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11.12.2013 | 08:28 | Jobloses Wachstum 

Wie lange hält Afrikas Wirtschaftsboom an?

Kapstadt - So viele gute Nachrichten aus Afrika: Fünf Staaten im Osten wollen eine Währungsunion. Überall werden neue Eisenbahnlinien, Flughäfen und Straßen gebaut.

Afrika im wirtschaftlichen Aufschwung
(c) proplanta
Im Kongo soll das größte Wasserkraftwerk der Welt entstehen. Der Mittelstand wächst.

Selbst die Zahl der Dollar-Millionäre soll sich bis 2030 auf 260.000 verdoppeln. Hunderte Millionen Handys vernetzen den Kontinent. Es scheint, als ob Südafrikas Ex-Präsident Thabo Mbeki Recht haben könnte, als er 1999 vom künftigen «Jahrhundert Afrikas» sprach.

Auch Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) bestätigen die Fortschritte auf dem ärmsten, traditionell krisengeschüttelten Kontinent. Schon seit zehn Jahren liegen die durchschnittlichen Wachstumsraten in den 48 Staaten südlich der Sahara über dem Weltniveau. 2013 rechnen die Institutionen mit einem Wachstum von fünf Prozent, 2014 mit sechs Prozent.

Einen Boom erlebten auch Länder mit wenig Rohstoffen wie Burkina Faso, Kenia, Äthiopien, Ruanda oder Tansania. Gelobt werden dort eine bessere Steuerpolitik, niedrigere Inflation, ein investitionsfreundliches Klima.

Viele Experten warnen aber vor zu viel Optimismus. «Von einem großen Wandel ist Afrika noch weit entfernt», betont der Chefökonom des Politik-Instituts IRR (Johannesburg), Ian Cruickshanks. Nach wie vor fehle es den meisten Staaten an ausreichend Investitionen, gutem Bildungssystem, genug Energie, funktionierender Infrastruktur, Rechtssicherheit und «Eliten, die sich nicht nur bereichern wollen».

«Wachstumsraten in Afrika werden vor allem von Rohstoffen und Agrarprodukten genährt», betont Prof. Robert Kappel, langjähriger Präsident des Hamburger Giga-Forschungsinstituts. Preissprünge für Öl und Lebensmittel trügen «entscheidend zum rosigen Bild bei». Seit den 80er Jahren habe es beim Thema Afrika «wahre Euphorie-Wellen» gegeben. «Was kam, waren meistens Enttäuschungen.»

Kein Zweifel, Afrika verändert sich. Davon zeugen Wolkenkratzer aus Beton und Glas, prächtige Einkaufszentren und verstopfte Straßen der Metropolen Lagos, Addis Abeba oder Luanda.

Die Lebenserwartung der Afrikaner steigt, die Analphabetenzahl sinkt. Aus dem Ausland kommen mehr Investitionen (2012: 38 Milliarden Dollar, 29 Mrd Euro), auch wenn das nur etwa fünf Prozent aller Auslandsinvestitionen in der Welt sind und wenn sie zuvorderst in den Rohstoffsektor fließen.

Länder wie Malawi, Sambia oder Äthiopien versuchen, eine effiziente Landwirtschaft anzukurbeln. Denn riesige, fruchtbare Flächen Afrikas liegen brach oder werden traditionell bearbeitet. Deshalb sind die meisten Länder Afrikas von Lebensmittelimporten abhängig. Selbst in «Boomländern» wie Äthiopien hängen viele Millionen Menschen von Lebensmittelhilfen ab.

Afrika tut sich schwer, die «Millenniumsziele» wie die Beseitigung extremer Armut zu erreichen. Nur 19 von 45 afrikanischen Länder werden es laut IWF schaffen, die Armut bis 2015 zu halbieren.

Angesichts der enormen Geburtenrate wird sich die Zahl der Afrikaner von heute einer Milliarde bis 2050 verdoppeln. Für Millionen junger Menschen in den rasch wachsenden Metropolen gibt es keine Jobs.

Zwar boomt der Rohstoffbereich, doch er bietet nur wenig Arbeit. Was «Jobloses Wachstum» bedeute, könne man in ölreichen Staaten wie Nigeria und Angola sehen, meint Kappel. «Die Geschichte lehrt, dass es Entwicklung nur mit Warenproduktion gibt. Die aber ist in Afrika ein Desaster.» Außer im Schwellenland Südafrika wird in Afrika kaum etwas produziert.

Gerade mal ein Prozent der Warenproduktion weltweit entsteht in Afrika. Der deutsche Ex-Botschafter Volker Seitz erklärt: «Ohne ein Mindestmaß an Rohstoffveredelung und produzierendem Gewerbe dürfte es in Afrika kaum eine industrielle Revolution nach dem Vorbild Asiens geben.»

Auch manche Erfolgsmeldungen müssen relativiert werden, so über den «wachsenden Mittelstand». Die Afrikanische Entwicklungsbank zählt 315 Millionen Afrikaner dazu, weil sie jeden, der mehr als zwei Dollar am Tag hat, einrechnet. Ökonomen wie David Cowan (Citigroup Afrika) sprechen von «Augenwischerei». Menschen mit weniger als vier Dollar pro Tag seien gerade der größten Armut entronnen.

Manche Experten vergleichen Afrikas Weg mit dem asiatischer Tigerstaaten und sprechen vom «Aufbruch der Löwen». Aber die Unterschiede sind erheblich. In Afrika fehle es an Effizienz und Arbeitsmoral, betont Cruickshanks. Handels- und Transportkosten sowie Löhne seien angesichts sehr niedriger Produktivität zu hoch.

Massive Kritik gibt es an Afrikas Führungen: «Anders als in Asien sind viele nationale Eliten Afrikas ohne Verantwortung und Nationalstolz. Sie investieren lieber in Paris oder London als in die Entwicklung zu Hause», so Kappel. Die anhaltende Kapitalflucht sei verheerend. Jährlich werden nach Angaben Mbekis etwa 50 Milliarden Dollar aus Afrika ins Ausland geschafft.

Kappel: «Nicht ein einziger Staat Afrikas hat bisher den Sprung wie die Tigerstaaten geschafft - es sieht nicht so aus, als ob es bald einer schaffen könnte.» (dpa)
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