Nahrungsmittel, Rohstoffe und Energie sowie Landespflege nannte Ökonomierat Norbert Schindler MdB, Präsident der
Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, anlässlich des Jahresempfangs der Wirtschaft in Mainz als zentrale Bereiche, in denen es ohne Landwirtschaft keine Antwort auf die ungelösten Fragen nach der Bekämpfung des Hungers in der Welt, dem Ersatz für fossile Rohstoffe und Energieträger oder der Bewahrung der Schöpfung geben werde. Deshalb sei es gerechtfertigt, landwirtschaftliche Betriebe in Krisensituationen nicht allein zu lassen.
Auch beim Jahresempfang der Wirtschaft stand die anhaltende globale Finanz- und
Wirtschaftskrise im Mittelpunkt von Reden und Diskussionen. Was im Juni 2007 mit geplatzten Hedgefonds in den USA begann, hat sich seitdem zur schwersten Bedrohung der internationalen Finanz- und Wirtschaftssysteme entwickelt. Sorgen um die Stabilität von Währungen, um die Sicherung von Wohlstand, um den Erhalt von Arbeitsplätzen und die Zukunft des Sozialstaats haben im Zuge einer dramatischen Entwicklung die bis dahin vorrangigen Zukunftsfragen, wie Hunger, Wassermangel, Seuchen oder
Klimawandel, in den Hintergrund gedrängt. Der Weltklimagipfel in Kopenhagen ist nicht zuletzt deshalb gescheitert, weil die Dimension des zu beratenden Problems kurzfristig von Rezession, Liquiditätsengpässen, Konkursen und Rekordverschuldung überragt wurde.
Unter den Teilnehmern des Jahresempfangs, der jährlich von 12 rheinland-pfälzischen Kammern in der Mainzer Rheingoldhalle veranstaltet wird, herrschte weitgehend Einstimmigkeit: Die Finanz- und Wirtschaftskrise muss überwunden, die Leistungsfähigkeit der Finanzsysteme und der Volkswirtschaften muss wieder hergestellt werden. Ohne kapital- und wirtschaftsstarke Länder werden die weiter ungelösten und bald wieder nach vorne drängenden Existenzfragen der Menschheit nicht zu beantworten sein. Die politischen Entscheidungen, mit denen in Deutschland gegen die Krise gesteuert wurde, waren daher überwiegend richtig, weitsichtig und auch wirksam. Sie wurden meist von einem breiten Konsens der demokratischen Parteien getragen, von dem zu hoffen ist, dass er fortbesteht und nicht wahltaktischen Manövern geopfert wird. Die Konjunkturpakete I und II haben vor allem im kommunalen Sektor Investitionen ermöglicht und Aufträge für den Mittelstand generiert. Die Verschrottungsprämie hat den industriellen Kernbereich der Fahrzeugfertigung und des Zulieferbereichs vor einem dramatischen Einbruch mit unabsehbaren Folgen bewahrt. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz entlastet Betriebe und Leistungsträger. Es setzt damit ökonomische Kräfte in Produktion und Dienstleistung frei und steigert die Binnennachfrage.
Bei der Krisenbewältigung hat die Politik auch die Landwirtschaft nicht vergessen. EU, Bund und Länder haben neue Förderprogramme entwickelt und bestehende aufgestockt und auf diese Weise vor allem den Betrieben Hilfestellung gegeben, deren Liquidität durch den Verfall der landwirtschaftlichen
Erzeugerpreise bei gleichzeitigem Anstieg der Produktionskosten zusätzlich extrem gefährdet wurde. Wie bei den Stützungsmaßnahmen für Banken, Industrie und Mittelstand hat die Politik auch mit der Unterstützung für die Landwirtschaft richtig gehandelt. In Rheinland-Pfalz wurde etwa mit einem kurzfristig aufgelegten Liquiditätshilfeprogramm ein Darlehnsvolumen von 26 Mio. Euro erzeugt, mit dem zahlreiche Betriebe Engpässe überbrücken und in der Spur bleiben konnten. Mit dem gleichen Ziel wurde die Auszahlung von 176 Mio. Euro Betriebsprämien in Rheinland-Pfalz auf Anfang Dezember 2009 vorgezogen. Ohne diese Maßnahmen hätten viele leistungsfähige und zukunftsorientiert aufgestellte Betriebe schließen müssen.
Im Zuge des Strukturwandels ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Rheinland-Pfalz allein in den letzten zehn Jahren um fast 30 Prozent auf unter 25.000 zurückgegangen; ein schmerzhafter aber zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unvermeidbarer Prozess. Klar ist aber auch, dass wir in naher Zukunft wieder vor den Herausforderungen stehen werden, die wir ohne eine hochleistungsfähige Landwirtschaft nicht werden bewältigen können: Weltweit hungern derzeit rd. 1 Milliarde Menschen; täglich sterben 24.000 infolge mangelnder Ernährung. Wegen der Endlichkeit fossiler Brenn- und Rohstoffe und der von diesen verursachten Belastungen unserer Umwelt richten sich hohe Erwartungen an Bioenergie und nachwachsende Rohstoffe. Schließlich wird die Bedeutung intakter Kulturlandschaften und der damit verbundene Pflege- und Bewirtschaftungsbedarf weiter zunehmen. (lwk rlp)