Die Theorie sei, dass digitale Technologien helfen, dass die Landwirtschaft ökologischer werde. Doch bisher gebe es kaum Belege dafür, dass die Digitalisierung in landwirtschaftlichen Betrieben signifikant zum Schutz der Biodiversität beitrage, stellen die Forscher fest. Sie fordern mehr unabhängige Studien zu den Folgen der Digitalisierung in der Landwirtschaft, vor allem auch zu ihren Risiken.
„Bei allen Vorteilen muss die Politik auch die Schattenseiten der Digitalisierung ernst nehmen“, mahnt Projektleiterin Lea Kliem vom IÖW. Die Studie weise auf mögliche „Rebound“-Effekte hin. „Zunächst steigern die digitalen
Innovationen zwar die Effizienz, zum Beispiel bei der Bewässerung. Aber Änderungen in der Produktion können die Einsparung wettmachen - etwa, wenn anschließend mehr Nutzpflanzen mit höherem Wasserbedarf angebaut werden als zuvor. Auch schwer zugängliche Nischenflächen, die derzeit der Natur überlassen bleiben, könnten durch agile
Feldroboter bewirtschaftet werden“, so Kliem.
Das Problem sei, dass die technischen Neuerungen in der Agrarbranche häufig nicht für ökologische Verbesserungen entwickelt würden, die vielfältige Agrarsysteme ermöglichten, sondern in erster Linie für die Ertragssteigerung oder Arbeitserleichterungen. Wenn sich dies fortsetze, rücke eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft weiter in die Ferne, erklärt Kliem.
Die Wissenschaftler empfehlen der Politik, die Anreizsysteme und Förderprogramme der Landwirtschaft stärker auf Vielfalt auszurichten: „Erst wenn Biodiversitätsschutz als Leistung für das Gemeinwohl gewürdigt wird und sowohl der Bund als auch die EU ihre Fördermittel an ökologische und soziale Kriterien knüpfen, werden Landwirte digitale Technologien gezielt dafür einsetzen“, so Prof. Sonoko Bellingrath-Kimura vom ZALF, Co-Autorin der Studie. Bei der Dokumentation und Kontrolle von Artenschutzmaßnahmen könnten digitale Technologien helfen, um Fördergelder künftig nach der tatsächlichen Leistung und Wirkung auszuzahlen, erklärt Tsvetelina Krachunova vom ZALF ergänzend.
Beim Datenschutz muss der Gesetzgeber nach Ansicht der Forscher ebenfalls nachbessern. Gewinner der Digitalisierung seien bisher die Agrarkonzerne, die die Technologien bereitstellten und große Mengen an Nutzerdaten auswerten könnten. „Die ökonomische und datenbasierte Vormachtstellung dieser Konzerne könnte sich also immer weiter festigen - dabei braucht Artenvielfalt auch eine Vielfalt an Betrieben, Agrarstrukturen und Anbausystemen“; betont Kliem.
Nötig seien rechtliche Vorgaben, die den Landwirten das Eigentum an Daten und Datensouveränität zusicherten, und klare Regeln für Nutzungsansprüche Dritter. Zudem fehlten noch ein ausreichendes Glasfaser- und Mobilfunknetz in dünn besiedelten Regionen sowie Bildungs- und Beratungsangebote für Landwirte und ihre Beschäftigten.
„Klar ist, dass wir das Ziel einer nachhaltigen Transformation der Landwirtschaft nur erreichen, wenn der Natur- und Umweltschutz auch für die digitalisierte Agrarwirtschaft zum Leitziel wird“, stellte BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm als Fazit aus der Studie fest.
AgE/ri