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31.05.2016 | 01:12 | Milchgipfel 
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Wieso gibt es Milch zum Spottpreis?

Berlin - Ein Liter Vollmilch für 46 Cent, ein Päckchen Butter für 70 Cent - und das noch nicht mal beim Discounter. In den Kühlregalen der Supermärkte werden Schnäppchenjäger gerade locker fündig.

Milchpreisverfall
Was für Verbraucher verlockend ist, wird für viele Landwirte immer bedrohlicher: Die Milchpreise kommen nicht aus dem Keller. Die Politik aktiviert Nothilfen. An den Kern der Probleme geht das nicht. (c) proplanta
Tausenden Milchbauern in Deutschland gehen die Billigpreise aber mittlerweile an die Existenz. Viele bekommen nicht einmal mehr ihre Kosten herein, und das schon seit Monaten. Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) verkündete deswegen bei einem «Milchgipfel» am Montag akute Millionenhilfen. Doch was kommt noch, um die Ursachen des dramatischen Preisabsturz ganz grundlegend anzupacken?

Wie dramatisch ist die Lage der Milchbauern?

«Es geht in diesen Tagen ums Ganze», heißt es beim Bauernverband. Ungefähr 23, 24 Cent bekommen Milcherzeuger im Schnitt derzeit noch für den Liter, in manchen Regionen sind es sogar weniger als 20 Cent. Dabei müssten es mindestens 30 oder 35 Cent sein, um keinen Verlust zu machen.

hne ausreichende Reserven oder nach teuren Investitionen gehen da vielen Betrieben die flüssigen Mittel aus. Das Höfesterben droht sich weiter zu beschleunigen. Dabei halbierte sich die Zahl der Milchbetriebe seit dem Jahr 2000 inzwischen schon auf gut 73.000.

Wo liegen Ursachen der Krise?

Schwankungen der Milchpreise sind nicht neu. Schon 2009 sackten sie teils unter 22 Cent, schwangen sich 2013 aber zeitweise wieder auf mehr als 40 Cent empor. Seitdem geht es abwärts. Gerade dämpft die schwächere Nachfrage etwa in China die Geschäfte.

Weil Russland wegen der Konfrontation in der Ukraine-Krise Importe abblockt, bleibt mehr Milch in der EU und verwässert die Preise. In den USA und Neuseeland legte die Erzeugung stark zu, genau wie in einigen EU-Ländern nach dem Wegfall der Milchquote als Mengenschranke 2015. Dazu kommt der Reflex, dass Bauern erst recht mehr produzieren, um ihre gewohnten Einnahmen zu erhalten. Das verschärft wieder den Preisdruck für alle.

Welche Nothilfen hat der «Milchgipfel» gebracht?

Gastgeber Schmidt wiederholte nach dem Treffen eine schon kursierende Zahl: «100 Millionen plus X» will der Bund berappen, um Entlastung in der Not zu schaffen. Ins Paket kommen sollen etwa Steuerentlastungen und Zuschüsse zur Unfallversicherung. Wie groß das X wird, ist aber erst noch mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der EU-Kommission zu klären.

Der Bauernverband macht prompt Druck und bringt «Faktor 10» ins Spiel - also eine Milliarde Euro. Hohe politische Priorität hat das Thema jedenfalls. Nachdem es wegen der Milliardenförderung für Elektroautos in der Union rumorte, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich Hilfen für die Bauern zu.

Was soll sich im Markt ändern?

Die Wurzel des Problems ist zu viel Milch - da sind sich alle einig. Doch wie kommt das Angebot herunter? Von staatlichen Eingriffen will der Minister vorerst weiter nichts wissen. Der Bauernverband fordert, Molkereien müssten besser zu den Bauern rückkoppeln, welche Mengen zu vernünftigen Preisen absetzbar sind.

Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die nicht zum Gipfel geladen wurden, rufen dagegen nach Bonus-Zahlungen, damit Milcherzeuger die Produktion drosseln. Das bekämen sie gut hin, indem sie weniger Kraftfutter geben oder Kälber mit frischer Kuhmilch füttern, heißt es bei der AbL.

Wie geht es weiter?

Schnelle Lösungen für neue Mechanismen in der Milchkette sind vorerst nicht in Sicht - zumal der Markt ja mindestens europäisch ist. Die beteiligten Branchen will Schmidt nun in die Pflicht nehmen, dazu einen Dialog aufzunehmen.

Absprachen über einheitliche Mindestpreise dürfe es aber schon kartellrechtlich nicht geben, machte der Handel gleich klar. Dabei stehen die Supermarktriesen mit ihrer großen Marktmacht besonders im Visier. Sie argumentieren, Kunden könnten aus einem breiten Angebot mit diversen Preisstufen wählen - im Kühlregal steht neben der 46-Cent-Milch zum Beispiel auch Markenmilch für 99 Cent.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisiert aber, der Aufpreis resultiere vor allem aus mehr Marketingkosten. «Landwirte erhalten fast immer die gleichen, niedrigen Auszahlungspreise.»
dpa
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Kommentare 
cource schrieb am 01.06.2016 08:12 Uhrzustimmen(55) widersprechen(56)
man kann sich auch dumm stellen--schon mal was von "butterberge" und regelmäßige lebensmittelvernichtung gehört--kleiner tip: hat was mit dem alternativlosen wirtschaftsystem zu tun
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