«Trinkwasser könnte in einigen Regionen um bis zu 62 Prozent teurer werden», sagte Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) am Donnerstag laut Mitteilung. Zuvor hatte die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» darüber berichtet.
Die
EU-Kommission hatte Deutschland schon im November wegen zu hoher Nitratwerte vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt. Als Hauptursache gilt ein übermäßiger Einsatz von
Gülle und stickstoffhaltigem Dünger auf den Äckern. Wo intensive Landwirtschaft betrieben wird - etwa in bestimmten Regionen von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen - ist die Nitratbelastung am höchsten.
Umweltverbände, Kleinbauern und Tierschützer verlangen deshalb im «Kritischen
Agrarbericht 2017», den der Verein Agrarbündnis am Donnerstag vor Beginn der Grünen Woche in Berlin veröffentlichte, eine schnelle Abkehr von der Massentierhaltung.
Nitrat ist eine chemische Verbindung aus Stickstoff und Sauerstoff. Für Menschen ist der Stoff selber nicht gefährlich. Nitrat kann aber zu Nitrit werden, das wiederum den Sauerstofftransport im Blut blockiert. Außerdem besteht der Verdacht, dass Nitrit indirekt krebserregend ist. Beim Trinkwasser werden diese Stoffe deshalb herausgefiltert, was teuer ist und den Wasserpreis nach oben treibt.
Laut dem Anfang Januar vom Bundesumweltministerium vorgestellten Nitratbericht wurde der zulässige Grenzwert zwischen 2012 und 2014 bei 28 Prozent der Messstellen überschritten. Der gesetzliche Grenzwert liegt bei 50 mg/l. Nach den Worten von Bauernpräsident Joachim Rukwied geht der Einsatz von Düngemitteln inzwischen zurück. «Wir düngen weniger bei gleichzeitiger Erhöhung der Erträge», sagte Rukwied bei einer Podiumsdiskussion vor Eröffnung der Grünen Woche.
Die Bundesregierung plant dennoch eine Verschärfung der Düngeverordnung. Grundlage dafür ist eine Änderung des Düngegesetzes. Nach Einschätzung des BDEW reicht der bisherige Entwurf der
Düngeverordnung aber nicht aus, um Böden und Grundwasser vor den Folgen einer Überdüngung zu schützen. «Noch kann die Politik das Ruder herumreißen», sagte Weyand. «Dafür müsste sie das Düngegesetz und die Düngeverordnung so verschärfen, dass die Nitratbelastung nachhaltig reduziert wird.»
Ansonsten würden erhebliche Mehrkosten auf die Verbraucher zukommen. Denn wenn die bisherige Reinigung der Wasserversorger durch neue Brunnen oder Verschneidung des Wassers nicht mehr ausreiche, werde eine aufwendige so genannte Denitrifizierung notwendig. Der Bau solcher Anlagen könnte den Wasserpreis empfindlich nach oben treiben.
Laut dem Gutachten würde die durchschnittliche Jahresrechnung eines Drei-Personen-Haushalts in einem Sechsfamilienhaus von 217 Euro auf 352 Euro steigen. Für ein Einfamilienhaus mit einem jährlichen Verbrauch von 150 Kubikmetern Wasser würde die Jahresrechnung im Schnitt um bis zu 49 Prozent klettern. «Im Einzelfall kann das natürlich weniger oder mehr sein», sagte Weyand. Das hänge dann von der jeweiligen Nitratbelastung ab. Ein Zeitraum für den möglichen Preisanstieg wurde nicht genannt.
An der Untersuchung nahmen 188 Unternehmen teil, zwei Drittel davon gaben an, dass mindestens in einem ihrer Wassergewinnungsgebiete eine problematische Nitratbelastung vorliege. Die Ergebnisse der Befragung wurden in dem Gutachten hochgerechnet. Bundesweit gibt es laut Verband rund 6.000 Wasserversorger. Eine genauere regionale Analyse plant das Umweltbundesamt. Das Ergebnis soll einem Sprecher der Behörde zufolge in etwa zwei Monaten vorliegen.