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19.09.2013 | 10:30 | Deutsche Hühnerbeine für Afrika 

Niedersachsen Hauptexporteur von Geflügelfleisch-Überschüssen in Entwicklungsländer

Hannover - Sensationelle Zuwachsraten von 120 Prozent - und das in Afrika? Die deutsche Geflügelindustrie macht's möglich.

Geflügelfleisch-Überschüsse
Mehr als die Hälfte der exportierten Geflügelfleisch-Überschüsse stammt aus Niedersachsen (c) proplanta
Insgesamt 47.000 Tonnen Geflügelfleisch exportierte sie im vorigen Jahr nach Branchenangaben auf einen Kontinent, der in Europa noch immer allzu häufig mit Hunger, Krieg und Katastrophen in Verbindung gebracht wird. «Vorher gab es so gut wie keine Exporte dorthin», sagt Anika Folgart vom Zentralverband der deutschen Geflügelwirtschaft.

Hilfsorganisationen wie Brot für die Welt beobachten den Trend wegen der Auswirkungen der Billigimporte auf die Preise afrikanischer Produzenten zunehmend skeptisch. Afrika sei für Geflügelfleischreste aus Deutschland und dem Rest der EU zum wichtigsten Exportmarkt geworden, erklärt Francisco Marí, Agrarhandelsexperte bei Brot für die Welt.

«Überall dort, wo wir uns bemühen, eine von Importen unabhängige Lebensmittel-Produktion aufzubauen, wird das natürlich zum Problem», klagt er. Deutschland reihe sich dabei ein in ähnliche Exportströme auch aus Frankreich, Belgien oder den Niederlanden.

Was hat den Boom ausgelöst?



«Deutsche Geflügelexporte nach Afrika sind noch relativ neu, sie zogen erst in den letzten Jahren an», sagt Margit Beck vom Branchendienst Marktinfo Eier und Geflügel (MEG) in Bonn, der sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes stützt.

2012 führten deutsche Geflügelhersteller demnach 445.000 Tonnen Fleisch ins Ausland aus, 322.000 Tonnen davon in die EU-Länder. Mehr als die Hälfte kam aus Niedersachsen - Deutschlands Hühnerstall Nummer eins, wenn es um industrielle Mästung geht. 47.000 Tonnen des Fleisches - rund ein Zehntel der Exporte - landeten in Afrika.

«Länder wie Ghana und Benin gehören zu den Absatzmärkten dort, spielen aber eigentlich nur eine untergeordnete Rolle», sagt Beck. Denn die Masse deutscher Geflügelexporte geht nach Südafrika. Nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ermöglicht ein bilaterales Abkommen den Marktzugang. Innerhalb von nur zwei Jahren hat sich der Kap-Staat so unter den Nicht-EU-Ländern nach der Ukraine zum zweitgrößten Abnehmer deutschen Geflügelfleisches entwickelt, erklärt die MEG.

Der Export gefrorener Hühnerhälften oder -schenkel dorthin zog 2012 nach Daten des Statistischen Bundesamtes auf 21.245 Tonnen an (Vorjahr: 1969 Tonnen). «Seit Ende 2010 gibt es ein abgestimmtes Veterinärzertifikat zwischen Südafrika und Deutschland», erläutert Folgart den Hintergrund. Zu den Billigprodukten zählen in Europa kaum nachgefragte Geflügelteile wie etwa Flügel oder andere Stücke.

«Das sind Reste der Reste, die hier keiner haben will», sagt Marí. Das Gefrierfleisch, das aus Deutschland nach Afrika verschifft wird, kann nach seinen Erkenntnissen Afrikas Bauern aber durchaus vom Markt drängen. Gegen billige Importware hätten sie kaum eine Chance.

«Es ist ja auch aus ökologischer Sicht ein Wahnsinn, den Abfall mit viel Aufwand dorthin zu transportieren», meint auch Simone Pott von der Welthungerhilfe. Bei der Hilfsorganisation Misereor gibt es ebenfalls starke Bedenken. «Es besteht das Risiko, damit vor Ort komplette Märkte zu zerstören», sagt Sprecherin Barbara Wiegard.

Berit Thomson von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Hamm dagegen sieht die Erschließung neuer Märkte nicht nur negativ - solange dies die lokalen Strukturen in den Empfängerländern nicht stört. Sie schränkt allerdings ein: «Die steigenden Exporte in Entwicklungsländer haben ja nichts damit zu tun, dass die Produkte dort nachgefragt werden, sondern eher mit der Abschaffung von Handelsbarrieren.»

Die Welthandels-Referentin arbeitet gerade an einer Studie, die auch den deutschen Exporten von Schweinefleisch weltweit nachspürt. «Auch da gibt es enorme Zuwächse bei den Exporten in Entwicklungsländer», sagt sie. «Man kann klar erkennen, wie sie immer mehr ins Visier der Exportländer geraten.» (dpa)
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