In einer vom Deutschen Milchkontor (
DMK) angeregten Studie stellen die Forscher um den IAB-Direktor Prof. Peter Michael Schmitz fest, dass insbesondere von Seiten der Nichtregierungsorganisationen die Kritik am Import von Sojafuttermitteln aus Lateinamerika und den USA deutlich zugenommen habe. Der Fleisch- und Milchbranche werde vorgeworfen, mit diesen Importen einen Beitrag zur Zerstörung wertvoller Naturräume zu leisten und den Weg für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und ihre Verbreitung in Europa zu bereiten. Politik und Lebensmitteleinzelhandel hätten diesen Trend aufgenommen und plädierten ihrerseits bereits für die Umstellung auf heimische Eiweißfuttermittel und den Verzicht auf GVO-Futtermittelimporte.
Nach Einschätzung der Gießener Agrarökonomen sind aber sowohl die Bundesrepublik als auch die EU auf die Einfuhr von Sojafuttermitteln angewiesen, da diese aufgrund ihrer hohen ökonomischen und ernährungsphysiologischen Eigenschaften allen anderen Eiweißträgern überlegen sind. Eine Handelsunterbrechung verbunden mit einer schrittweisen Umstellung auf heimische Futtermittel hätte deshalb nach ihrer Analyse erhebliche Wohlfahrts- und Marktanteilsverluste zur Folge, und zwar nicht nur bei tierischen Produkten, sondern auch bei wertschöpfungsstarken Getreideerzeugnissen.
Allein für die Bundesrepublik würden sich die volkswirtschaftlichen Einbußen nach der IAB-Projektion auf rund 10 Mrd. Euro pro Jahr summieren. Die Wissenschaftler empfehlen daher, die internationale Arbeitsteilung und den Agrarhandel nicht grundsätzlich in Frage zu stellen, stattdessen mit umwelt- und verbraucherpolitischen Instrumenten zur Internalisierung externer Effekte am Ort des Geschehens anzusetzen und Maßnahmen möglichst nicht im deutschen Alleingang, sondern EU-einheitlich zu ergreifen (Dokumentation).
Riesige BedarfslückeNach Angaben der Forscher besteht allein in Deutschland eine Eiweißlücke von etwa 2,5 Mio. t Rohprotein, die derzeit durch Importe gedeckt wird. Um diese Bedarfslücke schließen zu können, müsste laut den Wissenschaftlern theoretisch mehr als ein Fünftel der deutschen Ackerfläche zum Anbau von Ackerbohnen, Futtererbsen, Lupinen und Soja genutzt werden, was angesichts des aktuellen Anteils dieser Früchte zu erheblichen Verdrängungseffekten, beispielsweise zu Lasten von Weizen, führen würde.
Den Studienautoren zufolge machten Körnerleguminosen als alternative Eiweißlieferanten im Jahr 2013 gerade einmal 74.000 ha oder 0,6 % der deutschen Ackerfläche aus. Hinzu kamen 280.000 ha oder 2,3 % der verfügbaren Ackerfläche, die mit Futterleguminosen bestellt waren, und 6.500 ha oder 0,1 % der Ackerfläche, auf der Sojabohnen wuchsen.
Für den Fall, dass Deutschland die von manchen geforderte „Futtermittelwende“ allein durchführen und große Teile der verfügbaren Nutzfläche für die Eiweißpflanzenproduktion umnutzen würde, erwarten die Wissenschaftler des IAB deshalb deutliche Produktions- und Exporteinbußen bei Getreide, und zwar nicht nur zugunsten der internationalen Konkurrenz, sondern auch zugunsten der anderen EU-Mitgliedsländer. (AgE)