sodass zu erwarten ist, dass die Branche entsprechend reagiert.

Nachteile des Mindestlohns in der Landwirtschaft

Generell stehen Arbeitgeberverbände einem pauschal festgesetzten Mindestlohn skeptisch gegenüber. Auch Wirtschaftsverbände teilen diese Meinung.

Die größten Nachteile sehen sie für die Landwirtschaft in diesen Punkten:

- hohe Arbeitsplatzverluste im Niedriglohnsektor und in strukturschwachen Regionen

- Rückgang der Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter im Niedriglohnbereich

- verminderte Chancen zum Quereinstieg gering Qualifizierter, Langzeitarbeitsloser und Personen ohne Berufspraxis

- Zunahme von Scheinselbstständigkeit, Schwarzarbeit, illegaler Beschäftigung und Ein-Mann-Betrieben

- Anstieg der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit

- Verminderung angebotener Praktikumsplätze

- Wettbewerbsnachteile deutscher Landwirte im Vergleich zu EU-Mitgliedstaaten

- Schwächung strukturschwache Regionen,

- Potenzial zur Umgehung der Vorschriften

Auch steigende Kosten für Bürokratie und Verwaltung sind zu erwarten. Arbeitgeber haben viele Grundregeln zu beachten, wenn es um die Einstellung von Mitarbeitern geht. Für die Land- und Forstwirtschaft sowie den Gartenbau gilt die 1. Rechtsverordnung, die branchenbezogene Mindestlöhne festschreibt. Diese und weitere wichtige Details zum Mindestlohn sind hier zusammengestellt.

Arbeitsplätze LandwirtschaftBild vergrößern
(c) pixabay - tmcsparron (CC0 Public Domain)
Gerade im Bereich der Sonderkulturen werden jährlich laut Landwirtschaftszählung 2010 (statistisches Bundesamt 2013: 472) rund 330.000 Saisonarbeitskräfte beschäftigt. Der Mindestlohn könnte dafür sorgen, dass sich die Landwirte den Einsatz der Saisonarbeitskräfte nicht mehr leisten können. In Bezug auf jetzt gezahlte Löhne liegt der größte Nachteil darin, dass die Arbeitskosten für Erntehelfer um rund 70 % steigen werden. Bei Rohwarenkosten gehen Kritiker von 50 % Steigung aus. Da im Bereich der Sonderkulturen in der Spitze 60 % aller Mitarbeiter Saisonarbeitskräfte sind, wird sich das sichtbar auf das Betriebsergebnis auswirken. Eine Möglichkeit, um dem entgegenzuwirken, ist das Streichen von Urlaubsgeld oder Einmalzahlungen.
SonderkulturenBild vergrößern
(c) pixabay - HolgersFotografie (CC0 Public Domain)
Abbau von Arbeitsplätzen ist die Konsequenz des Mindestlohns
Zu rechnen ist damit, dass ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen für Saisonarbeiter stattfinden wird. Langjährige Saisonarbeitskräfte, die aus Rumänien oder Polen extra nach Deutschland anreisen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, werden ihrer Einkommensquelle beraubt. Darüber hinaus gehen der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Gesamtverband der Deutschen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) davon aus, dass ein Teil der sozialversicherungspflichtig angestellten Mitarbeiter entlassen wird.

Neuregelung für Praktikanten

Das Mindestlohngesetz (MinLoG) sah ursprünglich vor, dass freiwillige Praktikanten nach einer Dauer von sechs Wochen mit dem Mindestlohn abgerechnet werden müssen. Das hätte vermutlich dazu geführt, dass die Landwirtschaft kaum noch Praktikumsplätze in den internationalen Entwicklungsprogrammen angeboten hätte. Der Gesetzgeber hat nachgebessert und die Praktikumsdauer auf drei Monate angehoben, bevor die Mindestlohnregelung greift.

Bei Mindestlohn gilt für Praktikanten erhöhte Aufmerksamkeit seitens der Arbeitgeber. Denn sobald ein Praktikant die gleiche Tätigkeit wie ein Arbeitnehmer ausführt, könnte eine Überprüfung ergeben, dass Anspruch auf Mindestlohn besteht. Ausnahmen bestehen bei Pflichtpraktika. Auch Minijobber sind bei Mindestlohnprüfungen im Fokus. Die Zollverwaltung erwartet Aufzeichnungen darüber, wie viele Stunden ein Minijobber für die geringfügige Entlohnung gearbeitet hat. Daraus errechnet sie den Stundenlohn und zieht Konsequenzen.

Mindestlohn lässt Preise steigen

Sonderkulturbetriebe wie zum Beispiel Gurkenanbauer stehen in Konkurrenz zum Ausland. Da im Ausland häufig wesentlich niedrigere Löhne bezahlt werden, verlieren sie an Konkurrenzfähigkeit. Zu befürchten ist, dass deutsche Erzeugnisse durch ausländische Erzeugnisse verdrängt werden. Zum Teil sind diese Konsequenzen schon in den Supermarktregalen zu erkennen. Die Preise von Spargel sind nicht allein durch schlechtes Wetter in die Höhe geschnellt, sondern auch, weil Löhne für Mitarbeiter angehoben wurden. Wieviel Spielraum Landwirten mit Sonderkulturen bleibt, ist schwer einzuschätzen. Die Preise von Gurken, Sauerkraut und Rotkohl werden vermutlich steigen, zum Teil sind pro Gurkenglas schon 20-0,40 € Preissteigerung zu verzeichnen.

Winzer in Rheinland-Pfalz befürchten, dass sie die Mehrkosten nur geringfügig an Endverbraucher weitergeben können, weil die Konkurrenz aus dem Ausland zu groß ist.
PraktikantenBild vergrößern
(c) pixabay - Sprachschuleaktiv (CC0 Public Domain)
Vorteile des Mindestlohns in der Landwirtschaft

Sozialverbände, Frauenverbände, Jugend- und Naturverbände sowie kirchliche Organisation und Erwerbsloseninitiativen befürworten Mindestlohnlöhne in der Landwirtschaft. Sie sehen die Chance vor allem darin, dass Arbeit fair entlohnt wird und damit Grundvoraussetzungen für den sozialen Frieden geschaffen werden. Mindestlohn sei ein Meilenstein in der sozialen Absicherung, der Lohndumping unterbinde, lautet eine Ansicht aus den Reihen der genannten Verbände. Voraussetzung dafür müsste allerdings sein, dass das Mindestlohngesetz keine Ausnahmeregelungen zuließe

.Eine faire Entlohnung sieht auch vor, dass Saisonarbeiter gleich behandelt werden. Die IG Bau weist darauf hin, dass die Arbeitsbedingungen oft schwierig sind. Lange Arbeitstage, arbeiten bei jedem Wetter und hohe körperliche Belastungen bei gleichzeitig niedriger Bezahlung untergraben die Motivation und die Arbeitsqualität. Mindestlohn würde diese Nachteile ausgleichen. Weitere Vorteile, die in der Einführung des Mindestlohns gesehen werden, sind diese:

- Gleichstellung von Frauen und Männern. Weibliche Beschäftigte würden am meisten profitieren. Lohndiskriminierung und niedrige Frauenerwerbstätigkeitsquoten ließen sich verringern.

- Arbeitnehmer in schwachen Verhandlungspositionen erfahren gesetzlichen Schutz. Das gilt beispielsweise für Arbeitslose, Praktikanten und Jugendliche. Insbesondere sehen Arbeitnehmerverbände den Vorteil darin, dass freiwillige Praktikanten nicht länger als billige oder kostenlose Arbeitskräfte missbraucht werden.

- Imageverbesserung der Landwirtschaft. Eine Branche, die auf Billigproduktion setzt und Billiglöhne zahlt, stellt sich gesellschaftlich selbst ins Abseits. Jeder Arbeitgeber aus der Landwirtschaft sei verpflichtet, in seiner Branche zukunftsfest zu agieren (IG Bau Vorsitzender Harald Schaum, Einblick 13/14:6).

Fazit: Es ist zu früh, um stichhaltige Konsequenzen aufzuzeigen, da die Landwirtschaftsbranche in Sachen Mindestlohn aktuell im Umbruch ist. Inwieweit sich die Vorteile durchsetzen oder die Nachteile überwiegen, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. (Pd)

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