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09.09.2018 | 05:13 | Schulbildung 

Schulbücher oft Jahre hinter dem Stand der Landwirtschaft

Rendsburg - Der langsame Aktualisierungszyklus der Schulbücher ist einer der Gründe für ein nicht realitätsgetreues Bild der Landwirtschaft in der Schulbildung und damit auch in der Öffentlichkeit.

Schulbücher Landwirtschaft
(c) proplanta
Das monieren nach Angaben des Geschäftsführers des bildungsorientierten Vereins information.medien.agrar (i.m.a), Patrick Simon, auch die Jugendlichen selbst. Studien belegten klar den Wunsch der 14- bis 29-Jährigen, besser über die moderne Agrarproduktion informiert zu werden. Um Abhilfe zu schaffen, stellt der Verein nach eigenen Angaben aktuelle Lehrmaterialien bereit und steht dabei aufgrund der wenigen Alternativangebote zunehmend unter Nachfragedruck von Lehrern und Landwirten

Wie Simon auf dem vom i.m.a mitorganisierten Lehrerkongress in Rendsburg weiter erklärte, setzt sich der Verein auch mit den Verlagen auseinander, um einer fehlerhaften oder verzerrenden Darstellung entgegenzuwirken, wenn solche Fälle an den i.m.a herangetragen würden. „Wir sind die Anlaufstelle für den kompletten Berufsstand. Es ist natürlich ein sehr zäher Dialog und schwer, erstmal in die entscheidenden Positionen vorzudringen“, so der Geschäftsführer. Die Offenheit der Verlage sei aber stets sehr groß, wenn man den Kontakt zu den verantwortlichen Stellen gefunden habe.

Auch der Pressesprecher des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Axel Finkenwirth, hält die Vermittlung eines authentischen Bildes in Form von aktuellen Lehrmaterialien und Praxiserfahrungen für sinnvoll. Er rief aber auch dazu auf, den Landwirten in spezialisierten Fachgebieten hinsichtlich ihrer Expertise zu vertrauen. Er führte als Vergleichsbeispiel den Bremskraftverstärker in Kraftfahrzeugen an, mit denen zwar auch viele Menschen in Berührung kämen, aber nicht den Anspruch hätten, diesen in seiner Funktionsweise zu verstehen. Stattdessen vertrauten sie auf das Expertenwissen der Konstrukteure. Nichtsdestotrotz sei es Aufgabe des Bauernverbandes, komplexe Agrarthemen verständlich herunterzubrechen und so das Verständnis der Bürger für die Themen des Berufsstandes zu fördern.

Großen Anklang in der Öffentlichkeit findet dem Viehhalter und Agrarblogger Thomas Andresen zufolge vor allem der ungeschnittene und direkte Einblick in die alltäglichen Arbeiten auf dem Betrieb. Die Öffentlichkeit bei ihrer Arbeit mitzunehmen, sei eine Aufgabe, die der Berufsstand zu sehr vernachlässigt habe.

Realismus weckt Interesse

Ehrlichkeit zahlt sich laut dem Agrarblogger in der Öffentlichkeitsarbeit durchweg aus. Andresen beobachtet dabei unter anderem eine „pragmatische Auffassung“ von Kindern, die auf den Betrieb zu Besuch kämen. Sie könnten durchaus damit umgehen, dass die zu anzutreffenden Schweine schließlich geschlachtet würden und seien vielmehr interessiert am Prozess der Lebensmittelherstellung.

Diskussionen mit kritischen Kommentatoren auf sozialen Plattformen könnten ebenfalls für beide Seiten progressiv sein. Der Landwirt riet aber zugleich dazu, dem Streit mit militanten und generell aggressiven Akteuren aus dem Weg zu gehen, da hier ohnehin kein Austausch gesucht sei und die Auseinandersetzung damit die Arbeit nur unnötig belastete.

Andresen lobte öffentlich ausgestrahlte Dokumentationsserien nach dem Beispiel der „Büffelranch“ vom ZDF. Die Redakteure und Produzenten hätten einen geschulten Blick für die Darstellung des Alltagslebens und gingen respektvoll mit „brenzligen Situationen“ auf dem Betrieb um. So werde ein realistisches Bild der Landwirte abseits des „Bauer sucht Frau“-Images vermittelt, das weder einen romantisierenden noch einen skandalisierenden Ansatz verfolge und dennoch das Interesse der Zuschauer wecke.

So früh wie möglich ansetzen

Sowohl das Bild der modernen Landwirtschaft als auch die Romantisierung werden dem Beruf aus Sicht von Andresen und Simon nicht gerecht, auch wenn diese Facetten durchaus darin zu finden seien. Stattdessen gehe es darum, dieses Feld in seiner Vielschichtigkeit näherzubringen. Einer zunehmenden Zahl von Bauern werde indes bewusst, dass sie das öffentliche Image ihres Berufs selbst prägen sollten.

Der i.m.a unterstützt die Landwirte laut dessen Geschäftsführer dabei, und zwar auch in Form von zunehmend von Bauern gefragten Materialien. Die Bildung von Kindern und Jugendlichen in landwirtschaftlichen Themen kann nach Einschätzung Simons „gar nicht früh genug beginnen“. Dabei sei festzustellen, dass kleinere Kinder oft im Rahmen von Ausflügen Betriebe zu sehen bekämen.

Ein Mangel an Informationen und authentischen Erlebnissen sei dagegen in der Sekundarstufe II festzustellen, in der die Jugendlichen dann eine kritische Haltung eingenommen hätten. Hier bestehe noch Nachbesserungsbedarf im Lehrplan. „Auf Messen stehen wir im regelmäßigen Austausch mit einem breiten Spektrum an Lehrern. Was ich dort festgestellt habe ist, dass Lehrer sehr offen und wenig voreingenommen sind“, so Simon. Sie verfügten aber oft nur über wenig Wissen zu landwirtschaftlichen Themen.

Verhältnismäßigkeiten im Blick behalten

Ein intensiverer Austausch zwischen Landwirten und der Gesellschaft, insbesondere den Lehrern, hält Finkenwirth für wünschenswert. In Schleswig-Holstein bestehe ein vergleichsweise intensiver Kontakt, das sei in anderen Bundesländern nicht unbedingt der Fall. Vor allem in den Städten sei eine Entfremdung zwischen Bauern und Verbrauchern festzustellen. Das Verständnis für den Berufsstand fehle somit oftmals, auch weil sich manche Kritiker nicht die Verhältnismäßigkeiten vor Augen führten.

Als Beispiel nannte der DBV-Pressesprecher die Subventionspolitik und zog als Vergleich wiederum die Automobilindustrie heran. Er erinnerte an die „Abwrackprämie“, die zur Unterstützung der Automobilindustrie 5 Mrd. Euro gekostet habe. Die Kosten der Dürrehilfen beliefen sich auf ein Bruchteil dieses Betrages und dienten der Rettung der Agrarbetriebe. Außerdem sei zu bedenken, dass 2018 in klimatischer Hinsicht ein Ausnahmejahr gewesen sei. Bei Ernteausfällen von bis zu 70 % seien einige Höfe ohne zusätzliche Beihilfen schlichtweg nicht überlebensfähig. Hier müsse die Gesellschaft einstehen.
AgE
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