Die Milchmarktgestaltung soll das Prinzips der Ernährungssouveränität und damit das Recht der EU und anderer Länder, sich selbst mit Lebensmitteln zu versorgen, respektieren. Ziel ist es außerdem, eine stärkere Marktorientierung einzuführen. Dies bedeutet, dass im Zentrum der zukünftigen Milchpolitik der EU die Schaffung von Rahmenbedingungen stehen sollte, welche ein gesundes Funktionieren des Marktes ermöglichen.
1. Kräftegleichgewicht am Markt - Stärkung der Milcherzeuger Die aktuelle Asymmetrie der Verhandlungsposition am Markt zulasten der Erzeuger beruht darauf, dass den Erzeugern keine Möglichkeit gegeben (bzw. durch die Aushöhlung der Quote sogar genommen) wird, ihr Milch-Angebot aktiv und flexibel an den Bedarf anzupassen. Solange ihnen keine Möglichkeit gegeben wird, auf sinkende Preise mit einer sinkenden Erzeugung koordiniert und gemeinsam wirksam zu reagieren, solange kommen sie erst gar nicht in die Position, überhaupt verhandeln zu können. => Stärkung der unabhängigen Milcherzeugergemeinschaften im europäischen Kartellrecht und aktive Unterstützung des Zusammenschlusses der Milcherzeuger durch die Politik
2. Mengengleichgewicht - Balance von Angebot und Nachfrage Ziel einer Gestaltung des europäischen Milchmarktes muss es sein, die Milcherzeugung in Europa im wesentlichen am Bedarf des Binnenmarktes zu orientieren und Überschüsse konsequent zu vermeiden. Der Weltmarkt ist für Europa nur im Hochpreissegment interessant. Exporte sollten also nur dort stattfinden, wo eine hohe Wertschöpfung möglich ist. In dieser Frage erhalten die Milcherzeuger auch Unterstützung von den Verbänden der Entwicklungszusammenarbeit, die sich gegen ein Dumping durch EU-Exporte in Länder des Südens wenden. Diese ökonomisch und ökologisch sinnvolle Selbstbeschränkung erlaubt dann auch die => Sicherstellung eines angemessenen Außenschutzes
Um eine Milchmenge festzulegen, die den gesellschaftlichen Interessen einer nachhaltigen Versorgung mit qualitativ hochwertiger Milch entspricht und kostendeckende Milcherzeugerpreise gewährleistet, sollte die
EU-Kommission eine europäische Stelle für Milchmarktgestaltung einrichten. Diese kann den Rahmen für einen Interessenausgleich zwischen Milcherzeugern und Milchindustrie bieten und Missbrauch verhindern sowie absichern, dass die gesamtgesellschaftlichen Belange respektiert werden.
3. Europäische Stelle für Milchmarktgestaltung Alle Akteure des Milchmarktes sollten an dieser europäischen Stelle für Milchmarktgestaltung beteiligt sein (Erzeuger, Verarbeiter, Politik, Zivilgesellschaft). Für das Funktionieren dieser Stelle ist eine Satzung notwendig, die klar die Festlegung des Zielpreiskorridors auf der Basis der Produktionskosten regelt und die Ziele der Milchmarktgestaltung im Sinne der Gesellschaft festschreibt. Die EU-Stelle für Milchmarktgestaltung soll folgende Aufgaben erfüllen:
- MONITORING Markttransparenz (zeitnahes Monitoring für Produktionskosten, Milchpreise, Angebot und Nachfrage)
- MILCHERZEUGER–MILCHINDUSTRIE Vertragsverhandlungen zwischen Marktpartnern Vorgabe eines Zielpreiskorridors auf der Grundlage des Produktionskostenmonitoring (Kanada) Vorgabe der zu produzierenden Milchmengen, Ausrichtung an Höhe des erwirtschafteten Preises und entsprechend der Nachfrage am Markt
- ZIVILGESELLSCHAFT Markt im Dienste der Gesellschaft Bewertung des Ausgangs der Beratungen durch Vertreter der Zivilgesellschaft Der EU-Kommission kommt dann die wichtige Rolle zu, die Allgemeinverbindlichkeit herzustellen. Sie ratifiziert die Entscheidungen des Arbeitsbereiches Milcherzeuger und Milchindustrie unter Berücksichtigung der Aussagen der Vertreter der Zivilgesellschaft und erklärt sie allgemeinverbindlich für alle Akteure des Marktes.
4. Mengenanpassung bei der Produktion durch die Erzeugergemeinschaften Die wichtigste Aufgabe der Erzeugergemeinschaften wird die Umsetzung der Mengenanpassungen auf der Basis der Vorgabe der Stelle für Milchmarktgestaltung sein. Die europäische Erzeugergemeinschaft gibt die Notwendigkeit der Senkung oder der Ausweitung der Milchmenge an die nationalen Erzeugergemeinschaften weiter. Die europäische Erzeugergemeinschaft muss außerdem in der Lage sein, auf unvermeidbar auftretende geringe Angebotsüberhänge reagieren zu können, in dem sie eine strategische Lagerreserve zur Marktstabiliserung nutzt. => Fortbestand einer einzelbetrieblichen Mengenbegrenzung und Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidungen der Milchmarktgestaltungsstelle und der europäischen Erzeugerorganisation
Export in außereuropäische Märkte kann weiterhin stattfinden, sofern kostendeckende
Milchpreise an die Erzeuger gezahlt werden. Die gesellschaftspolitische Bedeutung der Milch findet die volle Berücksichtigung; Einzelinteressen einiger weniger exportorientierter Unternehmen müssen sich dem unterordnen und bestimmen nicht die Gestaltung des gesamten Sektors. Vermutlich wird es notwendig sein, gewisse Milchmengen, die aktuell unter Wert auf dem Weltmarkt verkauft werden, auf innereuropäische Märkte umzuleiten bzw. nicht zu erzeugen.
Positive Auswirkungen für alle Akteure des Milchmarktes In diesem Konzept hat die Politik weiter die überwachende Rolle und kann gewährleisten, dass auch in Zukunft in allen Regionen Europas Milch von hoher Erzeugungs- und Produktqualität verfügbar ist. Außerdem sind folgende Vorteile zu benennen:
- Erzeuger erwirtschaften ihre Einkommen aus dem Markt, öffentliche Zahlungen sind nur in benachteiligten Gebieten und für besondere gesellschaftliche Leistungen nötig, zahlbar aus der 2. Säule der GAP.
- Marktentwicklungen kann schneller und flexibler direkt auf der Ebene der Erzeugung begegnet werden, Überschüsse können vermieden werden
- Strategische Lagerreserve zur Marktstabilisierung wird durch die Erzeuger koordiniert, der Steuerzahler muss nicht mehr mehrfach in die Tasche greifen
- Erzeuger sind mehr in der Verantwortung und können als gleichberechtigte Partner am Markt agieren
- Die Milchindustrie hat die Sicherheit bezüglich der Menge und der guten Qualität der Milch, die sie zu einem angemessenen Preis auf dem Markt absetzen kann
- Ein angemessener Außenschutz in Kombination mit der Abkehr vom gezielten Dumping verhindert Billigimporte von Milch und Milchprodukten und bildet die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung der europäischen Milcherzeugung und der Eigenversorgung Europas sowie desgleichen in Drittländern
- Die Verbraucher können weiterhin über frische Milch und Milchprodukte aus der Region zu stabilen Preisen verfügen. Ihr Interesse an einer nachhaltigen Milcherzeugung in ganz Europa mit tierund umweltgerechten Produktionsbedingungen wird über die Marktgestaltungsstelle direkt berücksichtigt und über die kostendeckenden Milchpreise sowie Qualitätsrichtlinien abgesichert. (EMB)