Nach einer aktuellen Schätzung der Marktanalysten von APK-Inform dürften sich wegen der russischen Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen am Ende des Wirtschaftsjahres 2021/22 abzüglich des Inlandsverbrauchs noch gut 21 Mio. t Getreide und Ölsaaten der Vorjahresernte in den Lägern befinden. Das wäre mehr als vier Mal so viel wie in anderen Jahren.
Die Gesamtkapazität der ukrainischen Lagereinrichtungen lag nach Angaben des Nationalen Statistikamtes zum 1. Januar 2022 bei 75 Mio. t, davon 30,5 Mio. t bei Handel und Verarbeitung sowie 44,5 Mio. t direkt in der Landwirtschaft. Zieht man die Lager in den von Russland besetzten Gebieten ab, verbleiben noch 60,9 Mio. t. Damit würde das Land mit einem Füllstand von etwa 35 % der gesamten verfügbaren Lagerkapazität in die neue Ernte gehen.
Die
Prognosen zur Ernte 2022 schwanken derzeit zwischen 56 Mio. t bis 75 Mio. t Getreide und Ölsaaten. Angesichts der guten Fortschritte bei der Aussaat in den nicht umkämpften Gebieten wäre auch ein noch höheres Aufkommen nicht unwahrscheinlich. Der britische Geheimdienst rechnet beispielsweise beim Getreide „nur“ mit einem Minus von 20 % zur Rekordernte 2021.
In jedem Fall würden mindestens 16 Mio. t Lagerraum für die neuerntige Ware fehlen. Sollte es nicht gelingen, in den nächsten Wochen ausreichend provisorischen Lagerraum zu schaffen, könnte also ein erheblicher Teil der Ernte verderben. Hinzu kommt, dass Russland in seinem Einflussbereich offenbar systematisch ukrainische Lager- und Umschlagkapazitäten zerstört, so dass sich die Situation selbst bei einem schnellen Kriegsende in den betroffenen Regionen nicht so schnell entspannen dürfte.